Die causa „KIK“ – Schmerzensgeld nach Pakistan?

Ein Pilotverfahren: Der Pakistaner Muhammad Jabir verklagt mit Hilfe der renommierten Kanzlei Geulen & Klinger aus Berlin den Textildiscounter KIK vor dem Landgericht Dortmund auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro.

Seit einigen Tagen geht mir diese Meldung im Kopf herum. „Die Globalisierung schlägt zurück“. Der 22-jährige Sohn Jabirs war bei dem verheerenden Brand des Zulieferunternehmens Ali Enterprises in Karachi ums Leben gekommen. Notausgänge sollen vergittert gewesen sein. Das hätten die Kontrolleure von KIK sehen müssen, so heißt es. Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich diese Klage eigentlich?

KIK hatte sich sicher irgendwelchen Standards comittet, und diese garantiert vertraglich auf Ali Enterprises überwälzt. Vertraglich kann das für einen Arbeiter vor Ort allerdings allenfalls einen Anspruch aus einem Vertrag zugunsten Dritter gegen Ali Enterprises bedeuten. Dogmatisch kommt man mit vertraglichen Anspruchsgrundlagen hier wohl nicht weiter.

Also Deliktsrecht. Da steht ja der Gedanke dahinter, dass Gesetz ein Schuldverhältnis zwischen Personen installiert, die vertraglich gar nicht miteinander verbunden sind. So etwas passiert täglich beim Verkehrunfall.

Ali Enterprises ist seiner Verkehrsicherungspflicht nicht nachgekommen, das ist augenscheinlich. Auch mit deutschen Maßstäben würde man da wohl über die nötige Hürde kommen – Haftung des Arbeitgebers nur bei Vorsatz, § 104 SGB VII. Wie aber gelangt man von Ali Enterprises auf KIK? Obliegen dem deutschen Textilunternehmen auch Verkehrssicherungspflichten gegenüber den Ortskräften, mit der Folge dass diese oder deren Erben direkt in Deutschland klagen können?

Oder ist KIK ein Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB? Zu letzterem sagt das Gesetz:

Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Könnte sich KIK mit dem Argument ordnungsgemäßer Auswahl und Anleitung von Ali Enterprises exkulpieren?

Ich recherchiere ein bisschen, online natürlich. Tatsächlich hatte z.B. die Schadenersatzklage eines deutschen Kapitalanlegers gegen eine schweizer Aktiengesellschaft wegen unredlicher Versprechungen deren selbstständigen Handelsvertreters Erfolg (OLG Köln, 05.04.2005 – 15 U 153/04). Das Gericht stellte dabei darauf ab, ob der Handelsvertreter den Weisungen des Unternehmens unterworfen und von ihm abhängig war, was es bejahte.

So absurd wie eingangs scheint mir die Klage bei näherem Hinsehen gar nicht mehr. Fazit:  Das muss ich verfolgen. Unternehmen mit Zuliefereren im Ausland, bei denen prekäre Arbeitsbedingungen herrschen, auch. Zwingend.

Wie fände ich das, wenn die Klage Erfolg hätte? Ehrlich gesagt und unabhängig von eventuellen ethischen Fragen, nicht gut. Amerikanische Verhältnisse brauchen wir hier nicht. Das würde mit einem Weniger an Rechtssicherheit einhergehen und unserer Rechtskultur im Ergebnis schaden.

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