Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg steigen die Energiepreise immer weiter in die Höhe. Seither hat sich die Lage indes noch einmal deutlich verschlechtert. Ein Grund mehr, um darüber zu diskutieren, ob einzelne Unternehmen, die besonders hohe Erträge erzielen, vermehrt zur Kasse gebeten werden sollten. Was spricht für eine solche Übergewinn-Steuer und was spricht gegen sie?
Das Konstrukt der Übergewinn-Steuer
Krisen- und Kriegsgewinner sollen nach Meinung vieler nun eine entsprechende Steuer, die sog. Übergewinn-Steuer bezahlen. Was ist das eigentlich genau? Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags beschreibt sie als eine Steuer, die den über einen „Normalgewinn“ hinausgehenden Gewinn belastet. Was indes ein Übergewinn ist und wann (lediglich) ein Normalgewinn vorliegt, das sei nach verschiedenen Methoden berechenbar, so der wissenschaftliche Dienst im März 2021 anlässlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie. In jedem Fall sind Vergleichszeiträume aus Vorkrisen- oder Friedenszeiten der Ausgangspunkt, anhand derer dann Renditen definiert werden, die in diesen Zeiten üblich waren.
Pro: Ausgleichende Wirkung
Insbesondere Vertreter der Links-Partei, der SPD und der Grünen fordern die Einführung einer Übergewinnsteuer. Lars Klingbeil (SPD) etwa konstatierte, dass er Krisen- und Kriegsgewinner stärker besteuern wolle. Es könne nicht sein, dass sich die Öl-Multis „in der Krise die Taschen noch voller machen“. Diese Meinung teilt auch die Grünen-Chefin Ricarda Lang: „Einige wenige profitieren, während ganz viele mittelständische Unternehmen unter den hohen Energiepreisen leiden und sich fragen, wie sie durch das nächste Jahr kommen sollen. Die Übergewinnsteuer wäre da ein logischer Schritt.“ Eine Übergewinnsteuer habe ausgleichende Wirkung, da „wenige auf Kosten aller immense Gewinne einstreichen, ohne dass sie einen Mehrwert geschaffen haben“, konstatiert ferner die Grünen-Politikerin Paula Piechotta.
Aber auch in der Union gibt es Stimmen, die sich für eine solche Sondererhebung aussprechen, etwa Jens Spahn.
Contra: Willkür des Staats
Andere bezeichnen das Mittel der Übergewinn-Steuer als populistisch und wenig überzeugend. Zentral dabei ist die Frage: Was ist genau ein – kriegsbedingter – Übergewinn und ab welcher Höhe ist davon auszugehen, dass er eintritt? NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst gibt zu bedenken, dass ein solches Instrument zwar zunächst einmal die „Einnahmen des Bundes erhöhe, aber nicht notwendigerweise die Verbraucherpreise senke“. Der Bundesfinanzminister Christian Lindner ist ebenfalls strikt gegen die Einführung einer solchen Steuer. Es fehle eine klare, verlässliche und rechtssichere Definition, was Übergewinne eigentlich seien. Stattdessen brauche es vielmehr ein Kartellamt, das darauf aufpasst, dass Marktmacht nicht missbraucht werde. Seitens der Wissenschaft ist tendenziell auch eine ablehnende Haltung zu vernehmen. Clemens Fuest, der das IFO in München leitet, gibt zu bedenken, dass ein solches Instrument Investoren verunsichere und Ausdruck politischer Willkür sei.
Quo vadis, Übergewinnsteuer?
Historische Vorbilder für die heiß diskutierte Übergewinnsteuer gibt es viele. Beispielsweise können Unternehmensgewinne während der beiden Weltkriege als Ausgangspunkt genutzt werden: Damals wurden etwa in den USA und Großbritannien Sonder-Steuern erhoben, um kriegsbedingte Gewinne abzuschöpfen und zur Deckung der Kriegslasten beizutragen. Aktuell hat Italien bereits eine Übergewinnsteuer eingeführt.
Inwiefern ein solches Instrument (auch in Deutschland) ein geeignetes Mittel darstellt, darüber wird sicherlich in naher Zukunft weiter diskutiert werden. Ein entsprechender Vorstoß der Länder Bremen, Berlin und Thüringen für eine Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Unternehmen stieß im Bundesrat bereits auf Kritik. Ob das Steuerrecht das geeignete Einfallstor ist, um eine Neu- bzw. Umverteilung von „Übergewinnen“ vorzunehmen, darüber darf weiter gestritten werden. Die Aussage Christan Lindners, dass das Steuerrecht „keine Unter- und keine Übergewinne, sondern nur Gewinne“ kenne, sollte zumindest in die Diskussion einfließen und bedacht sein.