Wenn Berufstätige weit entfernt von ihrem Lebensmittelpunkt arbeiten und dort eine Wohnung nutzen, dürfen sie die Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen. Die Betonung liegt aber auf dem Wort „doppelte“, denn schon rein begrifflich setzt der Abzug das Vorliegen eines zweiten Hausstandes voraus. Die Finanzverwaltung verlangt zumindest bei Ledigen im Übrigen den Nachweis, dass der Steuerpflichtige nachweislich mehr als zehn Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der heimatlichen Haushaltsführung übernimmt (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl 2014 I S. 1412; BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228).
Schaut man ins Gesetz, finden sich die Worte „monatlich regelmäßig anfallend“ allerdings nicht. Das BMF hat insoweit neue Tatbestandsmerkmale geschaffen. Daher hatte das Niedersächsische FG entschieden, dass eine regelmäßige Beteiligung an den laufenden Wohnungs- und Verbrauchskosten nicht erforderlich ist, da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien hierauf hindeuten (Urteil vom 18.9.2019, 9 K 209/18). Der BFH hat das Urteil nun bestätigt (BFH-Urteil vom 12.1.2023, VI R 39/19).
Der Sachverhalt:
Der Kläger hat eine Wohnung an seinem Arbeitsort angemietet. Zudem bewohnt er in seinem Elternhaus eine nicht abgeschlossene Wohnung im Obergeschoss gemeinsam mit seinem Bruder. Ein Mietvertrag bezüglich dieser Wohnung besteht nicht. Im Rahmen seiner Steuererklärung gab der Kläger an, dass er sich in einer Gesamthöhe von 3.160,47 Euro im Jahr 2015 am Haushalt beteiligt habe. Im Einzelnen legte er dar und wies mit Hilfe von Kreditkartenauszügen nach, dass er durchgängig das ganze Jahr über Lebensmitteleinkäufe getätigt hatte. Zudem fügte er Kontoauszüge über eine Überweisung in Höhe von 1.200 Euro (Verwendungszweck: Nebenkosten/Telekommunikation) sowie über eine Überweisung über 550 Euro (Verwendungszweck: Anteil neue Fenster in 2015) an seinen Vater vor. Beide Kontoauszüge datierten vom Dezember 2015. Das Finanzamt sah hierin jedoch keinen ausreichenden Nachweis über eine finanzielle Beteiligung und lehnte den Abzug von Kosten der doppelten Haushaltsführung ab. Der Kläger habe nicht dargelegt, in welcher Höhe monatlich regelmäßig laufende Kosten der Lebensführung für die Haushaltsführung entstanden seien. Die hiergegen gerichtete Klage war indes erfolgreich; die Revision der Finanzverwaltung wurde abgewiesen.
Die Begründung in aller Kürze:
Bezüglich der Kostenbeteiligung sieht das Gesetz weder eine bestimmte betragsmäßige Grenze vor noch, dass es sich um eine laufende Beteiligung im Sinne einer mietgleichen Zahlung handeln muss. Deshalb kann sich der Steuerpflichtige dem Grunde nach auch durch Einmalzahlungen – einschließlich solcher am Jahresende – an den Kosten der Haushaltsführung finanziell beteiligen. Eine Haushaltsbeteiligung in sonstiger Form (z.B. durch die Übernahme von Arbeiten im Haushalt oder Dienstleistungen für den Haushalt) genügt insoweit jedoch nicht. Auch darf die finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen an den Kosten des (Haupt-)Hausstands nicht erkennbar unzureichend sein. Als Vergleichsmaßstab zur Prüfung der ausreichenden finanziellen Beteiligung dienen die im Jahr tatsächlich entstandenen Haushalts- und sonstigen Lebenshaltungskosten. Diese hat der Steuerpflichtige darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Ob die finanzielle Beteiligung dann tatsächlich ausreichend ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.
Denkanstoß:
Es würde zu weit gehen, das BFH-Urteil hier in allen Einzelheiten vorzustellen. Interessierten kann nur empfohlen werden, die Urteilstexte sowohl des BFH als auch der Vorinstanz ausführlich zu studieren. Beispielsweise war von Bedeutung, dass der Haushalt der beiden Brüder als eigenständiger Haushalt galt. Der BFH sah keinen Mehrgenerationenhaushalt mit den Eltern, obwohl es sich nicht um einen abgeschlossene Wohnung handelte. Daher musste sich der Kläger auch nicht an den Kosten des gesamten Hauses bzw. Haushaltes, sondern nur an dem gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder beteiligen.
Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass das BFH-Urteil einerseits zu begrüßen ist, andererseits aber für die Praxis eine gewisse Erschwernis bedeutet, denn die Zehn-Prozent-Grenze war schließlich etwas, an dem man sich orientieren konnte. Da das BMF-Schreiben vom 25.11.2020 allerdings nach wie vor in Kraft ist, kann man sich in Streitfällen aber (noch) darauf berufen.
Ein letzter Hinweis: Bei Ledigen, die „zuhause“ noch ihr ehemaliges Kinder- oder Jugendzimmer nutzen, wird das Vorliegen eines eigenen Haushalts am Lebensmittelpunkt grundsätzlich verneint. Ausnahme: Es liegt ein echter Mehrgenerationenhaushalt vor. Wie das FG Münster entschieden hat, reicht dafür eine – nachgewiesene – Kostenübernahme alleine aber nicht aus. Und auch die gelegentliche Übernahme von Haus- und Gartenarbeiten kann den Kostenabzug nicht retten. Nach Ansicht des FG Münster zeichnet sich eine gleichberechtigte Haushaltsführung nach Art einer Wohngemeinschaft unter anderem dadurch aus, dass Investitionsentscheidungen gemeinsam getroffen und umgesetzt werden (Urteil vom 7.10.2020, 13 K 1756/18 E). Beachten Sie hierzu den Blog-Beitrag „Keine doppelte Haushaltsführung trotz Kostenbeteiligung„.