Die Erwartungslücke? – Einige Gedanken anlässlich des AReG und der Presse-Berichterstattung über Banken

Erstaunlich ist neben einer kaum erkennbar gewordenen Diskussion der Rolle von Abschlussprüfern im Zusammenhang mit der sog. „Finanzkrise“ auch die nicht sichtbare Erörterung der Rolle der Abschlussprüfer bei in der Presse ausführlich thematisierten vorgeblichen Verfehlungen durch Banken (-Mitarbeiter). Zu lesen war beispielsweise von Vorwürfen und teils Sanktionierung wegen Zinsmanipulationen, Devisenkursmanipulationen, Übervorteilung von Kunden im Zusammenhang mit komplexen Derivategeschäften, Verwicklung in steuerliche Karussellgeschäfte oder von der Drängung von Kunden in die Insolvenz in Verbindung mit dem Vorwurf eines Prozessbetrugs. In Zusammenhang mit der Bilanzierung wird hier teils von sog. „Rechtsrisiken“ gesprochen. Hat denn in den einschlägigen Fällen jeweils der Abschlussprüfer versagt?

Seit vielen Jahren wird auch in Deutschland eine Lücke zwischen dem Zweck der Abschlussprüfung und den Erwartungen der Adressaten des Bestätigungsvermerks beklagt. Vieles ist getan worden, um diese Erwartungslücke zu verkleinern. Dabei lag der Fokus vielfach darauf, den Adressaten des Bestätigungsvermerks das Ziel der Abschlussprüfung deutlich zu machen, ein hinreichend sicheres Urteil über die Ordnungsmäßigkeit des Abschlusses zu fällen. Darüber hinaus sollen die Grenzen der Aussagekraft des Bestätigungsvermerks sichtbar werden. Hierzu hatte der Gesetzgeber die Anforderungen an den Bestätigungsvermerk ausgebaut (§ 322 HGB). Dabei sollte u.a. klar werden, welche Verantwortlichkeit der Abschlussprüfer hat und wie sein risikoorientiertes Prüfungsvorgehen ausgestaltet ist. Leider lebt die Praxis durch gut gemeinte Formulierungsvorschläge des IDW bisher einen weitgehend formelhaften Bestätigungsvermerk, der individuelle Besonderheiten selten erkennen lässt.

Mit der neuen EU-Verordnung zur Abschlussprüfung werden die Anforderungen an den Bestätigungsvermerk bei der Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse deutlich erweitert (Art. 10). Ähnlich hierzu wird nun im Referentenentwurf eines Abschlussprüfungsreformgesetzes (u.a. § 322a HGB idF. AReG-RefE) vorgeschlagen, die Anforderungen für den Bestätigungsvermerk für andere gesetzliche Abschlussprüfungen auszuweiten. Dabei werden insbesondere „zur Untermauerung des Prüfungsurteils a) eine Beschreibung der bedeutsamsten beurteilten Risiken wesentlicher falscher Darstellungen im Abschluss, b) eine Zusammenfassung der Reaktion des Prüfers auf die beschriebenen Risiken und c) gegebenenfalls wichtige Feststellungen, die sich in Bezug auf die beschriebenen Risiken ergeben“ gefordert.

Hier ist der Kernbereich des risikoorientierten Prüfungsansatzes angesprochen. Abschlussprüfungen sind zwingend unter Beachtung des geschäftsrisikoorientierten Prüfungsansatzes durchzuführen. Danach sind Prüfungen so anzulegen, dass aus den Geschäftsrisiken des Mandanten resultierende Fehlerrisiken erkannt werden. Die weiteren Prüfungshandlungen sind dann auf die Aufdeckung aus den Risiken resultierender wesentlicher Fehler auszurichten.

Welche Bedeutung haben nun die oben genannten Vorwürfe gegen Banken für die Arbeit des Abschlussprüfers betroffener Banken? Denkbare Antworten sind sicher vielfältig. Hier muss eine Beschränkung auf zentrale und plakative Aussagen genügen.

Vorneweg ist festzuhalten, dass dem Abschlussprüfer (derzeit noch) nicht die Funktion eines Hilfsscheriffs zukommt. Es ist nicht seine Aufgabe, Verfehlungen im Unternehmen aufzudecken oder gar entgegen dem Verschwiegenheitsgebot anzuzeigen. Letzteres wird mit der neuen EU-Verordnung zur Abschlussprüfung aufgeweicht werden (Art. 7).

Jedoch hat sich der Prüfer im Rahmen des risikoorientierten Prüfungsansatzes mit dem sog. „Kontrollumfeld“ zu befassen. Im Rahmen des top-down-Ansatzes geht es dabei u.a. um Einstellung, Problembewusstsein, Verhalten des (Top-)Managements. Zudem ist zu fragen, welche Bedeutung Integrität und das Leben ethischer Werte haben, welcher Führungsstil gepflegt wird und wie ein Aufsichtsrat seine Überwachungsfunktion ausgestaltet? Stimmt das Kontrollumfeld auf der höchsten Unternehmensebene nicht, erscheint zweifelhaft, ob diese Werte im Unternehmen gelebt werden und Kontrollbewusstsein besteht. In der Folge muss der Abschlussprüfer sich Gedanken um ein erhöhtes Fehlerrisiko machen.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Befassung mit Unregelmäßigkeiten und damit u.a. mit dem Risiko von sogenannten (beabsichtigten) Verstößen (fraud) etwa in Form vorsätzlicher Falschdarstellungen. Dabei kommt dem Abschlussprüfer zwar nicht die Aufgabe eines Forensikers oder Unterschlagungsprüfers zu. Er hat aber eine Einschätzung auch des Risikos für solche Verstöße vorzunehmen. Indikatorfunktion hat die fraud-triangle. Danach ist erfahrungsgemäß von erhöhten Risiken auszugehen, wenn

  • Anreize zu Verstößen, etwa aufgrund des Erwartungsdrucks des Kapitalmarkts oder erheblicher erfolgsabhängiger Vergütungsbestandteile,
  • Möglichkeiten zur Durchführung von Verstößen, etwa wegen schwacher Kontrollmaßnahmen, und
  • eine unkritische Haltung zu solchen bzw. eine innere Rechtfertigung solcher Handlungen, etwa wegen geringer Bedeutung ethischer Werte oder schlechter Moral, erkennbar werden.

Die Zahl von Vorwürfen gegen Banken, ganz besonders innerhalb einzelner Bankbereiche, gar die Unterstellung von konspirativen Verhalten, Betrug, Verschleierungstaktik dürften einem Abschlussprüfer Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Solchen teils schon sanktionierten Problemfällen dürfte schon länger eine zumindest indizielle Bedeutung für erhöhte Fehlerrisiken zukommen. Die Konsequenz wäre nicht nur eine gesteigerte kritische Grundhaltung bei der Prüfung, sondern ggf. auch die massive Ausweitung von Prüfungshandlungen, um eine ausreichende Prüfungssicherheit über vorhandene Rechtsrisiken zu erreichen. Zudem stellt sich die Frage, ob überhaupt noch auf Kontrollsysteme in betroffenen Bankbereichen vertraut werden kann oder nicht in großem Umfang auf zeit- und kostenintensive aussagebezogene Prüfungshandlungen abgestellt werden muss.

Die Erwartungslücke darf keine Begründung für ihre Existenz in der Qualität von Prüfungen finden. Das wäre eine Katastrophe für den gesamten Berufsstand. Gefordert ist dabei sicher auch die Berufsaufsicht, um jeden Zweifel über Mängel bei Prüfungen zu beseitigen. Nur zeigt der Tätigkeitsbericht 2013 der Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK, S. 12 ff.), leider ohne Branchenbezug, insbesondere bei der Anwendung des risikoorientierten Prüfungsansatzes und der Aufdeckung von Unregelmäßigkeit die meisten Beanstandungen.

Interessant dürfte vor diesem Hintergrund auch der nächste Tätigkeitsbericht der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) werden, hat sie sich doch für den laufenden Turnus die Abbildung von Rechtsrisiken in Abschluss und Lagebericht als einen Schwerpunkt gesetzt.

Weitere Informationen:

VERORDNUNG (EU) Nr. 537/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, ABl. EU L 158/77 v. 27.5.2014

RICHTLINIE 2006/43/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU L 157/87 v. 9.6.2006

RICHTLINIEN RICHTLINIE 2014/56/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, ABl. EU L 158/196 v.  27.5.2014

TÄTIGKEITSBERICHT DER ABSCHLUSSPRÜFER-AUFSICHTSKOMMISSION 2013

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG)

DEUTSCHE PRÜFSTELLE FÜR RECHNUNGSLEGUNG, Prüfungsschwerpunkte 2015

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