Klima und Umwelt als neuer Schwerpunkt der Steuerpolitik
Die Ampelkoalition schmückt sich mit Etiketten wie Aufbruch, Modernisierung oder Fortschritt. Diese Artikelserie geht der Frage noch, ob der Inhalt des Koalitionsvertrags aus steuerlicher Sicht hält, was die Überschrift („Mehr Fortschritt wagen“) verspricht.
Klimaschutz, der in einer künftig sozial und ökologischen Marktwirtschaft umgesetzt werden soll, hat für die neue Koalition oberste Priorität. Konsequenterweise wird auch die Steuer- und Abgabenpolitik durch Maßnahmen zum Klimaschutz geprägt sein.
Konkrete Pläne bei der Dienstwagenbesteuerung
Während der Koalitionsvertrag an vielen Stellen auf Details verzichtet, nimmt die erneute Überarbeitung der Dienstwagenbesteuerung bereits sehr konkrete Formen an. Womöglich geht damit auch eine Vereinfachung der in den vergangenen Jahren immer wieder um neue, zeitliche gestaffelte und einander überlagernde Sonderregelungen ergänzte Dienstwagenbesteuerung einher, die mittlerweile ein knappes Drittel des Textumfangs des wichtigen § 6 EStG einnimmt.
Insbesondere soll bei Plug-in Hybridfahrzeugen neben dem Kriterium der elektrischen Mindestreichweite an die tatsächliche rein elektrische Fahrleistung angeknüpft werden. Die günstige Besteuerung mit 0,5% anstelle 1% des Bruttolistenpreises soll künftig nur noch gewährt werden, wenn das Auto überwiegend elektrisch betrieben wird. Nach den gleichen Kriterien soll die Innovationsprämie umgestaltet werden, die derzeit für den Kauf von Elektro- oder Hybridfahrzeugen gewährt wird. Bis Ende 2025 soll die Innovationsprämie aber auslaufen.
Es stellt sich jedoch die Frage nach der Kontrolle der strikten Vorgabe zur Fahrleistung. Die Hersteller von Hybridfahrzeuge werden darüber nachdenken müssen, entsprechende Informationen als Nachweis für das Finanzamt aus dem PKW-Bordcomputer ausgeben zu lassen. Bei der Gelegenheit sollten die Programmierer gleich an eine Warneinrichtung denken. Denn wer am 31.12. versehentlich zu stark aufs Gaspedal tritt und die magische 50%-Schwelle Verbrennerbetrieb überschreitet, den könnte das Fallbeil einer schlagartig doppelt so hohen Dienstwagensteuer treffen; düstere Aussichten also auch für Tankstellenbetreiber.
Auch an anderer Stelle werden einige Hersteller nachsteuern müssen. Die erforderliche elektrischen Mindestreichweite soll laut Ampelplanung schon für ab dem 01.08.2023 (derzeit 01.01.2025) angeschaffte Hybrid-PKW auf 80 km steigen. Dies erreichen derzeit nur wenige verfügbare Fahrzeuge.
Für reine Elektrofahrzeuge (emissionsfrei) soll ab 2025 Anwendung die Dienstwagensteuer u.U. sogar steigen. Im Rahmen der Sonderregelungen zur Dienstwagenbesteuerung wird bei derzeit und bis Ende 2030 angeschafften reinen Stromern nur ein Viertel des Wertes eines gleich teuren Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor angesetzt, wenn sie maximal 60.000 Euro kosten. Ab 2025 soll laut Koalitionsvertrag generell der Pauschalsteuersatzes von 0,5% angewendet werden. Interessant ist der Hinweis, dass bei CO2-neutral betriebenen Fahrzeugen analog zu voll-elektrisch betriebenen Fahrzeugen verfahren werden soll. Gemeint ist womöglich die Verbrennung von CO2-neutralen Kraftstoffen, die z.B. aus Windstrom hergestellt werden. Dies wäre folgerichtig, da es nicht darauf ankommen sollte, mittels welcher Technik die CO2-Neutralität erreicht wird. Es beißt sich aber mit der an anderer Stelle formulierten Ziel der Ampel, die eigentlich „die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen“ will.
Für den Umweltschutz sind auch neue Steuern möglich
Als große Trophäe der FDP gilt der Verzicht auf Steuererhöhungen. Für den Umweltbereich gilt dieses Versprechen offensichtlich nicht. Etwas verklausuliert, aber letztlich eindeutig liest sich die Passage zur EU-Plastikabgabe, die bislang aus dem Bundeshaushalt 80 Cent pro Kilo nicht-recyceltem Kunststoffverpackungsabfall an die EU zahlen soll. Übers Jahr dürften dafür ca. 1,3 Mrd. Euro zusammenkommen, die nun wie in anderen europäischen Ländern auf Hersteller und Inverkehrbringer umgelegt werden soll. Damit kann eigentlich nur eine Plastiksteuer gemeint sein.
Für die Unternehmen braut sich dadurch europaweit eine echte Belastung zusammen, da diverse Staaten (u.a. Italien, Spanien, Polen sowie UK) unharmonisierte Regelungen auf den Weg bringen wollen. Das betrifft nicht nur die Hersteller des Plastiks, sondern kann z.B. auch den Im- und Export in Plastik verpackter Ware betreffen. Gerade transportbedingt mehrfach verpackte Ware kann komplexe Besteuerungsfolgen nach sich ziehen, die auch noch in jedem Land voneinander abweichen. Neben der Peitsche ist zumindest für die Verpackungshersteller auch ein Zuckerbrot vorgesehen. Über ein Fondsmodell sollen ein ressourcenschonendes und recyclingfreundliches Verpackungsdesign sowie „Rezyklateinsatz“ belohnt werden.
Hoch und runter bei den Energiesteuern
Einen Strauß von Änderungen kündigt die Koalition bei Steuern und Abgaben auf Energie und Strom an. So sollen klimaschädliche Subventionen abgebaut werden, vor allem bei der wirtschaftlichen Nutzung von Strom. Damit dürfte der Spitzenausgleich in der Stromsteuer ins Visier geraten. Dem entgegen steht ab 2023 die vollständige Finanzierung der EEG-Umlage aus dem Bundeshaushalt bzw. dem Energie- und Klimafonds. Der nationale CO2-Preispfad soll dagegen „Angesichts des derzeitigen
Preisniveaus durch nicht CO2-Preis-getriebene Faktoren“ und „aus sozialen Gründen“ unangetastet bleiben. Lediglich für die Ausgestaltung der Marktphase nach 2026 will die Koalition einen Vorschlag machen. Die Ampelkoalition stellt aber auch klar, dass sie darüber hinaus auf steigende CO2-Preise setzt, verbunden mit einem sozialen Ausgleich. Hierzu soll schon in der laufenden Legislaturperiode ein Klimageld eingeführt werden.
Die anstehende Neufassung der EU-Energiesteuerrichtlinie will man selbstverständlich umsetzten und betont, dass diese u.a. die steuerliche Angleichung von Dieselkraftstoff und Benzin (bezogen auf den Heizwert) vorsieht. Daraus lässt sich wohl ableiten, dass Dieselkraftstoff künftig höher besteuert werden soll. Die Koalition sagt aber zu im Zuge der Umsetzung der EU-Energiesteuerrichtlinie die steuerliche Behandlung von Dieselfahrzeugen in der Kfz-Steuer zu prüfen. Da diese dort höher als Benziner besteuert werden, ist darunter wohl die Ankündigung einer Kfz-Steuersenkung für Dieselfahrzeuge zu verstehen.
Maßnahmen auf EU-Ebene
Beim Globalprojekt Klimaschutz ist der Einfluss Deutschlands, das gerade mal knapp 2% der jährlichen CO2-Emissionen ausstößt, naturgemäß gering. Die entscheidenden Weichenstellungen werden auf globaler Ebene (Pariser Klimaabkommen) oder zumindest auf EU-Ebene („Fit for 55“) in Angriff genommen. Der Koalitionsvertrag bekennt sich zu diesen Projekten. Insbesondere unterstützt die Ampelkoalition einen europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus oder vergleichbar wirksamer Instrumente. Dieser soll aber WTO-konform ausgestaltet sein, die Exportindustrie nicht benachteiligen, Greenwashing verhindern und unbürokratisch innerhalb des bestehenden Emissionshandelssystems umgesetzt werden. Insbesondere die Aussage zur Exportindustrie lässt betroffene Unternehmen aufhorchen, ob die neue Bundesregierung eventuell über eine Exportfreistellung oder ähnliche Ausgleichsregelungen nachdenkt, um ein Carbon Leakage durch Abwanderung von Produktionsunternehmen zu verhindern.
Wichtiger noch ist der Emissionshandel als zentraler Steuerungsmechanismus für Emissionen. Hierzu will sich die Koalition auf EU-Ebene Einsatz für einen Emissionsmindestpreis (ggf. entsprechende nationale Maßnahmen) und Schaffung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Wärme und Mobilität (ETS 2) einsetzen. Daneben unterstützt die Ampel die europaweite Einführung einer Luftverkehrsabgabe bis zur Entscheidung über eine europäische Kerosinsteuer.
Fazit:
Die Koalition hat sich viel vorgenommen und will in der Steuer- und Abgabenpolitik viele Hebel in Bewegung setzen, um die Klimaziele zu erreichen. Das verläuft nicht ganz ohne Widersprüche, wenn etwa Steuerungsanreize gleich wieder durch Ausgleichsmaßnahmen abgemildert werden. Auch zeigt sich eine gewisse Tendenz zum Mikromanagement. Insgesamt gilt für die Klima- und Umweltsteuern das Gleiche wie derzeit noch für das gesamte Steuerprogramm der Koalition: Wo der einzelne Steuerpflichtige und das einzelne Unternehmen unterm Strich landen, wird sich erst im Laufe der Jahre bis 2025 herausstellen.