Bundestag und Bundesrat haben Ende Juni eine Reform des Industrie- und Handelskammergesetzes (IHKG) verabschiedet, deren Kern die Umwandlung des Dachverbandes DIHK e.V. in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ab 1.1.2023 ist. Eine Bewertung der praktischen Bedeutung für die deutsche Wirtschaft.
Hintergrund
Das BVerwG hat im Oktober 2020 entschieden, dass eine IHK den DIHK e.V. verlassen muss, weil dieser seine wiederholt Äußerungskompetenzen überschritten hat und eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (BVerwG v. 14.10.2020 – 8 C 23.19). Der Bundesgesetzgeber hat umgehend eine Reform auf den Weg gebracht, um den Fortbestand der Interessenvertretung auf Bundesebene zu sichern.
Was sind die Kernpunkte der Reform?
- DIHK e.V. wird Körperschaft des öffentlichen Rechts:
Um die „Vollständigkeit“ der Interessenvertretung auf Bundesebene zu gewährleisten, wird der DIHK durch Rechtsformwechsel zum 1.1.2023 (§ 13 c Abs.1 IHKG) in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Dienstherreneigenschaft und Sitz in Berlin umgewandelt (§ 10 b Abs. 1 IHKG), die der Rechtsaufsicht des BMWi unterliegt (§ 11a Abs. 1 IHKG). - Gesetzliche Mitgliedschaft der IHK in der Bundeskammer:
10 b Abs. 2 IHKG sieht eine Pflichtmitgliedschaft der 79 deutschen IHK vor. Die Bundeskammer kann den AHK durch Satzung eine außerordentliche Mitgliedschaft einräumen. Künftig kann keine IHK mehr gezwungen werden, aus dem Dachverband auszutreten. Übergangsweise sind die IHK auch verpflichtet, bis 31.12.2022 Pflichtmitglied des DIHK e.V. zu bleiben (§ 13 c Abs. 8 IHKG). - Aufgabenkatalog der IHK:
Der Kompetenzrahmen der IHK (§ 1 IHKG) wird präziser gefasst: IHK haben zwar kein allgemeinpolitisches Mandat, tragen im Rahmen der Gesamtinteressenvertretung aber eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IHKG), ferner haben sie einen Minderheitenschutz zu gewährleisten (§ 1 Abs. 1 S. 3 IHKG). In § 1 Abs. 5 IHKG wird jetzt klargestellt, dass Fragen der Arbeitsmarktpolitik und der Sozialpolitik grundsätzlich vom Aufgabenbereich bei Stellungnahmen der IHK erfasst sind. Das gilt allerdings nicht im grundrechtlich geschützten Aufgabenbereich der Sozialpartner.
Sind jetzt gesetzliche IHK-Mitglieder schutzlos?
War das BVerwG-Urteil aus 2020 für die Unternehmerschaft nutzlos, dürfen IHK und der Dachverband jetzt tun und lassen was sie wollen? Eindeutig nein! Zunächst setzt der neue Aufgabenrahmen (§ 1 IHKG) im Rahmen der Interessenvertretung den Äußerungsbefugnissen deutlichere Grenzen als das bislang der Fall war. Außerdem haben die Mitglieds-IHK und deren Kammerzugehörige (§ 2 Abs. 1 IHKG) einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch gegenüber der Bundeskammer, wenn diese ihre Kompetenzen nach § 10 a IHKG überschreitet (§ 11 a Abs.3 S. 1 IHKG). Die Bundeskammer richtet zu diesem Zweck durch Satzung ein Beschwerdeverfahren mit einem Beschwerdeausschuss ein (§ 11a Abs.3 S.3 IHKG), über Klagen entscheidet erstinstanzlich das örtlich zuständige Verwaltungsgericht (§ 11 a Abs. 3 S. 2 IHKG). Das bietet den IHKn und den Unternehmen einen ausreichenden Schutz bei Kompetenzüberschreitungen.
Bedeutung der Reform für die deutsche Wirtschaft
Die Umwandlung des DIHK in eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist der notwendige Schritt, um die Vollständigkeit der Interessenvertretung auf Bundesebene zu gewährleisten. Damit ist auch in Zukunft gewährleistet, dass die Interessen von rund 4 Mio. Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe auf Bundes-, europäischer und internationaler Ebene angemessen zu Wort kommen.
Zugleich schafft die Reform Rechtssicherheit für die ehrenamtlich tätigen Unternehmen, die sich regional in den IHK oder überregional im Dachverband auf Bundesebene für die berechtigten Interessen der Bezirkswirtschaft engagieren.
Und schließlich profitieren davon auch Bundesministerien, Bundesverwaltung und Bundestag, weil sie auch in Zukunft auf die wirtschaftspolitische Expertise und den Rat des größten deutschen wirtschaftlichen Dachverbandes vertrauen können.
Quellen