Doppelhaushälfte, Sechs-Monats-Frist, Familienheim und innere Tatsache

Manchmal gibt es BFH-Urteile, die bei aller Kürze einen wahren Schatz an interessanten Aussagen erhalten. So auch das BFH-Urteil II R 46/19 vom 6.5.2021. Es geht um einen eigentlich recht einfachen Sachverhalt:  Ein Steuerpflichtiger bewohnt eine Doppelhaushälfte, die andere Hälfte des Hauses wird von seinem Vater genutzt. Als dieser verstirbt, entschließt sich der alleinerbende Sohn, die beiden Häuser mittels Durchbruchs miteinander zu verbinden und die nunmehr einheitliche Wohnung komplett zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen. Allerdings vergehen zwischen den Tod des Vaters und dem Einzug mehr als sechs Monate. Daher versagt das Finanzamt die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.

Zurecht? Tja, wenn die Antwort so einfach wäre.

Zunächst der Grundsatz: Erbt ein Steuerpflichtiger eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein. Dies gilt aber nur dann, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist. Das ist schon einmal positiv.

Nun aber stellt sich die weitere Frage, was mit „unverzüglich“ gemeint ist. Der BFH hatte hierzu mit Urteil vom 28.5.2019 (II R 37/16) eine Sechs-Monats-Frist ins Spiel gebracht. Und wie es dann immer so ist, werden solche Fristen von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten gerne mit einer Art Gesetzescharakter versehen, von dem nicht abgewichen werden darf. Dass der BFH schon damals Ausnahmen zugelassen hatte, wird geflissentlich übersehen.

Doch nunmehr hat der BFH zur Frage der „Unverzüglichkeit“ bzw. der „Sechs-Monats-Frist“ erneut Stellung bezogen, und zwar unter anderem wie folgt:

Der Erbe muss bei einer Überschreitung der Sechs-Monats-Frist glaubhaft darlegen, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hat. Es obliegt ihm, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift.

Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, z.B. wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können. Ein weiteres Indiz für die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist die zeitnahe Räumung bzw. Entrümpelung der erworbenen Wohnung. Verzögert sich der Einzug hingegen deshalb, weil zunächst ein gravierender Mangel beseitigt werden muss, ist eine spätere Entrümpelung der Wohnung unschädlich, wenn sie nicht ihrerseits zu einem verzögerten Einzug führt.

Das sind interessante Hinweise. Bemerkenswert ist sind aber auch die Aussagen des BFH zur „Bestimmung“ bzw. zur „Absicht“ der Selbstnutzung: „Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. … Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung lässt sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Erforderlich ist deshalb, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Die bloße Widmung zur Selbstnutzung —beispielsweise durch Angabe in der Erbschaftsteuererklärung— reicht nicht aus, wenn kein tatsächlicher Einzug erfolgt ….. Dasselbe gilt, wenn der Erwerber durch Äußerungen gegenüber Dritten seine Absicht zum Einzug lediglich bekundet.“

Diese Sätze können für die Fälle von Bedeutung sein, in denen es ganz allgemein um Fragen der „Verwendungsabsicht“ und der „inneren Tatsache“ geht, etwa bei der vermeintlichen oder tatsächlichen Verwendung von Wirtschaftsgütern zu betrieblichen bzw. unternehmerischen Zecken. Ein genaues Studium des Urteils lohnt also durchaus.


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