Dualer Ausbildungsmarkt leitet unter Corona-Pandemie

Nach dem am 6.5.2020 im Bundeskabinett diskutierten und veröffentlichten Berufsbildungsbericht der Bundesregierung beschleunigt die Corona-Krise dramatisch den Rückgang der Ausbildungsplätze in Deutschland. Was muss jetzt geschehen, damit die „Duale Ausbildung“ in Deutschland jetzt nicht „unter die Räder“ kommt?

Hintergrund

Das duale Ausbildungssystem in Deutschland mit paralleler schulischer und betrieblicher Ausbildung in gewerblichen und kaufmännischen sowie handwerklichen Ausbildungsberufen ist eine Errungenschaft, um die Deutschland weltweit beneidet wird. Allein im Jahr 2019 stellten Industrie, Handel und Handwerk rund 578.000 Ausbildungsstellen bundesweit zur Verfügung. Gleichzeitig aber sank auch die Zahl der Bewerber gegenüber dem Vorjahr auf knapp 550.000. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ging in 2019 auf 225.100 zurück. Per Saldo bestand somit – wie in den Vorjahren – ein rechnerisches Überangebot an Ausbildungsplätzen: musste sich in früheren Jahren ein Ausbildungsplatzbewerber nach einem Ausbildungsplatz „strecken“, ist es in den letzten Jahren zunehmend um einen Wettlauf um Auszubildende gekommen. Fakt ist hierbei: Sinkende Zahlen bei den Auszubildenden bedeuten auch einen sinkenden Fachkräftenachwuchs. Damit verschärft sich ein Problem, das nach der Aussage der deutschen Unternehmen eines der größten Wachstumsrisiken neben der Bürokratiebelastung und den geopolitischen Unsicherheiten auf den Weltmärkten ist.

Corona-Pandemie verschärft Ausbildungssituation

Wie die großen Wirtschaftsverbände festgestellt haben, hat die Corona-Pandemie in Deutschland seit März 2020 die Situation am Ausbildungsmarkt weiter verschärft. Nach Mitteilung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist im April 2020 bei den angebotenen Lehrstellen ein Minus von rund 8 % im Vergleich zum Vorjahresmonat zu verzeichnen. Auch wenn es sich nur um eine Momentaufnahme handelt und bis zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres im September 2020 noch Korrekturen zu erwarten sind, zeichnet allein die Monatsstatistik für April 2020 in Bayern ein düsteres Bild: Bayernweit ist die Anzahl der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse Ende April gegenüber dem Vorjahr um mehr als 17 % rückläufig, in einzelnen IHK-Bezirken sind dramatische Einbrüche von mehr als 37 % per Ende April 2020 zu beobachten. Die Gründe liegen auf der Hand: Demographische Veränderungen führen zu einem Rückgang der Schulabgängerzahlen, der Zuwachs an Auszubildenden auf dem Migrantenmarkt stagniert und obendrein die Corona-Krise: Gerade Klein- und mittelständische Unternehmen, die nach Angaben des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) mehr als 83 % der Ausbildungsleistung in Deutschland abdecken, stehen in der Corona-Krise unter massivem finanziellen Druck. Ein rückläufiger Auftragseingang und massive Umsatzeinbrüche reißen Löcher in die Unternehmenskassen, die aktuell kaum mehr gestopft werden können. In einer solchen Situation müssen die Unternehmen sparen, auch beim Personalaufwand, und damit auch bei den Auszubildenden. Dies führt zu einer Zurückhaltung, sich in der derzeitigen Situation jetzt schon für das neue Ausbildungsjahr festzulegen und Auszubildende an sich zu binden.

Was muss zur Belebung des Ausbildungsmarkts geschehen?

Die wirtschaftlich stark angespannte Situation darf jetzt nicht auch noch zu einem „Corona-Crash“ auf dem Ausbildungsmarkt führen. Jetzt auf Ausbildungsplätze zu verzichten, um zu sparen, wäre arbeitsmarktpolitisch das völlig falsche Signal. Was kann in der jetzigen Situation helfen? Der DIHK hat ein 10-Punkte-Programm vorgestellt, das im Kern insbesondere folgende Elemente enthält:

  • Verbundausbildung und Digitalisierung:
    Wenn Betriebe allein nicht mehr in der Lage sind, bestimmte Ausbildungsinhalte zu vermitteln, können sie sich mit andere Unternehmen oder Einrichtungen zu einem Ausbildungsverbund zusammenschließen. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass in der Digitalisierung viel Potenziale schlummern. Vor allem in kaufmännischen Berufen gibt es viele digitale Tätigkeiten, die mit modernen Kommunikationsmitteln von zu Hause aus erledigt werden können.
  • Kurzarbeitergeld für Auszubildende:
    Kurzfristig würde es den Ausbildungsbetrieben helfen, wenn sie Kurzarbeitergeld für Azubis uneingeschränkt wie für Beschäftigte erhalten können – ohne die derzeit geltende sechswöchige Wartefrist (§ 19 BBiG) und rückwirkend ab dem 1.3.2020.
  • Ausbildungsbonus für Ausbildungsbetriebe:
    Bei weiter angespannter wirtschaftlicher Lage könnte der Bund solchen Betrieben eine Bonuszahlung gewähren, die in diesem Jahr zusätzliche Ausbildungsplätze anbieten. Das wäre ein zusätzlicher Anreiz für mehr Ausbildung, der der gesamten Wirtschaft nutzt. Wer nämlich ausbildet, schafft nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch für andere Betriebe den erforderlichen Fachkräftenachwuchs.
  • Einstiegsqualifizierungen und überbetriebliche Ausbildung:
    Falls die Situation im Herbst trotz aller Anstrengungen schwierig bleibt, sollten insbesondere leistungsschwächere Bewerber zunächst die Chancen einer Einstiegsqualifizierung ergreifen. So bald wie möglich könnten dann der Übergang in Ausbildung und eine zeitliche Anrechnung auf das erste Ausbildungsjahr das Ziel sein. Azubis könnten während der Pandemie zunächst in einer außerbetrieblichen Einrichtung lernen. Nach einer wirtschaftlichen Erholung könnten sie dann zum zweiten Ausbildungsjahr in einem Betrieb vermittelt werden.

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