Vor genau einem Monat kam in der ARD die Dokumentation „Wie Reiche immer reicher werden – die große Geldflut“. Falls Sie diese noch nicht gesehen haben: Das Anschauen lohnt sich auf alle Fälle. Es geht unter anderem um den Verkauf von WMF, den schwäbischen Küchengerätehersteller.
WMF wurde in den letzten Jahren mehrmals verkauft. Der bisherige Eigentümer KKR verkaufte das Unternehmen mit einem satten Gewinn und konnte seinen Kapitaleinsatz verdreifachen. Doch wie geht das? Schauen wir uns das Ganze an.
KKR kaufte WMF im Jahr 2012 für 600 Millionen Euro. Durch die geringen Zinsen war die Finanzierung des Kaufpreises einfach und preisgünstig möglich. 2016 verkaufte der Finanzinvestor den Besteckhersteller an den französischen SEB-Konzern für sage und schreibe 1,6 Milliarden Euro. Der Kapitaleinsatz wurde also mehr als verdreifacht. Laut Berechnungen eine Rendite von über 800 Prozent! Möglich sind derartige Kaufpreise aufgrund der Kredite zum Nulltarif.
Doch was hat das mit Rechnungslegung zu tun? Ganz einfach: Je höher der Kaufpreis eines Unternehmens, d.h. die Übernahmeprämie, desto höher ist der bilanzierte Goodwill. Schön und gut. Doch was ist daran so schlimm? Auch das ist recht leicht zu erläutern: Ein Unternehmen, das nach IFRS bilanziert, kann diesen Goodwill „ewig“ mit diesem Betrag in den Bilanzen stehen lassen. Ganz so einfach ist es zwar nicht – denn schließlich muss einmal pro Jahr ein Werthaltigkeitstest durchgeführt werden. Aber dieser ermöglicht dem bilanzierenden Unternehmen einen Spielraum. Nach IFRS wird der Goodwill nicht mehr planmäßig abgeschrieben im Gegensatz zum HGB. Dies bedeutet also: Nach IFRS können Abschreibungen des Goodwills vermieden werden. Ein hoher Goodwill ist möglicherweise nur Luft in der Bilanz eines Unternehmens. Dies wird unter anderem von Professor Peter Leibfried, einem Forscher der Universität St. Fallen, heftig kritisiert. Offenbar hat das IASB sich dessen angenommen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Problematik mittelfristig endlich in Angriff genommen wird.
Es sind die niedrigen Zinsen, die solche Käufe überhaupt erst erschwinglich machen. Ein höherer Zinssatz würde die Rendite schmälern sowie die Höhe der Kaufpreise beschränken. Wieder einmal ein Beispiel, das zeigt: Die derzeitigen Mini-Zinsen sind oftmals ein Fluch. Der gewünschte Segen bleibt aus. Die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank fordert Opfer, Gewinner sind die Schuldner – sofern sie nicht zu überteuerten Preisen kaufen.
Fazit: Leider führen die Niedrigzinsen bei überhöhten Kaufpreisen zu einem überhöhten Goodwill und damit möglicherweise zu mehr Luft in den Bilanzen.
Lesen Sie dazu auch:
- WMF für fast 1,6 Milliarden nach Frankreich verkauft (Quelle: Spiegel.de)
- Finanzinvestor kauft Besteckhersteller (Quelle: Handelsblatt.com)
- Zur Dokumentation: Wie Reiche immer reicher werden – die große Geldflut (Quelle: ARD-Mediathek)
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