Die bei einem Tangotanzkurs erbrachten Leistungen sind nur umsatzsteuerfrei, wenn es der Kurs zumindest einzelnen Teilnehmern ermöglicht, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung auch beruflich zu nutzen (BFH v. 24.1.2019 – V R 66/17). Der BFH hat mit diesem Urteil die positive Entscheidung der Vorinstanz revidiert und wendet in Bezug auf die Umsatzsteuerfreiheit von Unterrichtsleistungen eine strenge Sichtweise an.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin erzielte Umsätze aus ihren Tätigkeiten als Dolmetscherin, im Filmgeschäft und als Tangolehrerin. Den Tangounterricht erteilte die Klägerin einerseits an der Volkshochschule und andererseits als Privatlehrerin. In ihrer Steuererklärung behandelte sie die Umsätze, die sie für die VHS ausgeführt hatte, als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Umsätze aus der Tätigkeit als Tanzlehrerin nicht steuerfrei seien. Steuerfrei nach § 4 Nr. 21 UStG seien unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen einer privaten Schule oder einer anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung. Das Erlernen des Tangos diene hingegen der Freizeitgestaltung und die Umsätze der Klägerin aus den VHS-Kursen seien folglich mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern.
Während die Klage erfolgreich war, unterlag die Tanzlehrerin nun vor dem BFH. Er begründet sein Urteil u.a. wie folgt: Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Die Steuerfreiheit bezieht sich aber nur auf Aus- oder Fortbildungen, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Anhaltspunkte für die Annahme reiner Freizeitgestaltungen können sich z.B. aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben. Zu Kursen, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, gehören insbesondere Kurse, die sich allgemein an am Tanz interessierte Menschen richten. Ermöglicht ein Kurs demgegenüber einem Teilnehmer, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung später beruflich zu nutzen, genügt dies für die Steuerfreiheit selbst dann, wenn hiervon nur wenige Teilnehmer Gebrauch machen.
Für die Frage, ob es sich danach um steuerfreien Unterricht oder um eine steuerpflichtige Unterweisung zur bloßen Freizeitgestaltung durch einen Privatlehrer handelt, ist schließlich auch das Gemeinwohlinteresse an der durch den Privatlehrer ausgeübten Tätigkeit zu berücksichtigen. So kann ein besonders hohes Gemeinwohlinteresse, das die Annahme einer steuerfreien Unterrichtsleistung durch einen Privatlehrer rechtfertigt, z.B. beim Schwimmunterricht bestehen.
Die Annahme eines Freizeitcharakters wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Tanzen in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen in den Unterrichtsfächern Musik, Darstellendes Spiel und Sport verankert ist.
Es reicht für die Steuerfreiheit nicht aus, dass ein Kursangebot aufeinander aufgebaut ist und es ermöglicht, Fertigkeiten kontinuierlich zu vervollkommnen. Dabei ist es auch ohne Bedeutung, ob es sich um eher einfache Standardtänze oder um eine anspruchsvolle Form des Tanzes handelt. Schließlich kommt eine Steuerfreiheit im Hinblick auf eine künftige Berufsausbildung nur in Betracht, wenn für Kursteilnehmer tatsächlich eine realistische Möglichkeit besteht, die so erlangten Kenntnisse später für eine berufliche Tätigkeit zu nutzen. Eine rein theoretische Möglichkeit reicht hierfür nicht aus.
Eine Steuerfreiheit kommt auch nach nationalem Recht nicht in Betracht, das heißt, es liegt weder ein Fall des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG („Ersatzschule“) noch des § 4 Nr. 22 UStG („Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art“ bzw. „kulturelle und sportliche Veranstaltungen“) vor.
Interessanterweise hat der BFH vor seinem Urteil nicht die Entscheidung des EuGH zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Fahrschulunterrichts für die Fahrerlaubnisklassen B und C1 abgewartet. Allerdings wäre seine Entscheidung nicht anders ausgefallen, da es sich nach Ansicht des EuGH beim Fahrschulunterricht nicht um einen von der Mehrwertsteuer befreiten Schul- und Hochschulunterricht handelt (EuGH-Urteil vom 14.3.2019, Rs. C-449/17).
Privatlehrern, bei denen die Steuerbefreiung ihrer Umsätze streitig ist bzw. bei denen es sich um Grenzfälle handelt, ist zu empfehlen, eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG einzuholen. Die reine Bestätigung eines Kursangebots reicht aber nicht aus, wie der BFH explizit ausführt (siehe Rz. 21 der Urteilsbegründung).
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