„Dieselgate“ – Rückstellung für KFZ-Steuer?

Allerorten liest man dieser Tage über den „VW-Skandal“ oder „Dieselgate“. Mittels Software sollen Fahrzeuge die typische Fahrsituation bei Abgastests erkannt haben. In der Folge soll die Motorsteuerung so beeinflusst worden sein, dass der Grenzwert für Stickoxide eingehalten wurde. So soll dann der Eindruck der Einhaltung strenger US-amerikanischer Abgasnormen erzeugt worden sein. In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen nach Folgen für die Bilanzierung in Deutschland. Dabei wird sicher zunächst an die Hersteller im Volkswagenkonzern gedacht. Hier wird im Konzern noch einiges zu klären sein und die angekündigte erste Bildung einer milliardenschweren Rückstellung für technische „Reparatur-Maßnahmen“ an betroffenen Fahrzeugen ist vermutlich nur der Anfang. Jüngst wurde ich auf Folgen einer etwaigen Nachzahlung von KFZ-Steuer bei bilanzierenden Nutzern von betroffenen Fahrzeugen angesprochen. Betragsmäßige Relevanz dürfte die Frage vor allem bei größeren Flotten mit betroffenen Fahrzeugen haben.

Zu denken ist an die Bildung einer Rückstellung für eine etwaige Nachzahlungspflicht für KFZ-Steuer wegen Überschreitung von Schadstoffgrenzwerten. Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt insbesondere voraus:

  • Vorliegen oder Entstehen einer Außenverpflichtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
  • Rechtliche oder wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit
  • Mit der Inanspruchnahme ist ernsthaft zu rechnen
  • Quantifizierbarkeit

Häufig wird im Zusammenhang mit Rückstellungen um das Kriterium der Verursachung in der Vergangenheit gestritten. Vorliegend wird diesem Kriterium aber keine entscheidende Bedeutung beikommen, weil eine Erfüllung bei Zulassung betroffener Fahrzeuge in der Vergangenheit kaum bestreitbar bejaht werden muss.

Fraglich erscheint jedoch, ob Halter von betroffenen Fahrzeugen überhaupt mit einer Verpflichtung zur Steuernachzahlung zu rechnen haben. Für Fahrzeuge, die nach dem 1. Juli 2009 erstmalig zugelassen wurden und auf die nachfolgend Bezug genommen wird, bestimmt sich die KFZ-Steuer nach der Antriebsart, dem Hubraum und nach dem Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KraftStG). Sofern die manipulierte Software nur den Ausstoß von Stickoxiden unter die im US-amerikanischen Raum vorgegebenen Grenzwerte geregelt hat, hätte das zunächst wohl keine Auswirkungen auf die deutsche KFZ-Steuer. Diese Auffassung vertritt der ADAC: „Nach derzeitigem Kenntnisstand ergeben sich keine Auswirkungen auf die Höhe der Kfz-Steuer der betroffenen Fahrzeuge. Bemessungsgrundlagen für die Kfz-Steuer sind der Hubraum und der CO2-Ausstoß. Die in Rede stehenden Stickoxide werden zur Bemessung der Kfz-Steuer von Diesel-PKW in Deutschland nicht herangezogen“ (https://www.adac.de/infotestrat/fahrzeugkauf-und-verkauf/zulassung/Abgasskandal/default.aspx; Abruf 12.10.2015).

Anderes könnte eventuell dann gelten, wenn die betroffenen Fahrzeuge tatsächlich auch einen erhöhten Ausstoß an CO2 aufweisen. Hierzu sind derzeit zwar keine Informationen ersichtlich, so dass eine Rückstellungsbildung mangels hinreichend sicherem Vorliegen oder Entstehen einer Außenverpflichtung nicht begründet erscheint. Aber selbst wenn neue Erkenntnisse einen erhöhten Ausstoß an CO2 zeigen, muss das nicht zwingend zu einer Rückstellung führen. Dann käme zunächst dem Kriterium einer drohenden Inanspruchnahme Bedeutung zu. Hier wäre dann einzuschätzen, ob damit zu rechnen ist, dass betroffene Halter tatsächlich in Anspruch genommen werden. Eine letztendliche Verschonung aus politischen Gründen erscheint nicht unvorstellbar.

Wenn dann doch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Inanspruchnahme vorläge, wäre für die Rückstellungsbildung noch zu prüfen, ob Regressansprüche gegen den Fahrzeughersteller bestehen könnten. Zwar sieht das HGB ein Saldierungsverbot von Ansprüchen und Verpflichtungen vor und nach dem Vorsichtsprinzip wird man für Ansprüche strengere Bilanzierungsvoraussetzungen fordern müssen als für Verpflichtungen. Jedoch scheint die Rechtsprechung eine solche Auffassung nicht immer zu teilen.

Eine andere Sachlage könnte sich eventuell für bis zum 30.6.2009 erstmals zugelassene Fahrzeuge ergeben, wenn hier die jeweiligen Grenzwerte nach Euro 1-4 überschritten werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) KraftStG. Um dies einschätzen zu können, müssten jedoch konkretere Informationen als derzeit ersichtlich vorliegen.

Was bleibt als Ergebnis zur Passivierung einer Rückstellung für eine Nachzahlung von KFZ-Steuer: Nichts Genaues weiß man zwar nicht, weswegen die vorstehende Diskussion spekulativ bleiben muss. Starke Argumente für die Bildung einer Rückstellung erscheinen derzeit aber nicht ersichtlich. Anderes könnte für die Frage der Bewertung im Bestand befindlicher Fahrzeuge gelten. Die öffentliche Diskussion lässt hier einen Wertrückgang nicht unplausibel erscheinen, so dass sich die Frage nach außerplanmäßigen Abschreibungen stellen kann. Das würde umso mehr gelten, wenn es zu einer zwangsweisen Stilllegung von Fahrzeugen käme.

Weitere Informationen:

„Dieselgate 2“ – Außerplanmäßige Abschreibungen auf „Stinker“ im Anlagevermögen?

„Dieselgate 3“ – Noch einmal KFZ-Steuer und außerplanmäßige Abschreibungen im Umlaufvermögen


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