Doppelbesteuerung Leibrenten bei Steuerausländern

Das FG Mecklenburg-Vorpommern (FG MV) lag eine neuartige Fallkonstellation vor: Ein deutscher Arzt war 1995 nach Argentinien ausgewandert und erzielte keine inländischen Einkünfte mehr. Seine argentinischen Einkünfte als Arzt versteuerte er nach dortigem Landesrecht. Von diesen Einkünften zahlte er freiwillige Beiträge an ein deutsches Ärzteversorgungswerk.

Ab 2017 bezog er von dem Versorgungswerk eine Leibrente. Das Besteuerungsrecht für diese inländischen Einkünfte liegt bei Deutschland. Dementsprechend unterwarf das Finanzamt die Renteneinkünfte 2017, 2018 und 2019 dem gesetzlichen Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) EStG. Hiergegen wandte sich der (beschränkt) Steuerpflichtige mit Einspruch und Klage.

Wie ist eine mögliche Doppelbesteuerung zu berechnen?

Das BVerfG hat mit dem „Rentenurteil“ vom 06.03.2002 (2 BvL 17/99) entschieden, dass die Ertragsanteilsversteuerung von Rentnern im Vergleich zur Vollversteuerung von Versorgungsempfängern gegen den Gleichheitssatz verstößt und dem Gesetzgeber aufgegeben, die notwendige Reform so auszugestalten, dass Doppelbesteuerungen vermieden werden.

Der Gesetzgeber hat mit dem AlteinkG reagiert, welches zum 01.01.2005 in Kraft trat. Dabei hat er für einen Übergangszeitraum Besteuerungsanteile festgelegt, von denen er annahm, dass Doppelbesteuerungen weitestgehend vermieden werden konnten.

Die Berechnungsmethodik zur Feststellung einer etwaigen Doppelbesteuerung im Einzelfall wurde von der Rechtsprechung entwickelt. Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH vom 19.05.2021, X R 20/19 und X R 33/19) liegt eine Doppelbesteuerung dann nicht vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfreien Rückflüsse mindestens so hoch ist, wie die steuerbelasteten Altersvorsorgeaufwendungen.

Vorliegend war also zu klären, wie in die vom Kläger aus seinen argentinischen Einkünften freiwillig geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen in dieser Vergleichsrechnung zu berücksichtigen sind. Bei einer Berücksichtigung dieser Rentenbeiträge als bereits in der Einzahlungsphase steuerbelastet ergäbe sich eine Doppelbesteuerung; bei einer Berücksichtigung als steuerbegünstigt hingegen nicht.

Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern

Das FG MV war nun rechtsschöpfend tätig und hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2024 (2 K 33/22) abgewiesen und entschieden, dass diese Altersvorsorgeaufwendungen überhaupt nicht zu berücksichtigen sind. Die Revision wurde zugelassen. Ob sie inzwischen eingelegt wurde, ist nicht bekannt.

Dabei ist das FG MV m.E. zu Recht davon ausgegangen, dass es keine Rolle spielt, dass der Kläger sein Einkommen in Argentinien versteuert hat. Das richte sich nach dem Doppelbesteuerungsabkommen, welches aber nicht den Zweck hat, Rentendoppelbesteuerungen zu vermeiden.

Die freiwilligen Eigenbeiträge des Klägers während des Zeitraums, in denen keine unbeschränkte Steuerpflicht bestand, und die sich deshalb steuerlich nicht ausgewirkt haben, sind danach jedoch nicht in die Vergleichs- und Prognoserechnung einzubeziehen. Das heißt wohl, auch wenn es das FG so nicht ausformuliert hat, dass diese Rentenbeiträge weder als steuerbelastet noch als steuerbegünstigt in der Einzahlungsphase gewertet werden.

Zur Begründung führt das FG MV aus, dass das BVerfG in seinem „Rentenurteil“ lediglich eine innere Folgerichtigkeit und Verfassungsmäßigkeit des deutschen Systems der Rentenbesteuerung verlangt hat. Das werde aus dem Urteil unmittelbar deutlich. Mehr ist der Rechtsprechung nicht zu entnehmen.

Die freiwilligen Eigenbeiträge des Klägers sind jedoch aus Einkommen geleistet worden, welches bereits dem Grunde nach nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen hat. Sie stehen nicht in dem notwendigen „innersystematischen“ Zusammenhang mit dem deutschen Steuerrecht. Dementsprechend können sie nicht in die Vergleichsrechnung einbezogen werden.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des FG MV ist wenig überzeugend. Es ist schon fragwürdig, warum aus dem „Rentenurteil“ des BVerfG „unmittelbar deutlich“ werden soll, dass es sich auf das deutsche System der Rentenbesteuerung bezieht, und welche Bedeutung dies haben sollte.

Vor allem aber: Wenn Altersvorsorgebeiträge nicht in die Vergleichsrechnung einbezogen werden, so bedeutet das im Ergebnis nichts anderes, als dass sie als in der Einzahlungsphase steuerbegünstigt gewertet werden. Das ist aber nicht der Fall.

Steuerbegünstigt sind Altersvorsorgebeiträge dann, wenn sie an irgendeiner Stelle die steuerliche Bemessungsgrundlage vermindert haben, entweder als Sonderausgaben oder als steuerfreie Einkünfte. Einen Sonderfall stellen die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung dar. Diese sind zwar nicht steuerfrei, sondern nicht steuerbar, werden aber durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung (§ 10 Abs. 3 S. 3 ff. EStG) als steuerfrei behandelt.

Altersvorsorgebeiträge, die geleistet werden aus Einkünften, die nicht steuerbar sind, und die auch nicht durch Sonderregelung als steuerfrei behandelt werden, dürfen m.E. jedoch nicht als steuerbegünstigt gewertet werden. Sie sind in die Vergleichsrechnung deshalb als steuerbelastet einzustellen.

Nicht steuerbare Einkünfte dürfen eben definitionsgemäß gar nicht besteuert werden, weder vor- noch nachgelagert. Ihre Einbeziehung in die nachgelagerte Besteuerung würde die Nicht-steuerbarkeit rückwirkend aufheben.

Fazit

Die nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften, für die die geleisteten Altersvorsorgebeiträge vor dem Systemwechsel bisher vorgelagert besteuert wurden, stellt eine zulässige unechte Rückwirkung dar (BVerfG vom 29.09.2015, 2 BvR 2683/11).

Die nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften, denen nichtsteuerbare Einkünfte zu Grunde lagen, ist jedoch eine unzulässige echte Rückwirkung. Wenn in abgeschlossenen Veranlagungszeiträumen von einer Nichtsteuerbarkeit ausgegangen wurde, können die daraus resultierenden Renten nicht mehr nachträglich besteuert werden.

Rechnerisch erfordert dies in der Vergleichsrechnung eine Behandlung als steuerbelastet.

 

 

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