Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer fällt angesichts der hohen, in den zahlreichen schon vorhandenen „ethischen Standards“ kodifizierten Anforderungen an die Berufsausübung immer wieder durch „Skandale“ negativ auf. Hinzu kommt eine nicht selten überschießende Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, insbesondere an die Aufgaben des Abschlussprüfers, was dann zur altbekannten Expectation Gap führt.
Nun hat das Institut der Wirtschaftsprüfer den Entwurf eines Wertekodex vorgelegt. Dieser Kodexentwurf soll auf sechs Textseiten ausweislich der IDW-Ankündigung insbesondere Verhaltensgrundsätze und Grundsätze bei der Führung einer Wirtschaftsprüferpraxis beschreiben, Wirtschaftsprüfer bei ihrer täglichen Arbeit leiten und die Werte des Berufsstands in der Öffentlichkeit darstellen. Wird jetzt alles gut?
Kodex als Sammlung positiv besetzter Schlagworte
Inhaltlich umfasst der Kodex neben der Beschreibung in Gesetzen, Berufssatzung und Standards festgelegter Anforderungen vor allem vermeintlich positiv aufgeladene Schlagwörter der allgemeinen politischen Diskussion. Beispielhaft aus der Präambel seien genannt: ökonomische, ökologische sowie soziale Nachhaltigkeitsziele, Stärkung des Vertrauens der Gesellschaft in das gesetzeskonforme Verhalten der geprüften Unternehmen, Ermöglichung von informierten und fundierten Entscheidungen. Die Verantwortung der Berufsträger wird u.a. darin gesehen, zugleich im öffentlichen Interesse zu handeln als auch den Belangen eines einzelnen Mandanten gerecht zu werden, wobei Eigeninteressen des WP dem nicht entgegenstehen sollen. Als grundlegende Merkmale und Werte des Berufsstands werden Unabhängigkeit, Integrität, Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen und Erwartungen, eine kritische Grundhaltung, Fachkompetenz, Verschwiegenheit und ein berufswürdiges Verhalten genannt.
(Ethische) Verhaltensgrundsätze
Plakativ zielen die Verhaltensgrundsätze auf die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung insb. im Hinblick auf die genannten Nachhaltigkeitsziele, integres Handeln etwa in Form von Rechtschaffenheit, Aufrichtigkeit, Vermeidung jeglicher Diskriminierung und Bewusstheit der sich aus der Abschlussprüfungsaufgabe ergebenden Verantwortung und Berufspflichten auch außerhalb der Vorbehaltsaufgaben. Wahrheitsgemäße Berichterstattung, auch wenn diese zu Nachteilen führt, und ganz besonders: Eingestehen von Fehlern und Lernen daraus sind weitere wichtige Aspekte. Weiterhin soll unabhängig und objektiv entschieden, sorgfältig und gewissenhaft mit hoher Fachkompetenz gearbeitet, die kritische Grundhaltung bewahrt werden.
Eine besonders interessante berufsspezifische Anforderung ist der Ruf nach verantwortungsvoller Steuerberatung, wobei im Interesse des Gemeinwohls der Einsatz des Wirtschaftsprüfers gefordert wird, damit im Rahmen der Steuergestaltung eine missbräuchliche Schädigung des Staates unterbleibt. Mandanten sollen zudem informiert werden, wenn sie in einen steuerrechtlichen Grenzbereich geraten und daraus finanzielle und Reputationsrisiken resultieren können. Schließlich wird das Thema der Verschwiegenheit als Verhaltensgrundsatz adressiert.
(Ethische) Praxisführung
Aus den Anforderungen ergeben sich dann auch Grundsätze der Praxisführung, etwa die Schaffung eines sicheren, positiven und fördernden Arbeitsumfeldes, wobei neben anderem Diversität und Diskriminierungsfreiheit hervorgehoben werden: „Vielfalt von Alter, ethnischen Herkünften und Nationalitäten, Geschlechteridentitäten, körperlicher und geistiger Fähigkeiten, Religionszugehörigkeiten und Weltanschauungen, sexuellen Orientierungen, kulturellen Identitäten sowie sozialen Herkünften bereichert uns persönlich und in der beruflichen Tätigkeit.“
Weiterhin soll insb. durch Qualitätsmanagement und Fehlerkultur die Qualität der Leistung gesichert werden, wobei eine Ermutigung der Mitarbeiter zur Selbstreflexion erfolgen soll, deren interne Interessenskonflikte aufgelöst werden sollen und auch ein Whistle-Blower-System ermöglicht wird. Das Vergütungssystem soll fair und gleichberechtigt sein und zur Einhaltung des Kodex beitragen. Schließlich soll die Praxisführung selbst nachhaltig sein, d.h. Umwelt- und Sozialstandards sollen beachtet werden, dabei u.a. Vorgaben zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz, Diversität und gesellschaftliches Engagement respektiert werden. Abschließend soll auch der langfristige Erfolg und Bestand des Unternehmens gesichert werden.
Alles wird gut!?
Nach so viel „Positivem“ fällt es mir schwer, eine Reflexion des Gelesenen mit der gebotenen berufsüblichen kritischen Grundhaltung vorzunehmen. Aber als Wirtschaftsprüfer findet man ja berufsbedingt immer etwas: Wer suchet, der findet. Mit etwas Abstand will ich dieser Frage in weiteren Blog-Beiträgen nachgehen.
Weitere Informationen:
Entwurf IDW Wertekodex für Wirtschaftsprüfer*innen (auf idw.de)
(Verwendung „*“ aus Zitationsgründen)
Diese eklatante Grenzüberschreitung darf die WPK dem IDW nicht wieder durchgehen lassen. Die Eigenverantwortlichkeit wurde einfach mal vergessen und stattdessen die Agenda 2030 als Richtschnur verwendet. Korporatismus in seiner Reinform!