Die Haftung für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte nach § 102 StaRUG – Alter Wein in neuen Schläuchen oder echtes Haftungsrisiko?

Mit Wirkung zum 1.1.2021 hat der Gesetzgeber ein neues Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) erlassen. Wichtigster Baustein ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG), der neben neuen Möglichkeiten außerinsolvenzlicher Restrukturierungen von Unternehmen auch neue Haftungsnormen für Berater normiert.

Gerade wenn der Gesetzgeber Haftung neu normiert, ist stets Vorsicht geboten und die eigenen Prozesse sind zu hinterfragen. Was auf Berater zukommt und welche Stolpersteine zu beachten sind, darauf will ich in meinem ersten Beitrag hier im Blog eingehen.

Ist diese Haftung neu?

Das Gesetz und die Norm sind neu. Nach § 102 StaRUG haften Berater, also insbesondere Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte für Beratungsfehler im Zusammenhang mit der Erstellung von Jahresabschlüssen. Das ist nicht per se neu. Bereits 2017 hat der Bundesgerichtshof (Urteil v. 26.1.2017 (IX ZR 285/14) entschieden, dass für Steuerberater bei der Erstellung von Jahresabschlüssen für Mandanten gewisse Prüfungs- und Hinweispflichten im Hinblick auf die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens bestehen, deren Unterlassen zu einer Haftung führen kann. Auch Berufsvereinigungen wie die Bundessteuerberaterkammer haben dies in Hinweisen bereits aufgenommen.

Wen trifft eine derartige Pflicht?

Die genannten Berater (Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte), die einen Jahresabschluss für ihre Mandanten erstellen, müssen diese auf das Vorliegen möglicher Insolvenzantragsgründe und Folgepflichten ausdrücklich hinweisen. Adressat der Haftung sind ausdrücklich nur die mit der Erstellung beauftragten Berater, nicht aber solche, die bloße Zuarbeiten wie einzelne Bestätigungen erbringen. Auch die Prüfung eines Jahresabschlusses führt richtigerweise nicht zu einer Haftung nach § 102 StaRUG.

Diese Hinweispflicht gilt unabhängig von der Rechtsform des Mandanten und nur dann, wenn offenkundige Anhaltspunkte für das mögliche Bestehen eines Insolvenzantragsgrunds vorliegen. Stellt der Berater fest, dass eine Insolvenzantragsgrund möglich ist, besteht eine Hinweispflicht nur, wenn er davon ausgehen muss, dass dem Mandanten entweder die Tatsachenkenntnis fehlt oder er die rechtlichen Schlussfolgerungen nicht einschätzen kann.

Was sollte man als Berater beachten?

Es ist jedem Berater eine Drei-Schritt-Prüfung anzuraten: Prüfen – Hinweisen – Dokumentieren:

  1. Prüfen

Der Berater muss zunächst anhand der vorliegenden Unterlagen prüfen, ob denn überhaupt einer der Insolvenzantragsgründe nach §§ 17-19 InsO vorliegen kann und ob sie offenkundig sind. Dies setzt gewisse Kenntnisse des Insolvenzrechts und gute Kenntnisse über den Mandanten voraus. Zu beachten ist, dass man als Berater besser nicht davon ausgehen sollte, dass Offenkundigkeit sehr eng auszulegen ist. Da das Gesetz sich nur an Experten richtet, wird hier ein eher strenger Maßstab gelten. Im Zweifel wird der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Berater, gerade bei kleineren und mittelständischer geprägten, Mandanten eher nicht davon ausgehen dürfen, dass sein Mandant die Tatsachen und die Rechtsfolgen daraus kennt.

  1. Hinweisen

Man sollte als Berater, wenn man Insolvenzantragsgründe für möglich oder sogar wahrscheinlich hält, unbedingt darauf hinweisen. Dies kann man im Massengeschäft auch formularmäßig machen, denn eine formularmäßige Erfüllung der Hinweispflichten ist immer noch besser als gar keine. Bei konkreten Anhaltspunkten bietet sich aber ein individualisierter Hinweis an. Neben der Insolvenzantragspflicht ist auch auf Folgepflichten für Geschäftsleiter und Überwachungsorgane des Mandanten (z.B. Zahlungsverbote, Insolvenzstraftatbestände, Sanierungsoptionen) hinzuweisen.

  1. Dokumentieren

Von besonderer Bedeutung im Streitfall ist die saubere Dokumentation der eigenen Pflichtenerfüllung. Der Berater sollte also seine eigenen Prüfungen ebenso dokumentieren wie die Hinweise, die er dem Mandanten gegeben hat. Im Tagesgeschäft kann es sich anbieten, sich den Empfang des (formularmäßigen) Hinweises und weitergehender Hinweise schriftlich bestätigen zu lassen und zur Akte zu nehmen.

Fazit

Wirklich neu ist der Regelungsgedanke hinter der Norm nicht. Es ist aber zu erwarten, dass Haftungsfragen und -prozesse verstärkt in den Blick der Insolvenzverwalter und anderer Anspruchsinhaber wie Gläubiger gerät. Denn der Berater ist in der Regel ein solventer Gegner. Aufgrund der ausdrücklichen Normierung muss der Anspruch auch nicht mehr auf berufsspezifische Sorgfaltspflichtverletzungen, sondern kann direkt auf das Gesetz gestützt werden.

Die Erfahrung zeigt, dass normierte Ansprüche den potenziellen Anspruchsinhabern einfach präsenter und direkter erscheinen. Deshalb werden sie häufiger geprüft und gerichtlich durchgesetzt. Zum anderen kann sich hieraus auch eine unerwartete Weiterentwicklung durch die Rechtsprechung ergeben, die etwa die unbestimmten Rechtsbegriffe („offenkundig“) und die genaue Reichweite der Norm erst ausfüllen müssen.


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