Vor etwa eineinhalb Jahren rief das FG Baden-Württemberg den EuGH an, weil es die überdachende Besteuerung im DBA Deutschland/Schweiz für unionsrechtswidrig hielt. In der Fachwelt rief die Vorlage bereits einige Verwunderung hervor. Nun stellte auch Generalanwalt Mengozzi dar, dass dieses Vorabentscheidungsersuchen eher eine Luftnummer war.
Die überdachende Besteuerung im DBA Deutschland/Schweiz hat sicher schon bei einigen vermögenden Deutschen für Verdruss gesorgt. Die Klausel im DBA erlaubt es Deutschland seine Wegziehenden – unabhängig von den Verteilungsartikeln im DBA – mit inländischen Einkünften noch eine Zeit lang wie Einheimische zu besteuern. Die Regelung ist nicht zuletzt eine Reaktion darauf, dass vor allem die Westschweiz reiche Ausländer mit einer äußerst günstigen Pauschalbesteuerung anzieht. Ein prominenter Fall war hier etwa die Steuerflucht von Michael Schumacher vor einigen Jahren. Das macht jetzt die Schweizer natürlich nicht per se zu bösen Menschen (auch viele EU-Staaten haben Pauschalbesteuerungen für Ausländer), legitimiert aber meines Erachtens das deutsche Ansinnen.
Gegen die überdachende Besteuerung hatte nun ein Weggezogener vor dem FG Baden-Württemberg geklagt. Überraschenderweise kam das Gericht zu der Überzeugung, dass die Regelung gegen das Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz verstieße, konkret etwa gegen das Diskriminierungsverbot. Obwohl das Abkommen den DBA ausdrücklich (!) Vorrang einräume, dürften bilaterale Verträge dennoch nicht gegen grundlegende Freizügigkeitsprinzipien verstoßen.
Dieser Auffassung erteilte Generalanwalt Mengozzi – wie zuvor bereits viele Fachautoren in Deutschland – eine klare Absage. Da die Freiheiten des Binnenmarktes im Verhältnis zur Schweiz nur eingeschränkt gelten, könne das Freizügigkeitsabkommen daran auch nicht gemessen werden. Einschränkungen durch DBA seien daher zulässig. Lediglich einseitig nationale Regelungen (m.E. etwa das AStG) dürften nicht gegen das Freizügigkeitsabkommen verstoßen. Hilfsweise stellt Mengozzi sodann noch kurz dar, warum selbst bei Anwendbarkeit des Abkommens kein Unionsrechtsverstoß vorliegen würde.
Bei der nun anstehenden Entscheidung durch den EuGH sehe ich keinen großen Abweichungsspielraum gegenüber der Auffassung des Generalanwalts. Nachdem die Schweizer Ende 2014 per Volksabstimmung für die (Möglichkeit zur) Beibehaltung der steuerlichen Ausländerprivilegien votierten, bleibt die überdachende Besteuerung als letzte Hürde vor dem Steuerparadies bei Wegzug aus Deutschland damit nun wohl bestehen.
Unabhängig vom Ausgang der Vorlage verdient die Entscheidung aus Baden-Württemberg aus meiner Sicht jedenfalls Anerkennung. Sind unterinstanzliche Gerichte von einem Verstoß gegen EU-Recht überzeugt, ist einer Vorlage stets zu begrüßen. Denn noch machen die Gerichte davon viel zu selten Gebrauch. Und im konkreten Fall hatten die FG-Richter immerhin die EU-Kommission auf ihrer Seite.
PS: Witzig sind für mich immer wieder die Entscheidungsbezeichnungen beim EuGH. Während in Deutschland ein Kläger bei Urteilsverkündungen ja meistens anonym bleibt, weiß man beim EuGH in aller Regel immer gleich, um wen es geht.
Weitere Infos:
- EuGH, Rs. C-241/14 (‚Roman Bukovansky‘), anhängig
- F.A.Z., Steuerflucht der Schumacher-Brüder (2001)
- SWI, Rund um die Pauschalbesteuerung von Ausländern in der Schweiz