Das Weisungs- und Direktionsrecht
Das Weisungsrecht ist das Mittel des Arbeitgebers um die nach dem jeweiligen Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit des Arbeitnehmers nach Inhalt, Zeit und Ort zu konkretisieren. Eingeschränkt wird der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Direktionsrechtes durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder den Arbeitsvertrag selbst.
Das bedeutet aber auch, dass Weisungen an den Arbeitnehmer getroffen werden können, soweit ihnen nichts entgegensteht. Einer positiven Feststellung im Arbeitsvertrag, dass oder in welchem Rahmen Anweisungen getroffen werden können, bedarf es gerade nicht.
Stets können aber Weisungen die Arbeitspflichten lediglich präzisieren; sie dienen nicht der Erweiterung des arbeitnehmerischen Pflichtenkreises. Eine die Direktionsbefugnis begrenzende Wirkung hat insbesondere das im Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeitsprofil des Arbeitnehmers. Weisungen können nur im Rahmen des vereinbarten Tätigkeitsspektrums getroffen werden. Wird etwa ein Arbeitnehmer als Hilfsarbeiter am Fließband beschäftigt, so liegt es fern, dass er hierfür Auslandsdienstreisen zu verrichten hat.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg
Die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit kann allerdings auch die gegenteilige Wirkung entfalten – nämlich die Zulässigkeit der Anordnung von Auslandseinsätzen allein wegen der konkreten Berufsbezeichnung. Dies entschied kürzlich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (AZ: 4 Sa 3/17)
Nach jahrzehntelanger auslandsreisefreier Beschäftigung wurde einem Ingenieur eine Dienstreise nach China – dazu in einer nach seinen Schilderungen 1,5 Stunden vom Einsatzort entfernten, als Stundenhotel betriebenen Unterkunft – aufgetragen. Gegen diese seiner Ansicht nach schikanöse Direktion zog er vor Gericht – und verlor.
Trotz fehlender Regelungen zum Thema Auslandseinsatz im zugrunde liegenden Arbeitsvertrag wurde dem betroffenen Arbeitnehmer die Feststellung verwehrt, dass er zu Tätigkeiten im Ausland nicht verpflichtet sei. Die Begründung fand das Landesarbeitsgericht darin, dass die zunehmende Internationalisierung des Wirtschaftslebens dazu führe, dass auch bei einem Projekt- und Konstruktionsingenieur, als welcher besagter Arbeitnehmer eingestellt wurde, Auslandsreisen zum zu erwartenden Tätigkeitsprofil gehören. Dies gelte unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer schon zum Zeitpunkt seiner Einstellung entsprechenden Anforderungen ausgesetzt war sowie unabhängig von der Erwartbarkeit der Weiterentwicklung des Berufsbildes. Beurteilungsmaßstab seien die stetig wandelbaren Berufsbilder. Ein Sieg also für das Weisungsrecht. Jedenfalls zum Teil.
Ausübungskontrolle
Man darf nun nicht davon ausgehen, dass die Unterbringung eines Arbeitnehmers im chinesischen Stundenhotel akzeptabel sei. Entschieden hat das Landesarbeitsgericht über diese Art der Unterbringung – neben der grundsätzlichen Frage der Zulässigkeit von Anordnungen von Auslandseinsätzen – explizit nicht. Denn die Frage, in welcher Form die konkrete Direktion ausgeübt wird, ist ein separater, zweiter Schritt. Das Direktionsrecht unterliegt stets einer einzelfallbezogenen Billigkeitsprüfung. Entscheidend hierbei ist, dass die Interessen beider Vertragsparteien sachgerecht gegeneinander abgewogen werden.
Fazit
Festzuhalten ist hinsichtlich des Direktionsrechtes Folgendes: Die Reichweite der zulässigen Anweisungen richtet sich nach dem im arbeitsvertraglich vereinbarten Berufsbild und dem mit diesem typischerweise verknüpften Anforderungsprofil. Dies ändert sich grundsätzlich auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber über Jahrzehnte keinen Gebrauch davon macht, einzelne Tätigkeiten einzufordern. Ohne konkrete Umstände, auf Grund welcher der Arbeitnehmer davon ausgehen darf, der Arbeitgeber wolle auch in Zukunft auf die Ausübung verzichten, verliert der Arbeitgeber das umfängliche Direktionsrecht nicht. Vielmehr kann er es jederzeit wieder aufleben lassen – soweit er hierbei sachlichen Kriterien folgt.
Weitere Informationen
LAG Baden-Württemberg v. 06.09.2017 – 4 Sa 3/17