Die Besteuerung der Altersbezüge und die darauf berufende Rechtsprechung des BFH, geduldet durch das BVerfG, ist kein juristisches Glanzstück und schon gar nicht ein Beitrag zur Rechtssicherheit und zur Umsetzung eines angemessen Rechtsschutzes. Nun hat der BFH zumindest „Klarheit“ geschaffen, dass für jeden Einzelfall des Rentenbezuges geklärt werden muss, ob eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vorliegt.
Mit der Entscheidung X R 44/14 wird nochmals klargestellt, dass in jedem Einzelfall eine Doppelbesteuerung der Rente zu vermeiden ist. Allerdings trifft den Steuerpflichtigen die Feststellungslast. Kurz zur Erinnerung. In dem Grundsatzurteil zur Abzugsfähigkeit der Beiträge zur RV (X R 15/07) wurde entschieden, dass erst bei Erhalt der Rente eine Beschwer vorliegen würde. Der Steuerbürger kann nicht den zu niedrigen Ansatz seiner Beiträge zur RV erfolgreich rügen.
Jetzt die erste „Nebelentscheidung“ des X. Senates zu dem Umsetzen des in Art. 19 GG garantierten Rechtsschutzes. Mit Erhalt der Rente ist die Doppelbesteuerung zu rügen, denn es darf nicht unterstellt werden, dass zuerst die Beiträge, also die steuerentlastete Rente ausgezahlt wird. Mit Beginn der Rente wird also dieser Teil und der nicht steuerentlastende Anteil ausgezahlt. Soweit die gute Nachricht.
Der Steuerbürger ist beweispflichtig. Wie soll er die Doppelbesteuerung nachweisen? Dazu wurde das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Gericht und Kläger haben jetzt die Aufgabe, die Doppelbesteuerung herauszuarbeiten. Großzügige Geste des BFH: Vom Steuerbürger kann nicht verlangt werden, dass er seine alten Steuerbescheide, z. B. vor dem Alterseinkünftegesetz, vorlegen muss. Es darf geschätzt werden. Wie, da schweigt der BFH wohl eher aus Unkenntnis der Materie Rente, denn als Pensionär ist ihm dieser Bezug der Altersversorgung fremd.
Dementsprechend verwirrend fallen die allgemeinen „Ratschläge“ zur Ermittlung einer möglichen Doppelbesteuerung aus (TZ 42 ff.) Auch die Höhe einer gedachten „Bagatellgrenze“ der Doppelbesteuerung überlässt der BFH erst einmal dem FG.
Für die Praxis ist diese Entscheidung eine Katastrophe und für die Umsetzung des Rechtsschutzes ein Skandal. So wird über die Hintertür Art. 19 Abs. 1 GG unterlaufen! Es wird Zeit, dass die Justiz sich hinsichtlich des Grundgesetzes auf die gewollten Ursprünge des Rechtes konzentriert!
Der Steuerberater kommt nicht umhin, jeden Mandanten auf eine mögliche Doppelbesteuerung aufmerksam zu machen. Ob diese dann vorliegt, kann erst nach umfangreichen Ermittlungen im Einzelfall festgestellt werden. Wer soll diese Kosten bezahlen? Der Mandant! Diese Aufwendungen wären abzugsfähig im Rahmen der Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften. Ob sich die Finanzverwaltung dieser Auffassung anschließen wird, ist bei der heutigen fiskalischen Tendenz leider offen.
Bei festgestellter Doppelbesteuerung erfolgt der Einspruch. In einigen Fällen wäre das also bereits seit 2005 notwendig, denn der Rentenbeginn ist maßgeblich für die Beschwer. In vielen Fällen, aber nicht von Beginn 2005 an, wird der Vorläufigkeitsvermerk „Rettung“ bieten (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 AO). Also bitte jetzt den Antrag auf Korrektur gem. § 165 Abs. 2 AO stellen und die Doppelbesteuerung vorrechnen.
Weiter ist die Ablaufhemmung zu beachten (§ 171 Abs. 8 AO). Nach 2 Jahren tritt Festsetzungsverjährung ein, wenn die Ungewissheit beseitigt ist. Ungewiss ist die Doppelbesteuerung und die hat der Steuerpflichtige darzulegen. Macht er das innerhalb von 2 Jahren nicht, dann tritt Festsetzungsverjährung ein? Gewiss ein abenteuerlicher Gedanke, den ich persönlich nicht teile. Aber die Finanzverwaltung ist für alle möglichen Auslegungen fähig, nützt diese dem Fiskus. Aus meiner Sicht ist die Ungewissheit (endgültig) beseitigt, wenn eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ermittlung der Doppelbesteuerung vorliegt. Auch könnte es durchaus möglich sein, dass das BVerfG noch angerufen wird.
Jedenfalls ist diese Entscheidung und die vorherigen Entscheidungen wieder ein erschütterndes Beispiel dafür, dass man den „Einzelfall“ gelöst hat, ohne auf die Auswirkungen des Ganzen zu achten (wohl weil man diese Materie nicht kennt).
Weitere Informationen:
Ich habe erst am 21.11. ihren Kommentar zum BFH-Urteil vom 21.6.2016, X R 44/14, gefunden. Ver-spätet teile ich ihnen meine Auffassung dazu mit.
Der BFH behandelt nur die Rentenbesteuerung der ersten Schciht in der Übergangsregelung. Dabei führt diese doch automatisch zur Doppelbesteuerung bei Bürgern, die Rentenversicherungsbeiträ-ge in der ersten Schicht leisten und frühestens ab 2040 Rente beziehen. Diese können nicht alle Beiträge als Sonderausgaben geltend machen und müssen trotzdem 100% der Rente versteuern! Die in ihrem Kommentar von einem FG festzulegende „Bagatellgrenze“ dürfte daher keine Bagatel-le sein.
Ich beziehe seit 2009, der Vollendung meines 63. Lebensjahrs, von der Deutschen Rentenversiche-rung eine 2/3 Teilrente. Hier und bei weiteren privaten Renten klage ich wegen Doppelbesteue-rung. Ein Termin ist noch nicht festgesetzt. Ich habe, wie der Kläger im obigen BFH-Urteil, noch alle Steuerbescheide und kann damit den Doppelbesteuerungsnachweis führen. Dieser ergibt sich aus dem geringen Sonderausgabenabzug der Rentenbeiträge.
Das Urteil geht leider nur auf die Doppelbesteuerung einer gesetzlichen Rente aus freiwilligen Bei-trägen ein. Dabei gibt es auch private Leibrenten mit Rentenbeginnen vor 2005 die doppelt besteu-ert sind! Krass ist es bei meiner in 2012 abgeschlossenen Leibrente in der dritten Schicht. Dort er-reicht die Rentensumme in der Rentenbezugsdauer noch nicht einmal den Beitrag aus versteuer-tem Einkommen! Damit liegt nach dem sytemprägenden Einkunftsbegriff des § 2 EstG gar kein steuerbarer Kapitalzuwachs vor. Es handelt sich nicht um Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, sondern nur um wiederkehrende Bezüge bzw. eine private Vermögensumschichtung. Das habe ich der Lebensversicherung mitgeteilt, die dieses Argument aber nicht gelten läßt. Sie verschickte eine Rentenbezugsmitteilung. Das Finanzamt versteuerte in 2013 bei dieser Rente einen wahrlich fikti-ven Ertrag! Die Rentenbesteuerung ist hier zu einer Ersatzvermögenssteuer mutiert. Dazu kommt es, weil der Gesetzgeber den 2. Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts vom 26.3.1980, Az. 1 BvR 121/76, der eine zeitnahe Anpassung an geänderte Verhältnisse vorgibt, nicht anwendet. Der gel-tende Ertragsanteil wird aus einer Rentenbezugsdauer nach der Sterbetafel 1997/99 Mann und mit einem Zins von 3% berechnet. Die Lebensversicherer rechnen dagegen, nach staatlicher Vorgabe, mit einer Unisex-Sterbetafel und einem Höchstrechnungszins von 1,25% und ab 2017 mit 0,9%. Damit kommt es folgerichtig zur Doppelbesteuerung bei privaten Leinrenten in der dritten Schicht. Der Staat bereichert sich bei diesen Renten bei der derzeitigen Rentenbezugsdauer des EstG an dem vorsorgenden Bürger, der Kapital verliert; wobei der Kapitalverlust durch die zu hohen Er-tragsanteile noch erhöht wird!
Ich kann die Klageschrift für den Steuerbescheid 2009 und/oder Dopppelbesteuerungsbeispiele privater Renten zur Verfügung stellen.
Sehr geehrter Herr Zimmermann,
der hier von Ihnen aufgezeigte „Einzelfall“ zeigt deutlich auf, dass der Einzelfall nicht einzeln, sondern zahlreich vorkommen wird. Es zeigt, wie die Judikative urteilend, nur nicht wissend mit diesem Rechtsproblem umgegangen ist. Nun haben die Finanzgerichte und der BFH Farbe zu bekennen. Bitte keine Tricksereien. Die Beiträge zur Rentenversicherung sind zusammen mit den weiteren Sonderausgaben nach altem Recht, wie Beiträge zur Lebensversicherung, im Verhältnis zur Höhe der gesamten Aufwendungen und der abzugsfähigen Höchstbeträge zu ermitteln. Eine irrende Gedankenwelt, erst die Beiträge der Rentenversicherung und dann die weiteren Sonderausgaben zu berücksichtigen, wäre nicht nur ein Justizirrtum, sondern eher als Betrug zu entlarven.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, sich Gedanken um die Besteuerung der Lebensversicherung zu machen. Das ist aus meiner Sicht bislang in der Literatur unterblieben. In der Tat, die Zinssätze, die der Besteuerung zugrunde gelegt wurden und die Zinssätze der gesetzlichen Garantie weichen so krass ab, dass eine Besteuerung unmöglich ist. Es ist der typische Fall der Liebhaberei, aber das passt der Finanzverwaltung jetzt an dieser Stelle nicht. Die Besteuerung fällt aus. Da die Finanzverwaltung nur unter dem Gesichtspunkt der Einnahmenerzielung das Steuerrecht immer mehr ausliegt, wird sie von selbst auf diese Lösung nicht kommen. Wir brauchen so mutige Bürger, die die Widersprüche vorantreiben.
Mit freundlichem Gruß
Hans-Peter Schneider
Steuerberater