Disclosure Overload mal anders oder Informationskürzung à la VW

Veränderung der Berichterstattung zwischen 2015 und 2016 am Beispiel der F&E-Kosten

Die Geschäftsberichte wurden in den letzten Jahren immer umfangreicher frei nach dem Motto „Mehr ist besser“. Siemens hat mit der radikalen Kürzung des Geschäftsberichtes 2015 den Weg Richtung Verschlankung der Berichterstattung eingeschlagen. Der erste „entschlackte“ Geschäftsbericht bedeutet für die betroffenen Mitarbeiter vor allem eines: Viel Arbeit – für den ersten „neuen“ Bericht. In den folgenden Jahren werden sie jedoch (hoffentlich) eine erhebliche Arbeitserleichterung spüren. Denn ein kürzerer Bericht erfordert weniger Korrekturarbeiten, weniger überflüssige Informationen wie beispielsweise aktuelle Fotos der Vorstandsmitglieder.

Bei Volkswagen hat der Bericht 2016 um ca. 17 Seiten zugenommen. Das könnte möglicherweise auch den der Berichterstattung zum Dieselskandal liegen? Ich will es nicht genauer nachprüfen. Denn bei einem Umfang von mehr als 300 Seiten werde ich eine Weile beschäftigt sein. Es bleibt zu hoffen, dass viele Unternehmen ihre Geschäftsberichte einer radikalen Diät unterziehen und diese auf die wesentlichen Inhalte kürzen. Vor allem auch die Dopplung von Informationen bringt den Lesern keinerlei Mehrinformationen.

Da VW mit dem hohen Rückstellungen sicherlich wenig Positives zu berichten hat, lohnt sich ein Blick in einzelne Details. Ich habe mir die Berichterstattung zu den Forschungs- und Entwicklungskosten angeschaut. Genauer gesagt die Informationen zu der absoluten Höhe der F&E-Aufwendungen sowie die sog. Aktivierungsquote. Die Aktivierungsquote gibt an, welcher Anteil der Entwicklungskosten an den gesamten F&E-Aufwendungen aktiviert wurde. Dabei kommen einige interessante Erkenntnisse zu Tage.

Im Geschäftsbericht 2015 stellt der Automobilkonzern die Forschungs- und Entwicklungskosten insgesamt sowie die davon aktivierten Entwicklungskosten der Geschäftsjahre 2011 bis 2015 dar (Geschäftsbericht VW, Seite 139). Die absoluten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung haben sich von 2011 bis 2015 fast verdoppelt. Sie betrugen 2011 ca 7,2 Mrd. Euro, 2015 ca. 13,6 Mrd. Euro. Interessant an dieser Stelle ist jedoch die Aktivierungsquote: Diese ist von 23,1 % (2011) auf 36,9 % (2015) gestiegen. Nun gut, möglicherweise wurden die Voraussetzungen für die Aktivierung der Entwicklungskosten nach IFRS in den letzten Jahren erst erfüllt. Möglich. Allerdings werden im Branchenvergleich in der Automobilindustrie vergleichsweise hohe Aktivierungsquoten erreicht. Dies liegt daran, dass im Gegensatz zur Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Autos weniger Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob daraus ein marktfähiges Produkt entstehen wird, besteht.

Um die in den letzten Jahren erheblich gestiegene Aktivierungsquote und den damit verbundenen tendenziell höheren Gewinnausweis nicht zu drastisch darzustellen, wurde im Geschäftsbericht 2016 in die Trickkiste gegriffen: Hier werden lediglich die Werte der Jahre 2015 und 2016 gegenübergestellt. Dadurch werden die Vergleichbarkeit der Aktivierungsquote sowie die Höhe der absoluten F&E-Aufwendungen der letzten Geschäftsjahre für die Leser eingeschränkt. Natürlich kann ein Leser bei Interesse in den Bericht des Vorjahres schauen. Aber bei einem solch umfangreichen Bericht wird dies kaum jemand nachschauen. Mal ganz abgesehen davon: Die pdf-Version der Berichte ist zur detaillierten Lektüre nicht sonderlich geeignet. Das Einzige was in dieser besser ist als bei der gedruckten Version: Man kann nach dem Begriff „Aktivierungsquote“ mit Hilfe der Funktionen in der Datei suchen und muss nicht mühsam selbst im Bericht auf Suche gehen.

Auch wird im Geschäftsbericht 2016 (Seite 149) erstmals die Forschungs- und Entwicklungsquote dargestellt. Diese zeigt den Anteil der F&E-Aufwendungen an den Umsatzerlösen. Die Quote ist in den beiden Jahren nahezu konstant: Im Jahr 2015 werden 7,4 % der Umsätze wieder in Innovationen investiert,  2016 sind dies 7,3 %. Das soll also möglicherweise aufzeigen: Der Skandal hat die Umsatzerlöse und auch die Investitionen in Innovationen nicht beeinträchtigt.

Was schließen wir daraus? Mehr Informationen sind nicht immer besser – weniger Informationen aber auch nicht immer. Sie lassen eher vermuten, dass etwas verschleiert werden soll.

Lesen Sie hierzu auch meine Beiträge im NWB Experten-Blog:

 

 

 

 

 

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