Der Koalitionsvertrag und die Besteuerung natürlicher Personen

Trotz schwieriger Verhandlungen haben sich CDU, CSU und SPD letztlich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Im folgenden Blogbeitrag sind die für natürliche Personen geplanten Neuerungen des 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrags zusammengetragen.

Die Große Koalition konzentriert die im Koalitionsvertrag für Steuersenkungen reservierten Mittel weitgehend auf natürliche Personen. Neben der Soli-Senkung ist die Erhöhung von Kindergeld/-freibetrag die umfangreichste Entlastungsmaßnahme.

Steuersenkung für Geduldige

Der Solidaritätszuschlag soll schrittweise abgeschafft werden. Der erste Schritt ist jedoch erst zum Ende dieser Legislaturperiode im Jahr 2021 geplant, damit die Wähler diese Entlastung vor der kommenden planmäßigen Bundestagswahl dann noch frisch im Gedächtnis haben. Ein Schelm, wer dort einen Zusammenhang hineininterpretiert. Dann sollen 90 Prozent aller Soli-Zahler vollständig entlastet werden. Das Entlastungsvolumen beträgt 10 Mrd. Euro. Technisch ist eine deutliche Anhebung der bisher sehr geringen Freigrenze für natürliche Personen mit anschließender Gleitzone vorgesehen. Personen oberhalb der Gleitzone zahlen wie bisher den vollen Solidaritätszuschlag. Nach der gewählten Formulierung des Koalitionsvertrags werden Kapitalgesellschaften, für die es derzeit keine Freigrenze gibt, wohl nicht entlastet. Die bis 2021 verbleibende Zeit sollte die Große Koalition nutzen, dies zu überdenken. Auch ein Datum für die vollständige Soli-Abschaffung wäre überfällig.

Kindergeld rauf

Das Kindergeld soll in zwei Teilschritten zum 01.07.2019 um zehn Euro und zum 01.01.2021 um weitere 15 Euro erhöht werden. Gleichzeitig wird der steuerliche Kinderfreibetrag entsprechend angehoben. Die Entlastung beläuft sich in den Jahren 2018-2021 auf insgesamt 3,5 Mrd. Euro.

Sozialversicherungsbeiträge runter

Eine weitere nennenswerte Entlastung der Beschäftigten ergibt sich im Bereich der Lohnnebenkosten bei der Sozialversicherung durch die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte und kurzfristig mit der Wiederherstellung der Parität in der Krankenversicherung. Langfristig dürfte die Umstellung in der Krankenversicherung allerdings durch geringere Lohnzuwächse oder Beschäftigungsabbau auf die Arbeitnehmer überwälzt werden.

Warme Worte zur kalten Progression

Die Koalition sagt zu, die Steuerbelastung der Bürger nicht zu erhöhen. Dazu verpflichtet sie sich, alle zwei Jahre einen Bericht zur Entwicklung der kalten Progression vorzulegen und den Einkommensteuertarif entsprechend zu bereinigen. Zudem soll die Anpassung der pauschalen Steuerfreibeträge für Menschen mit einer Behinderung geprüft werden. Für die betroffenen Steuerpflichtigen heißt das: Zunächst sind keine konkreten Anpassungen geplant, stattdessen dürfen wir mit politischen Absichtserklärungen vorlieb nehmen.

Teilabschaffung der Abgeltungsteuer

Nicht ganz im Einklang mit der Absage an Steuererhöhungen steht die Ankündigung zur Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Zinserträge. Dies soll erfolgen, wenn der automatische Informationsaustausch etabliert ist. Umgehungstatbestände sollen verhindert werden. Da nach Angaben des BMF zum 01.01.2018 mit über 100 Staaten entsprechende Informationen ausgetauscht werden, spricht vieles dafür, dass das Thema zügig angegangen wird. Widerstand könnte aus den Ländern kommen. So sind Bedenken der Finanzverwaltung zu hören, ob ein deutlicher Anstieg der Veranlagungsfälle zu verkraften wäre. Bezieher von Kapitaleinkommen sollten sich damit auf höhere Belastungen einstellen, weil diese Einkünfte voraussichtlich kurz- bis mittelfristig dem allgemeinen Einkommensteuertarif unterliegen.

Keine festen Zusagen bei der Digitalisierung

Der Ausbau der elektronischen Kommunikation der Finanzverwaltung mit dem Bürger wird nicht zum ersten Mal in einem Koalitionsvertrag angekündigt. Auf konkrete Zusagen will die Koalition sich aber nicht einlassen. Bis zum Veranlagungszeitraum 2021 wird die vorausgefüllte Steuererklärung für alle Steuerpflichtigen grade mal „angestrebt“. Immerhin sollen über ein einheitliches Portal die 100 wichtigsten Verwaltungsleistungen online angeboten werden, wobei ein Schwerpunkt bei Steuern und Abgaben liegen soll.

Lohnsteuerabzug bei Ehegatten / Elektrodienstwagen / Förderung Ehrenamt

Für das lohnsteuerliche Faktorverfahren will die Koalition die Werbetrommel rühren. Personen mit der offenbar nicht mehr zeitgemäßen Steuerklassenkombination III/V sollen in den Steuerbescheiden regelmäßig über das Faktorverfahren informiert und auf die Möglichkeit des Wechsels zur Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor hingewiesen werden.

Damit Elektrofahrzeuge als Dienstwagen attraktiver sind, soll bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung ein reduzierter Satz von 0,5 Prozent des inländischen Listenpreises geprüft werden.

Zur besseren Förderung des bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements sollen ehrenamtliche Tätigkeiten steuerlich entlastet werden.

Steuerpolitische Verlustliste

Am meisten vermisst der Steuerzahler die im Wahlkampf diskutierte Senkung des Einkommensteuertarifs. Der Mittelstandsbauch wird nicht abgeflacht, stattdessen heißt es, den Bauch eventuell einzuziehen. Und es bleibt dabei, dass schon Facharbeiter den Spitzensteuersatz zahlen. Dem Vernehmen nach beharrte die SPD darauf, eine Senkung im Tarif teilweise durch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes zu finanzieren, was die Union ablehnte.

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