„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde vom Sozialgericht wieder aufgehoben“

Diese Überschrift ist doch kreativ – finden Sie nicht auch? Es wäre einmal etwas ganz Neues, wenn ein Sozialgericht in der Lage wäre, sozusagen als nachfolgende und allerletzte Instanz, ein Urteil unserer obersten Verfassungshüter wieder aufzuheben. Wenn Sie mich nun für – sagen wir einmal – etwas sehr einfältig halten, so muss ich Sie enttäuschen, denn die Lorbeeren gebühren einem Träger der Sozialversicherung (Krankenversicherung), den ich hier aber aus verständlichen Gründen nicht namentlich bloßstellen möchte. Tatsächlich hat aber kürzlich die Leserin eines meiner Beiträge einen Brief mit dem genannten Inhalt erhalten. Was war geschehen?

Im Juni dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht gegen das Bundessozialgericht und zugunsten der Rentner entschieden, dass Rentenzahlungen von Pensionskassen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht beitragspflichtig sind, soweit diese auf selbst finanzierten Beiträgen des Arbeitnehmers nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses beruhen. Die Renten sind ebenso wie Leistungen aus privaten Lebensversicherungen bei pflichtversicherten Rentnern beitragsfrei (BVerfG-Urteil vom 27.6.2018, 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15). Wer schon eine Rente aus einer Pensionskasse bezieht, kann eine Erstattung der zu Unrecht gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge beantragen (§ 26 Abs. 2 und 3 SGB IV). Dies hat die Leserin getan.

Ihre Krankenversicherung war jedoch alles andere als begeistert und dachte, dann lehnen wir den Anspruch erst einmal ab, und zwar mit der genannten Begründung. So ganz überrascht mich ein solches Schreiben aber nicht, und zwar in vielerlei Hinsicht.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Sozialversicherungsträger ziemlich genau wissen, dass es Betroffenen schwerfällt, einen rechtlichen Berater zu finden. Steuerberater dürfen nicht helfen. Versierte Rechtsanwälte gibt es in diesem Bereich leider nicht ausreichend (ich bin gerne bereit, mich eines Besseren belehren zu lassen). Es ist aber angesichts der Streitwerte zumeist auch kein lohnenswertes Geschäft.

Die durchaus gut ausgebildeten Mitarbeiter der Sozialversicherungsträger werden im Kundenservice regelrecht verheizt.

Und: Die Sozialversicherungsträger wissen, dass sie es oft mit Personen zu tun haben, die weniger gut ausgebildet sind oder aber eher aus dem handwerklichen Bereich stammen und nicht – wie Steuerberater oder Personen aus kaufmännischen Berufen – mit langen Schriftsätzen umgehen können. Daher werden sie zuweilen durch zusammengestückelte – aber zusammenhanglose – Textbausteine eingeschüchtert.

Nur am Rande: Gebeutelte können sich auf das aktuelle Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 15.10.2018 berufen, wenn schon die Berufung auf das Bundesverfassungsgericht nicht ausreicht. Fordern Sie Ihre Beiträge also zurück!

Weitere Informationen:

Lesen Sie hierzu auch:

Erfreuliches für Pensionskassen-Rentner (steuerrat24.de)

Ein Kommentar zu “„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde vom Sozialgericht wieder aufgehoben“

  1. Sanktionen bringen rein gar nichts!
    Zunächst ist es einmal sehr erfreulich, dass die Mitarbeiter der Arbeitsagentur Gothas eine Klage gegen die unsägliche Praxis der Sanktionierung von ALG-II-/Hartz-IV-Empfänger beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einreichten, um diese inakzeptable und inhumane Verfahrensweise prüfen zu lassen. Und die Richter in Karlsruhe entschieden sich gegen diese Praxis und halten diese Verfahrensweise sogar teilweise als verfassungswidrig. Nun können die ALG-II-Empfänger nur noch bis zu 30 Prozent ihrer Hartz-IV-Bezüge sanktioniert werden. Und die noch amtierende Sozialministerin Brandenburgs, Frau Susanna Karawanskij (DIE LINKE) spricht sich sogar absolut gegen eine Sanktionierung von Hartz-IV-Empfänger aus, genauso wie ihre Nachfolgerin, Frau Ursula Nonnenmacher (Grüne). Hingegen plädiert der CDU-Fraktionschef Jan Redmann für das Beibehalten der Sanktionspraxis im Rahmen des Grundprinzips von Forderns und Förderns der ALG-II-Empfänger. Auf einer analogen Linie liegt der Bundestagsabgeordnete der AfD, Renè Springer. Er argumentiert, dass viele Hartz-IV-Empfänger Ausländer seien (faktisch nur ein geringer Prozentsatz) und so für eine Armutsmigration Tür und Tor geöffnet werde. Analoges konnte man im Bundestag in der Diskussion zum Urteil des Verfassungsgerichtes vernehmen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Politiker zu Themen äußern, wovon sie nicht die geringste Ahnung haben. Chapeau! Sie Sprechen quasi wie die Blinden von der Farbe! Der CDU-Faktionsvorsitzende Jan Redmann und der AfD-Bundestagsabgeordnete, Renè Springer haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in ihrem Leben noch niemals einen Arbeitslosen oder ALG II/Hartz IV-Empfänger vermittelt und kennen nicht im geringsten die Ängste, die Sorgen und Probleme dieses Personenkreises! Und sie kennen auch nicht das Kreuz mit dem Fordern und Fördern! Der Autor hingegen hat von 1995 bis 2014, also fast zwanzig Jahre über 1000, zumeist benachteiligte Erwachsene (u.a. Schwerbehinderte) und Jugendliche ins Arbeitsleben integriert und wurde dabei auch aufs Schmerzlichste und Dramatischste mit der Hartz-IV-Problematik konfrontiert! Zunächst muss einmal konstatiert werden, dass die Hartz IV/ALG II-Empfänger in der Regel hochmotiviert sind und einen großen beruflichen Ehrgeiz besitzen! Dies ergab eine fundierte psychologische Eingangsdiagnostik. Allerdings sind die soziale Unterstützung und die Lebenszufriedenheit nur gering ausgeprägt, wohingegen die Resignationstendenz hohe Werte annimmt. Mit anderen Worten: Die Betroffenen leiden unter der destruktiven, destabilisierenden und demotivierenden psychosozialen Situation der Arbeitslosigkeit! Zudem weist ein nicht unwesentlicher Prozentsatz der Hartz-IV-Empfänger Erkrankungen und Behinderungen auf. Daher ist beim Fordern und Fördern sehr klug zu verfahren! Und das Fordern und Fördern muss ganz individuell erfolgen und nicht einfach so pauschal. Soll heißen: Einige Betroffene, auch eine große Anzahl von Jugendliche, sind so taff, dass man sie überhaupt nicht, oder kaum „unter die Arme“ greifen muss! Für andere muss man die Bewerbungsunterlagen erstellen, weil sie aufgrund ihrer Bildung und Ausbildung dazu einfach nicht in der Lage sind! Im Extremfalle ist es erforderlich, sie zum Vorstellungs- bzw. Einstellungsgespräch zum Arbeitgeber zu begleiten. Wir sprechen hier in diesem Falle von Einzelfallbegleitung. Anderseits machen sich mitunter Weiterbildungsmaßnahmen oder Anpassungsqualifikationen notwendig. Wesentlich ist, dass zu Beginn der beruflichen (Re-) Integration eine Eingangs- bzw. Berufseignungsdiagnostik durchgeführt werden muss, wo die Persönlichkeitsvariablen, wie beispielsweise der Grad er Motivation zu erfassen sind. Aber auch das kognitive Leistungsprofil in 7 Dimensionen (Allgemeinbildung, logisches Denken, sprachliche Kompetenz, räumliches Denken, Wahrnehmungsfähigkeit, Konzentration, mathematische Kompetenz) sollte diagnostiziert werden, damit fundierte Schlussfolgerungen für die Vermittlung des Kandidaten in eine spezifische Berufsrichtung erfolgen können. Und die berufliche (Re-)Integration währt von einigen, wenigen Tagen, wo lediglich 10 Bewerbungsunterlagen bis zur Einladung zum Vorstellungsgespräch und zur Einstellung erforderlich werden, bis hin zu über einem Jahr, wo über Hundert Bewerbungsunterlagen erstellt werden müssen. Bei Vorliegen von gesundheitlichen Hindernissen müssen Anträge auf Schwerbehinderung gestellt werden und Fördermittel bei den Arbeitsagenturen/Jobcentern auf Lohnkostenzuschüssen (LKZ) und den Integrationsämtern der Ämter für Soziales und Versorgung auf finanzielle Förderungen zur Arbeitsplatzausstattung erfolgen (beispielsweise eine Computerkonfiguration, eine Büroausstattung,……). Und wenn alle Stränge reißen, muss aufgrund der gesundheitlichen und kognitiven Restriktionen eine Integration in die Werkstätten für Behinderte Menschen (WfbM) erfolgen. Man sieht hier, dass auch ein Großteil der Verantwortung bei der (Re-) Integration, der Vermittlung von Erwerbslosen bei den Mitarbeitern der Arbeitsagenturen, der Jobcentern oder bei den von den Arbeitsagenturen/ Jobcentern beauftragten Bildungsträgern liegt. Und Sanktionen mit der Brechstange bringen rein gar nichts, sondern die Arbeitsvermittler/Jobcoachs müssen immer am Ball bleiben und nicht den Mut verlieren! So gelingt die Reintegration /Vermittlung von Erwerbslosen in jedem Falle!
    Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

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