Doppelte Haushaltsführung: Gilt ein 30 Jahre alter Sohn noch als „jüngeres Kind“?

Wenn Berufstätige weit entfernt von ihrem Lebensmittelpunkt arbeiten und dort eine Wohnung nutzen, dürfen sie die Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen. Die Betonung liegt aber auf dem Wort „doppelte“, denn schon rein begrifflich setzt der Abzug das Vorliegen eines zweiten Hausstandes voraus.

Wenn jüngere berufstätige Kinder während der Ausbildung oder nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ein Zimmer bewohnen, sei anzunehmen, dass sie einen eigenen Hausstand nicht unterhalten, auch wenn sie sich zuhause an den Kosten der Haushaltsführung beteiligen. Sie seien im Allgemeinen in den Haushalt der Eltern eingegliedert. Folglich könnten keine Kosten einer doppelten Haushaltsführung vorliegen.

So argumentieren regelmäßig die Finanzämter und haben beispielsweise vom FG Münster Recht bekommen (Urteil vom 7.10.2020, 13 K 1756/18 E). Der BFH muss nun die Frage klären, ob diese ablehnende Haltung auch bezüglich eines rund 30 Jahre alten Kindes gilt, das nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung auswärts studiert und lediglich über ein geringes Einkommen verfügt. Vorausgegangen ist ein negatives Urteil des FG München vom 1.3.2023 (1 K 2311/20; Revision unter Az. VI R 12/23).

Der Sachverhalt:

Der in 1986 geborene ledige Kläger hat nach abgeschlossener Ausbildung und nachgeholter Fachhochschulreife studiert. Während des Studiums (Streitjahre 2014 bis 2018) bezog er zunächst ein geringes Gehalt als Werkstudent bzw. als studentische Hilfskraft sowie später ein etwas höheres Gehalt als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Auswärts bewohnte er Studentenwohnungen bzw. Zimmer in Studentenwohnheimen. Außerdem behielt er seinen Wohnsitz im Haus seiner Eltern bei. Seine dortigen Räumlichkeiten umfassten zwar eine eigene Küche und ein eigenes Bad, doch eine baulich abgeschlossene Wohnung lag offenbar nicht vor.

Der Kläger trug vor, er habe als gleichwertiges Haushaltsmitglied Aufgaben wie Garten-, Renovierungs-, Landwirtschafts- sowie Umbauarbeiten und sonstige Arbeiten übernommen und die Haushaltsführung maßgeblich mitbestimmt. Auch habe er im Rahmen seiner eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten einen Geldbetrag zur gemeinsamen Lebensführung beigetragen. Jedenfalls sei aufgrund seiner nichtselbstständigen Tätigkeit die Regelvermutung anzuwenden, wonach bei älteren, wirtschaftlich selbstständigen, berufstätigen Kindern von einer maßgeblichen Mitbestimmung der Haushaltsführung auszugehen sei. Er beantragte den Abzug von Kosten einer doppelten Haushaltsführung. Finanzamt und Finanzgericht lehnten den Abzug jedoch ab.

Die Begründung in aller Kürze:

Es sei davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert war, ohne diesen wesentlich zu bestimmen bzw. mitzubestimmen. Er habe keinen eigenen Hausstand im Haus seiner Eltern unterhalten. Auch ein „gleichwertig mitbestimmter Mehrgenerationenhaushalt“ lag nicht vor. Dem stehe insbesondere entgegen, dass die Eltern nicht zwingend auf die Unterstützung des Klägers angewiesen oder aufgrund von Alter und/oder Krankheit pflegebedürftig gewesen wären (die Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt). Dass der Kläger mit Aufnahme der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter ein etwas höheres Einkommen erzielt hat, ändere an dieser Sichtweise nichts.

Denkanstoß:

Interessant ist, dass das FG die Revision – soweit erkennbar – nicht zugelassen hatte und diese erst per Nichtzulassungsbeschwerde erreicht wurde. Offenbar scheint der BFH die Problematik für so gewichtig zu halten, dass er eine allgemeine Klärung für erforderlich hält.

Die „offizielle“ Frage zur Revision, die sich diesbezüglich auf den Internetseiten des BFH befindet, ist aber eher etwas kryptisch formuliert: „Erfordert das Innehaben einer Wohnung i.S. des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG ein eigenes Recht im Sinne eines entgeltlichen Nutzungsrechts des Steuerpflichtigen, das ihm wie bei Eigentum oder einem Mietverhältnis ein zur Ausschließung berechtigendes Hausrecht gewährt, oder ist es ausreichend, dass dem Steuerpflichtigen ein (räumlich) abgrenzbarer Teil eines Wohnhauses unentgeltlich, unter Vereinbarung eines Ausschlusses der Nutzung der Überlassenden, zur Nutzung überlassen wird?“

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?

    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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