Der Datenschutz ist ein hohes Gut. Bürgerinnen und Bürger sollen sicher sein, dass mit ihren personenbezogenen Daten sensibel umgegangen wird. Zwar gab es das Thema „Datenschutz“ selbstverständlich auch schon vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Jahre 2018, doch seitdem haben die Diskussionen darüber, was erlaubt ist und was nicht, besonders Fahrt aufgenommen. Auch die Behörden müssen die DSGVO beachten, wobei ihnen allerdings einzelgesetzlich weitreichende Rechte eingeräumt werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Finanzbehörden ist in § 29b AO geregelt.
Danach gilt: Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr übertragen wurde, erforderlich ist.
Nun hat es in diesem Zusammenhang ein interessanter Fall vor den BFH geschafft. Vereinfacht ausgedrückt lautete die Frage: Ist das Finanzamt berechtigt, von einem Vermieter die Mietverträge mit seinen Mietern anzufordern oder sind deren Rechte nach der DSGVO höher zu gewichten als das öffentliche Interesse (der Finanzverwaltung)? Die Antwort des BFH lautet „Ja, das Finanzamt darf die Verträge anfordern“(BFH-Urteil vom 13.8.2024, IX R 6/23).
Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus mehreren Objekten. Das Finanzamt wollte dazu gerne die aktuellen Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen sehen. Der Vermieter kam der Aufforderung aber nur teilweise nach. So übersandte er dem Finanzamt zwar bestimmte Aufstellungen, doch die Namen der Mieter hatte er geschwärzt. Die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen reichte er erst gar nicht ein. Er teilte mit, dass die Offenlegung dieser Unterlagen im Hinblick auf die Grundsätze der DSGVO ohne vorherige Einwilligung der Mieter nicht möglich sei. Zudem sei eine Berechtigung zur Unterlagenanforderung nicht ersichtlich, da die Mietverträge zur Prüfung der tatsächlichen Einkünfte untauglich seien.
Gegen die Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen erhob der Vermieter Einspruch. Sein Rechtsbehelf und die anschließende Klage vor dem FG Nürnberg blieben aber erfolglos (Urteil vom 1.2.2023, 3 K 596/22). Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz nun bestätigt.
Die Begründung in aller Kürze:
Die Offenlegungspflicht gegenüber dem Finanzamt beruht auf den §§ 29b, 93, 97 AO als nationale Bestimmungen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Darüber hinaus stellt sie auch eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO dar und sichert eines der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele. Denn zu diesen Zielen gehört nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO auch der Schutz eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs-, Haushalts- und Steuerbereich, also sowohl die Steuererhebung als auch die Bekämpfung von Steuerbetrug.
Das Verlangen, Unterlagen vorzulegen, muss zwar notwendig und verhältnismäßig sein, doch die Anforderungen an die Finanzämter sind insoweit nicht streng auszulegen.
Dem Vermieter war die Offenlegung der Mieterdaten auch nicht unmöglich, weil darin eine rechtswidrige Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu sehen ist. Eine Einwilligung der Mieter war nicht erforderlich. Denn der Vermieter war nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 29b Abs. 1, § 97 AO zur Offenlegung der personenbezogenen Daten seiner Mieter berechtigt. Schließlich berührt die Verpflichtung des Klägers als Verantwortlicher, gemäß Art. 13 Abs. 3 DSGVO die Mieter über die Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck zu informieren, seine Vorlagepflicht nicht.
Denkanstoß:
Die Entscheidung ist keine Überraschung, doch spannend ist sie allemal, zeigt sie doch das Spannungsfeld zwischen den persönlichen Rechten aus der DSGVO und dem Wunsch nach einer ordentlichen Steuererhebung auf.
Wenn ich das Urteil des BFH richtig verstehe, können sich Vermieter - und letztlich auch die Mieter selbst – zwar nicht gegen die Vorlage der Mietverträge wehren, doch Vermieter müssen ihre Mieter über das Auskunftsverlangen informieren, konkret über die „Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck“. Das kann sehr aufwendig sein – das Bürokratieland Deutschland lässt grüßen.