Oder stirbt der Steuerberater bald aus?
Erleichterung ist bei uns zu spüren. In der vergangenen Prüfung 2017/2018 liegt mit 2.174 erfolgreichen Teilnehmern die Bestehensquote erstmals wieder bei mehr als 50 % (exakt 50,5 %). Das Prüfungsjahr hat also den extremen Trend der letzten zwei Jahre durchbrochen. Im Vergleich zur Quote des Vorjahres von 41,6 % sind das 452 (26 %) neu qualifizierte Steuerberater für den an Fachkräfte leidenden Berufsstand.
Faktisch haben jedoch lediglich 1 % mehr Teilnehmer als im Vorjahr (170) die Prüfung tatsächlich abgelegt. Insoweit ist nicht nur der demografische Wandel, sondern auch die sinkende Zahl der Prüfungsanwärter eine Herausforderung für die Zukunft des steuerberatenden Berufs.
Was führt zur sinkenden Attraktivität?
Mein Sohn hatte bereits im Alter von fünf Jahren entschieden: „Ich mach nie was mit Steuern!“ – und nächtliche Lerneinheiten mögen ihn hier eventuell subjektiv beeinflusst haben. Es ist ja allgemein bekannt, dass die Steuerberaterprüfung eine sehr anspruchsvolle Prüfung mit hohen Durchfallquoten ist. Die Gründe für diese Quoten liegen jedoch nicht darin, dass nur besonders auserwählte Steuergenies die Fülle an Wissen zum Prüfungszeitzeitpunkt wiedergeben können, sondern oft eher an einer zum Teil blauäugigen und unstrukturierten Prüfungsvorbereitung. Die Prüfung ist nun mal keine Wissensabfrage, sondern erfordert eine Klausurtechnik und -routine, die man sich nicht eben innerhalb von drei Monaten Freistellung aneignen kann.
Den Mythos der scheinbar unberechenbaren Prüfung können Berufsträger leicht widerlegen. Wir können die Kollegen zur Prüfung motivieren und unterstützen, ein zeitgemäßes Aus- und Weiterbildungsangebot bieten. Als Arbeitgeber können wir Ihnen die Zeit einräumen, um sich auch neben dem Arbeitsalltag schon auf die Prüfungsvorbereitung konzentrieren zu können. In kritischen Phasen können wir als Mentor agieren und den Kollegen/Mitarbeiter auch schon vor der Freistellungsphase öfter kürzere Arbeitszeiten einräumen, damit er den „Kopf mental frei hat“. Denn ein Jahr Entbehrung ist kürzer als zwei.
Weitaus größer scheint jedoch das Problem zu sein, überhaupt noch Interessenten für diesen Beruf zu gewinnen.
Steuerberater sein – zu analog für die „digital Natives“?
Unsere „digital Natives“ werden von datengesteuerten Firmen wie Google, Microsoft, Facebook und Apple angezogen und hinsichtlich der dort herrschenden Arbeits- und Wissenskultur beeinflusst. Ein Smartphone als Benefit zum Gehalt ist lange schon kein Lockmittel mehr, sondern eher noch ein Kriterium, um den Job aufgrund mangelnder Work-Life Balance abzulehnen. Diese digitale Elite möchte flexibel arbeiten. Informationen müssen jederzeit und von überall aus zugänglich sein. Hand aufs Herz – arbeiten Sie in der Kanzlei mit einem zeitgemäßen Datenmanagementsystem?
In 2012 wurde vom Harvard Business Review der „Data Scientist“ als „Sexiest job of the 21st Century“ gekürt. Jahre später, im Mai dieses Jahres, hat die Bundessteuerberaterkammer nun den „Stresstest Digitalisierung für Steuerberater“ als Teil der BStBK-Zukunftsinitiative „Steuerberatung 2020“ veröffentlicht, mit welchem der Kanzleiinhaber den Digitalisierungsstand der eigenen Kanzlei testen kann. Auch die Personalstrategie diesbezüglich wird abgefragt; aber wer schafft eigentlich die Grundlagen eines digital ausgebildeten Personals?
Die Steuerberaterprüfung würde im „Stresstest Digitalisierung“ auf voller Linie versagen!
Im Zeitalter der digitalen Transformation, in dem eine Uhr unseren Personal Trainer ersetzt und ein Knopf im Ohr in Sekundenschnelle das gesprochene Wort des Gegenübers ohne menschliches Zutun übersetzt, werden in der Steuerberaterprüfung weiterhin das unter Zeitdruck händische Nachschlagen und analoge Zitieren von Gesetzesquellen aus dicken unhandlichen „Ziegelsteinen“ gefordert und bewertet. Es wäre interessant zu testen, ob die Durchfallquote geringer wäre, wenn man den Teilnehmern die Gesetze in digitaler Form zur Verfügung stellen würde und die Prüfungsleistung dann auch – auf Tastatur geschrieben – digital eingereicht werden dürfte.
Vielleicht wäre dies ein erster Schritt, um die Steuerberaterprüfung für die heranwachsende Generation attraktiver und konform zum tatsächlichen Arbeitsalltag des Steuerberaters zu machen. Der Steuerberater wird nicht aussterben, denn seine beratenden Dienste sind gefragter denn je. Aber er muss sich dem schnellen Wandel stellen und die neuen Beratungsfelder nicht nur inhaltlich, sondern auch innovativ erschließen.
Nur nebenbei erwähnt: Ich konnte meinen Sohn letztendlich nicht überzeugen – er ist nun tatsächlich im Bereich Data Analytics tätig. Aber auch diese Mitarbeiter benötigen wir Steuerberater in unseren Kanzleien – und so schließt sich der Kreis dann doch wieder.
Weitere Informationen:
- Statistik zu den Ergebnissen der Steuerberaterprüfung (www.knoll-steuer.com)
- „Data Scientist“ als „Sexiest job of the 21st Century“ (Harvard Business Review, www.hbr.org)
- Stresstest Digitalsierung für Steuerberater (www.bstbk.de)
Neben den hohen fachlichen Hürden darf man aber auch nicht vergessen, dass es sich bei der StB-Prüfung um eine Marktzugangsbeschränkung handelt. Wer die Prüfung nicht besteht, darf nicht in eigener Kanzlei tätig sein.
Von daher gibt es natürlich auch ein (legitimes?) Interesse daran, dass nicht jeder Prüfling besteht. Der (Honorar-)Kuchen soll nicht auf zu viele StB verteilt werden. Wozu das führen würde, kann man sich sehr schön bei den Rechtsanwälten anschauen, bei denen es ein Überangebot an RAen gibt. Da entscheidet die Examensnote darüber, ob man nach dem Examen mit sechsstelligem Jahresgehalt startet oder als Scheinselbständiger auf Hartz4-Niveau.
Dass man das bei den StB verhindern möchte, kann man ja durchaus verstehen.
Eine interessante Meinung bezüglich des Steuerberaterberufes. Ich persönlich überlasse meine Steuerangelegenheíten einem erfahrenen Steuerberater. Ich bin überzeugt, dieser Beruf wird nicht aussterben, weil seine beratenden Dienste immer gefragt sind.
Da ich BWL studiere war mir schon vage bewusst, dass die Steuerberatung ganz und gar nicht am Aussterben ist. Nein: viele meiner Freunde, die sich in Rechnungslegung gut machen erwägen „was mit Steuern“ zu machen. Ich stimme zu, dass das Berufsbild sich bei uns auch weg vom händischen Nachschlagen hin zu einem eher digitalen Arbeiten hinbewegt, entscheidend ist aber meiner Meinung nach immernoch die genaue Kenntnis von Rechtslage und Sonderfällen.
Genau wie Sie eingangs schreiben, ist meiner Meinung nach der Berufsstand der Steuerberater wieder im Aufschwung. Sie haben zwar recht, dass wir mit Blick auf die Digitalisierung hinterherhinken – dies ist aber auch in den meisten anderen Branchen in Deutschland hier der Fall. Das gesamte Feld der Data Science hingegen ist m.E.n. sehr zukunftsgewandt und dazu gehören auch Steuerberater.
Ich kann mich den Kommentaren nur anschliessen. Es gibt wirklich extreme Unterschiede bei den Treuhändern und Steuerberatern. Ursprünglich hatte ich einen sehr „konventionell“ arbeitenden, ich musste alles physisch einreichen und Rückfragen per Email zu stellen war ein Fremdwort. Da ich selber gerne digital unterwegs bin, war irgendwann der Zeitpunkt gekommen, um einen neuen Steuerberater zu finden. Nun habe ich jemanden, der da deutlich weiter ist….aber dennoch ist weiterhin das Zentralste, dass man Vertrauen in den Berater hat!!
Ich glaube auch, dass die Dienste des Steuerberaters gefragter denn je sind. Der Steuerdschungel bleibt einfach weiterhin ein Gebiet, auf dem der Durchschnittsbürger sich einfach nicht auskennt. Da Menschen aber immer wieder merken, wie viel Geld sich durch richtige Versteuerung einsparen lässt, brauchen viele früher oder Später einen guten Steuerberater!
Interessant! Ich wusste nicht, dass Steuerberater den Digitalisierungsstand der eigenen Kanzlei dank dem Stresstest testen können. Mein Mann ist Steuerberater und ein solcher Test kann ihm hilfreich sein. Digitalisierung ist heutzutage notwendig. Danke für den Beitrag!
Super geschriebener Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen :-)