Ein oder zwei Gewerbebetriebe – das ist hier die Frage

Es gibt unzählige Urteile zu der Frage, ob ein Unternehmer einen oder zwei Gewerbebetriebe sein Eigen nennt. Das liegt wohl daran, dass jeder Fall gesondert zu betrachten ist und es dementsprechend fast immer einer Einzelfallentscheidung bedarf.

Jüngst haben das FG Düsseldorf und das FG Münster die Rechtsprechung um weitere Fälle bereichert.

Das Urteil des FG Düsseldorf vom 8.1.2021 (15 K 1186/21 G,E):

Der Kläger betreibt einen Großhandel mit Altmaterialien samt Recyclingtätigkeit. Ferner führt er einen Schrotthandel. Er beantragte die Berücksichtigung von Investitionsabzugsbeträgen, die in der Summe über den nach § 7g EStG maßgeblichen Höchstbetrag von 200.000 Euro hinausgingen. Der Kläger argumentierte, dass es sich um zwei einzelne Betriebe handele und der betriebsbezogene Höchstbetrag somit insgesamt zweimal ausgeschöpft werden könne. Seit Jahren hätten beide Betriebe eine eigene Steuernummer, eine getrennte Buchführung sowie getrennte Kassen- und Bankkonten. Die Betriebsführung finde im selben Gebäude, aber in verschiedenen Räumlichkeiten mit separaten Büroeinrichtungen, insbesondere auch jeweils eigenem Anlage- und Umlaufvermögen, statt. Das Finanzamt berücksichtigte dennoch nur Investitionsabzugsbeträge bis zum maßgeblichen Höchstbetrag von 200.000 Euro. Das Gericht wies die Klage ab und erkannte ebenfalls nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb.

Es bestehe ein enger räumlicher Zusammenhang der Betriebsteile unter einer gemeinsamen Anschrift. Darüber hinaus handele es sich um gleichartige Tätigkeiten, weil sich beide Betriebsteile ergänzten und dadurch zu einer entsprechend stabileren Marktwirksamkeit führten. Die Geschäftsunterlagen ließen auch auf einen organisatorischen Gesamtzusammenhang der wirtschaftlichen Tätigkeit des Einzelunternehmers schließen, so dass andere Kriterien wie zum Beispiel die getrennte Buchführung zurücktreten würden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Az. beim BFH lautet X R 8/23 (Quelle: FG Düsseldorf, Newsletter Februar 2024).

Das Urteil des FG Münster vom 29.11.2023 (13 K 986/21 G):

Der Kläger unterhält einen Betrieb, mit dem er die Planung, Projektierung und Bauleitung von Gewächshäusern durchführt. Daneben meldete er einen weiteren Betrieb an, der die Züchtung künstlich vermehrter seltener aus dem Ausland bezogener Pflanzenarten und die Schaffung neuer Hybride für den Onlineversand zum Gegenstand hat. Den Gewinn ermittelte er für beide Bereiche im Rahmen einer einheitlichen Buchführung. Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich um zwei selbstständige Gewerbebetriebe handelte. Dem stimmte das FG zu.

Beim Gewächshausbau handele es sich um eine gewerbliche und bei der Pflanzenzucht um eine land- und forstwirtschaftliche Betätigung, die nicht derart miteinander planvoll wirtschaftlich verbunden seien, dass sie als ein einheitlicher Gewerbebetrieb betrachtet werden könnten. Die Pflanzenzucht stelle sich auch nicht als bloße Hilfsbetätigung zum Gewächshausbau dar (Quelle: FG Münster, Newsletter Februar 2024).

Denkanstoß:

In Zweifelsfällen ist der Praxis zu empfehlen, das BFH-Urteil vom 22.10.2015 (IV R 17/12) zur Hand zu nehmen und die dort aufgestellten Kriterien zur Einheitlichkeit bzw. zur Trennung von Gewerbebetrieben zu beachten. So sprechen bei einer Gesamtwürdigung zum Beispiel folgende Abgrenzungsmerkmale für die Annahme eines eigenständigen Teilbetriebs: räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, eigener Wirkungskreis, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm und eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation. Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen, der Teilbetrieb erfordert allerdings eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb.

Zur Frage, ob auch bei Freiberuflern zwei eigenständige Betriebe vorliegen können, siehe FG München, Urteil vom 29.11.2017 (1 K 311/16). Im Streitfall wurde die Selbstständigkeit verneint, weil für die beiden Tätigkeitsbereiche weder getrennte Gewinnermittlungen erstellt worden sind noch sonstige Umstände wie z.B. eine räumliche Trennung oder der Einsatz besonderen Personals die organisatorische Selbstständigkeit hinreichend verdeutlicht haben. Leider wurde die Revision VIII R 36/18 im Anschluss an das Urteil zurückgenommen. Es wäre durchaus interessant gewesen, wenn sich der BFH umfassend zu dem Thema geäußert hätte.

Lesen Sie hierzu meine Beiträge im NWB Experten-Blog:

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