Anlässlich des überzeugenden und lesenswerten Beschlusses des Nieders. FG (7 V 89/14) zur Aussetzung der Vollziehung des strittigen Solidaritätszuschlages für das Kj 2012 ergibt sich die Frage wie der Praktiker mit dieser Entscheidung umgeht. Immerhin ist bei nicht Bestätigung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG (2 BvL 6/14) der strittige Betrag des Solidaritätszuschlages zu bezahlen. § 237 AO bestimmt die Verzinsung des noch offenen Steuerbetrages mit 6 % (§ 238 AO).Überzeugend hat der 7. Senat des Nieders. FG die Aussetzung der Vollziehung gewährt und das nach sorgfältiger Auseinandersetzung mit evtl. Gegenmeinungen und Entscheidungen, insbesondere des BFH. Diese folgende Passage der Entscheidung sollte generell für diese Fälle zitiert werden:
„Allein der Umstand, dass dem Fiskus durch die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung erhebliche Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe drohen, lässt nach Auffassung des Senats das individuelle Interesse der Antragsteller an einem effektiven Rechtsschutz nicht hinter das öffentliche Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung zurücktreten. Die Wahrnehmung und Erfüllung der öffentlichen Aufgaben ist durch den drohenden Einnahmeausfall nicht gefährdet. Der Staat verfügt nach Überzeugung des Senats auch für den Fall, dass der Solidaritätszuschlag bis zur Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss des Senats nicht vollzogen werden kann, gerade in jüngster Zeit über ausreichende Steuereinnahmen. Der Staat erzielt Rekordsteuereinnahmen und könnte sich im Zweifel am Kapitalmarkt zu historisch niedrigen Zinsen refinanzieren, so dass die Wahrnehmung und Erfüllung der öffentlichen Aufgaben nicht gefährdet erscheint.“
Und hier kommt es jetzt zum verfassungsrechtlichen Bruch. Der Steuerbetrag des Solidaritätszuschlages wird mit 6 % verzinst. Also mit einem Wucherzins, denn der Staat refinanziert sich zwischen 0 und 1 %! Verschärft wird dieses Ergebnis, dass bei Verzicht auf die Aussetzung der Vollziehung der Steuerbetrag nur im Klageverfahren, nicht aber beim ruhenden Einspruchsverfahren (Hinweis auf § 363 Abs. 2 Satz 2 AO). verzinst wird.
Auf diese Rechtssituation muss der Steuerberater hinweisen. Das fatale Ergebnis wird es bei wirtschaftlicher Betrachtung sein, vorsorglich keine Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, weil das Risiko der unrealistisch hohen Verzinsung nicht beseitigt ist.
Das BMF, immer schnell bei Gesetzesvorlagen zugunsten des Fiskus, hat hier Verantwortung zu übernehmen. Der Rechtsstaat (Art. 20 GG) fordert eine faire Behandlung im Steuerstreit vor der Verwaltung und erst Recht vor dem Gericht. Die Bundesregierung muss sofort handeln, denn ein später gewonnener Prozess gegen den Zinsbescheid, der erst in den nächsten Jahren bekanntgegeben wird, hilft heute dem Rechtssuchenden nicht. Der Steuerbürger wird so um sein Recht auf ein faires Verfahren gezielt betrogen!
Da zeigt es sich, wie wenig hilfreich die Rechtsprechung des BFH zur Höhe der Verzinsung ist. Da bei der Verzinsung nach § 233a AO (sog. Vollverzinsung) Steuererstattungen ebenfalls mit 6 % verzinst werden, hat der BFH diese Regelung als noch verfassungswidrig angesehen. Das war ein grober Fehler, denn die Wirkung der Zinsen war offensichtlich nicht zu Ende gedacht.
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Sehr geehrter Herr Schneider,
irgendwie habe ich die Conclusio Ihrer interessanten Ausführungen nicht verstanden. Sind tatsächlich beim Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Soli Aussetzungszinsen fällig, wenn ein FG bzw. der BFH die Verfassungsmäßigkeit des Soli bestätigt?
Guten Tag Herr Göbel,
nunmehr bin ich in der Lage auf Ihren Beitrag, dafür herzlichen Dank, reagieren zu können. In der Tat haben Sie deutlich die Tücken des Steuerrechtes erkannt. § 237 AO bestimmt die Aussetzungszinsen eben grundsätzlich für Steuerbeträge, die mit Bescheid festgesetzt wurden. Diese gelten ja noch grundsätzlich als rechtmäßig.
Von dieser Verzinsung der nicht „rechtzeitig gezahlten“ Steuer ist die sog. Vollverzinsung für bestimmte Steuern gem. § 233a AO zu unterscheiden. So wird die ESt nach rund 15 Monaten verzinst, so dass steuerpflichtige Guthabenzinsen vom Fiskus gezahlt werden. Aber nicht für den Solidaritätszuschlag, so dass bei einer positiven Entscheidung generell keine Guthabenzinsen zu erwarten sind. Wer den Solidaritätszuschlag aufgrund der Aussetzung der Vollziehung nicht gezahlt hat und die Verfassungsmäßigkeit mal wieder vom BVerfG noch für eine bestimmte Zeit „geduldet“ wird, zahlt dann entsprechende Verzugszinsen.
Durch diesen negativen Effekt wird so die Garantie des effektiven Rechtsschutzes unterlaufen.