Hat ein Gesellschafter „seiner“ GmbH ein Darlehen gewährt, das nun ganz oder teilweise auszufallen droht, führt der Forderungsausfall grundsätzlich nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung, wie der BFH mit Urteil vom 11.7.2017 (IX R 36/15) entschieden hat. Das Urteil des BFH hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters.
Die Entscheidung dürfte sicherlich allgemein bekannt sein, so dass ich sie an dieser Stelle nicht näher vorstellen möchte. Die Frage ist jedoch, was Betroffene nun tun können, um den Wertverlust eines Gesellschafterdarlehens doch noch steuerlich geltend machen zu können. Antwort:
In geeigneten Fällen könnte der Verkauf einer Forderung an einen nahen Angehörigen sinnvoll sein. Das Schleswig-Holsteinische FG hat den entgeltlichen Erwerb einer Gesellschafterforderung durch die Ehefrau eines Anteilseigners als nicht missbräuchlich angesehen (Urteil vom 24.4.2015, 3 K 19/11 nrkr.). Doch warum ist die Veräußerung steuerlich sinnvoll? Der Grund liegt im Zusammenspiel von § 20 Abs. 2 Nr. 7 mit § 32d Abs. 2 EStG. Eine Darlehensforderung ist eine Kapitalforderung – Gewinne sind zu versteuern; Verluste können dementsprechend ebenfalls steuerlich geltend gemacht werden.
Zwar greift grundsätzlich die Verlustverrechnungs-Einschränkung nach § 20 Abs. 6 EStG. Diese wiederum wird aber bei Gesellschaftern, die zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt sind, ausgehebelt. Folglich kann ein Verlust im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Forderung mit anderen Einkünften verrechnet werden (zu Einzelheiten vgl. Blog „Gesellschafterdarlehen: Forderungsverkauf statt -verzicht kann steuerliche Wunder vollbringen“). Einen Gestaltungsmissbrauch wird die Finanzverwaltung im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 12.7.2012 (I R 23/11) nur schwerlich begründen können, sofern die Veräußerung fremdüblich durchgeführt wird. Natürlich wird die Finanzverwaltung versuchen, den Verlust § 17 und nicht § 20 EStG zuzuordnen.
Diesbezüglich könnte es zu Streitigkeiten kommen. Der Streit muss dann gegebenenfalls ausgefochten werden; allerdings sind die Erfolgsaussichten für betroffene Steuerpflichtige meines Erachtens gut, denn spätestens nach dem o.g. aktuellen BFH-Urteil besteht für die Annahme des § 17 EStG bei einem Forderungsverkauf eigentlich kein Raum mehr (zu weiteren Aspekten des Modells siehe auch: Gestaltende Steuerberatung 2/2017, S. 262 „Gesellschafterdarlehen: Forderungsverkauf statt -verzicht als Gestaltungsalternative“ – mit Musterformulierung).
Ungeachtet der obigen Ausführungen gilt zur Kapitalausstattung einer GmbH ganz allgemein: Nur Bares ist Wahres. Von daher empfiehlt sich – aus steuerlichen Gründen – eine unmittelbare Einlage in die Gesellschaft anstelle von (eigenkapitalersetzen) Darlehen. So wäre grundsätzlich gesichert, dass nachträgliche Anschaffungskosten vorliegen (Wichtig: bei der Einlage unbedingt auf die richtige Benennung und Verbuchung achten; gegebenenfalls Kapitalerhöhungsbeschluss fassen). Doch das ist zugegebenermaßen nicht immer gewollt.
Kurz noch ein Hinweis zu Forderungen mit Rangrücktritt: Hier sollten der Blog-Beitrag „Rangrücktrittsvereinbarung nachträglich anpassen?“ und das BFH-Urteil vom 15.4.2015 (I R 44/14) beachtet werden. Verbindlichkeiten, für die ein Rangrücktritt vereinbart worden ist, sind grundsätzlich auszubuchen, wenn eine Tilgung der Schulden aus freiem Vermögen nicht vereinbart worden ist.
Weitere Informationen:
- BFH v. 11.01.2017 – IX R 36/15
- Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht v. 24.04.2015 – 3 K 19/11
- BFH v. 12.07.2012 – I R 23/11
- BFH v. 15.04.2015 – I R 44/14
Lesen Sie hierzu auch meine Beiträge hier im NWB Experten-Blog:
- Gesellschafterdarlehen: Forderungsverkauf statt -verzicht kann steuerliche Wunder vollbringen
- Rangrücktrittsvereinbarung nachträglich anpassen?
Das „Zusammenspiel von § 20 Abs. 2 Nr. 7 mit § 32d Abs. 2 EStG“ halte ich für nicht ganz trivial.
Die Vorschrift § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG setzt voraus, dass „Kapitalerträge im Sinne des § 20 […] Absatz 2 Satz 1 Nummer […] 7 […] von einer Kapitalgesellschaft […] an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 Prozent an der Gesellschaft […] beteiligt ist.“ Den Fall haben wir aber streng genommen nicht: Denn die Kapitalerträge werden nicht von der Gesellschaft an den Anteilseigner gezahlt, sondern vom Erwerber.
Oder meint § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG eigentlich neben den Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von einer KapGes an einen wesentlich beteiligten Anteilseigner gezahlt werden, (auch und nur) die Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG aus der Veräußerung der zugrunde liegenden Forderungen? Das würde ich für systematisch naheliegend halten, finde es im Wortlaut aber leider nicht wieder.
In der Kommentarliteratur heißt es, im Schrifttum werde „eine teleologische Reduzierung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG für die Veräußerungsfälle i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 7 EStG auf solche gefordert, in denen der Zufluss der an sich der Abgeltungsbesteuerung unterliegenden Veräußerungs- und Einlösungsgewinne auf der Ebene des finanzierten Betriebs korrespondiert (z.B. Veräußerung einer Forderung, deren Verzinsung über dem Marktniveau liegt, mit Gewinn)“, Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2320. Die Primärfundstelle hab ich hier nicht zur Hand, aber sie scheint mir ein weiteres Hindernis aufzuwerfen.
Sicherlich bietet das Modell eine gewisse Angriffsfläche. Meines Erachtens muss man sich aber auf den „Kern des Ganzen“ konzentrieren. Der Anteilseigner hat zunächst einmal eine (verzinsliche) Forderung gegen „seine GmbH“, die er veräußert. Finanzverwaltung und Gesetzgeber wollen ausschließen, dass für Zinsen auf Kapitalforderungen gegen die eigene GmbH – im Erfolgsfall – die Abgeltungssteuer zur Anwendung kommt (vgl. BFH-Urteil vom 29.04.14, VIII R 23/13).
Also müssen sie im negativen Fall – und dazu gehört m.E. der Verkaufsfall – zulassen, dass dann das Abgeltungsteuerrecht ebenfalls nicht zur Anwendung kommt, Verluste (auch aus der Veräußerung) folglich verrechungsfähig sind. Gerade das aktuelle BFH-Urteil vom 11.7.2017 bietet meines Erachtens eine gute Grundlage, um das Modell zu stützen. Aber wie gesagt: Es gibt sicherlich Streitpontenzial, denn die Gestaltung wird der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge sein. Angriffspunkte sind § 17 EStG vs. § 20 EStG und die von Herrn Dr. Kleinmanns aufgeworfene Frage, ob die „Kapitalerträge“ von der Gesellschaft oder vom Erwerber gezahlt werden.
Unabhängig von diesem Streit muss allerdngs die Frage gestellt werden, ob es eine andere Ausweichgestaltung gibt. Denn ohne Veräußerung der Forderung könnte eine steuerliche Berücksichtigung des Verlustes nach dem aktuellen BFH-Urteil ohnehin nicht erreicht werden. Wichtig ist aber natürlich bei allem, dass der Anteilseigner zu mindestens 10 % beteiligt und das Darlehen verzinslich ist.