Das Steuerfortentwicklungsgesetz / JStG 2024 II – Zum Scheitern verdammt?

Zur Mitte des Jahres gibt die Koalition steuerpolitisch auf einmal Gas: Eine Wachstumsinitiative wird beschlossen, BMF-Expertenkommissionen legen weitreichende Berichte vor, ein Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG, vormals JStG 2024 II), das Steuerentlastungen in Milliardenhöhe ins Schaufenster stellt, wird auf den Weg gebracht. Der steuerpolitische Beobachter, mit einem Bein bereits in der Sommerpause, reibt sich verwundert die Augen: Wird der Steuerstandort jetzt doch flott gemacht?

Schön wär’s. Denn leider sind erhebliche Zweifel allzu angebracht. Richten wir den Blick auf das SteFeG. Mit dem Gesetz will die Koalition laut dem Regierungsentwurf vom 24.07.2024 ein erstes Paket steuerlicher Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative sowie Restanten aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Doch während Zustimmung des Bundestags mit der Mehrheit der Koalition wohl gesichert ist, scheint bei näherer Betrachtung zweifelhaft, ob das auch für die Länderkammer gilt. Dazu ein kurzer steuerpolitischer Checkup der wesentlichen Inhalte des SteFeG:

Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen:

Während die Bundesregierung in ihrer Wachstumsinitiative das Hohelied des Bürokratieabbaus singt, soll zeitgleich mit dem SteFeG ein neues Bürokratiemonster auf die Steuerpflichtigen losgelassen werden. Dabei hatten die Länder einen nahezu wortgleichen Entwurf Anfang des Jahres gerade erst aus dem Wachstumschancengesetz streichen lassen – zu bürokratisch, kein erkennbarer Nutzen. Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass die Länder nur wenige Monate später ohne Murren dem gleichen Paragraphenwerk ihren Segen erteilen?

Überführung der Steuerklassenkombination III/IV in die Steuerklasse IV mit Faktor:

Die im Namen der Geschlechtergerechtigkeit scheinbar unvermeidliche Streichung der Steuerklassenkombination III/V geht für die Finanzverwaltung mit erheblichem Mehraufwand einher. Denn ab spätestens 2030 muss für Millionen Ehepaare und Lebenspartnerschaften regelmäßig ein Faktor ermittelt werden, damit beim Lohnsteuerabzug das Ehegattensplitting beachtet werden kann. Zwar soll das BZSt (der Bund) die Faktoren berechnen, aber die Finanzverwaltungen der Länder müssen die Einkommensdaten liefern und die Faktoren anwenden. Angesichts knapper personeller Ressourcen dürfte die Vorfreude auf dieses neue Projekt in den Landesfinanzministerien überschaubar sein.

Anhebung der Wertgrenze für den Sammelposten auf 5.000 Euro bei Verkürzung des Auflösungszeitraums auf drei Jahre sowie Verlängerung der degressiven AfA:

Aus Sicht der Wirtschaft sind dies zweifellos sinnvolle Maßnahmen. Schließlich gelten attraktive Abschreibungsbedingungen als starker Hebel, um die dringend benötigten Investitionen zu fördern. Doch obwohl es sich lediglich um Steuerstundungseffekte handelt, schlagen sie aus Sicht der öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren mit erheblichen Steuermindereinnahmen zu buche. Deshalb hatten die Länder einen Vorschlag zum Sammelposten aus dem Wachstumschancengesetz gestrichen und der degressiven AfA nur in einer Schmalspurversion zugestimmt. Ein Umdenken auf Seiten der Länder ist bislang nicht ersichtlich.

Abbau der kalten Progression in der Einkommensteuer für 2025 und 2026:

Was die verfassungsrechtliche gebotene Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags anbelangt, dürfte tatsächlich überparteilicher Konsens bestehen, insbesondere weil auch das Kindergeld erhöht wird. Das Verschieben der anderen Tarifeckwerte dürften viele der klammen Länder-Finanzminister dagegen anders beurteilen. Der gut begründbare Verzicht auf unberechtigte, rein inflationsbedingte Mehreinnahmen scheint vielen von Ihnen als „Steuergeschenk“, das sie sich in Zeiten knapper werdender Kassen nicht leisten wollen. Auch der offenbar als Zeichen des Wohlgefallens gedachte Verzicht der Bundesregierung darauf, den Eckwert für die „Reichensteuer“ zu verschieben, dürfte die Lage nicht grundlegend ändern.

Die Aufkommenswirkung insgesamt:

Schon in der sog. vollen Jahreswirkung sind die mit dem SteFeG bewegten Zahlen erheblich. 21 Mrd. Euro weniger Steuereinnahmen werden vorausgesagt. Davon entfallen z.B. 6,9 Mrd. Euro auf die degressive AfA, 370 Mio. Euro auf den Sammelposten und 6,2 Mrd. Euro auf den inflationsbereinigten ESt-Tarif oberhalb des Grundfreibetrags. Betrachtet man die Zahlen für 2028, dem letzten Jahr im Finanztableau des Entwurfs, summieren sich die Steuerausfälle in diesem einzelnen Jahr sogar auf 27,325 Mrd. Euro. Vor acht Monaten haben die Länder das Wachstumschancengesetz wegen 6,3 Mrd. Euro in den Vermittlungsausschuss geschickt und es dort kräftig rasiert.

Aus heutiger Sicht scheint ein anderer Ausgang beim SteFeG kaum vorstellbar.

Anmerkung:

In NWB Unternehmensteuern und Bilanzen ist soeben ein umfassender Artikel zum SteFeG erschienen, den Sie als Abonnent hier aufrufen können.

2 Gedanken zu “Das Steuerfortentwicklungsgesetz / JStG 2024 II – Zum Scheitern verdammt?

  1. Sehr geehrter Herr Kollege,

    eine mahnende Anmerkung zur geplanten Änderung des Vorsteuerabzuges ab 2025, sofern der „Leistende“ ein „Istversteuerer“ ist (Nächste unnötige Verkomplizierung im USt Recht).

    Diese geplante Regelung entfaltet für den Staat und den Anwender keine Wirkung, wenn die Rechnungen kurzfristig bezahlt werden. Anders natürlich, wenn Rechnungen dieser Diensleister nicht gleich bezahlt werden können oder sollen.

    Auch wenn die geplante Verfahrensweise zum Vorsteuerabzug heute bereits bei Abschlags- und Teilzahlungen verbindlich ist, dürften die meisten Buchhaltungsprogramme und -abläufe mit Debitoren- und Kreditoren trotzdem mit der Neuregelung Schwierigkeiten bekommen.

    Wir halten diese Verkomplizierung für völlig unnötig und hoffen, dass im Gesetzgebungsprozess diesem erneuten bürokratischen Hürdenbau Einhalt geboten werden kann.

    Die Regelung hätte im Übrigen für uns Steuerberater, wie wohl für viele bisherige „Istversteuerer“, die Konsequenz, künftig „freiwillig“ zur Sollversteuerung überzugehen.

    Damit ist das Ganze kontraproduktiv für die kleinen Unternehmer.

    Meine größte Sorge dabei ist, dass Großunternehmen zur Vereinfachung einfach keine Istversteuerer mehr als Zulieferer auswählen, um sich die Mehrarbeit eines Extra-Buchungslaufes zu ersparen.

    Auch wenn der EuGH einen Verstoß gegen die Richtlinie erkannt haben mag, sieht Artikel 167a MwStRL eine fakultative Regelung hinsichtlich des VSt – Abzuges vor.

    Statt dessen sollte der deutsche Gesetzgeber von der in Art. 167a MwStSystRL vorgesehenen Möglichkeit, den Vorsteuerabzug bei Istversteuerern von der Entrichtung des Entgelts abhängig zu machen, Gebrauch machen.

    Abgesehen davon, dass in der Praxis oftmals zumindest unterjährig bei Istversteuerern ohnehin so verfahren wird, würde diese Regelung das Steuerrecht nicht verkomplizieren sondern sogar vereinfachen!

    Mit kollegialen Grüßen

    Dr. Jörg Uhlmann
    Steuerberater

  2. Sehr geehrter Herr Dr. Uhlmann,
    vielen Dank für Ihren Kommentar. Die von Ihnen genannte Änderung beim Vorsteuerabzug beim Leistungsbezug von einem Istversteuerer ist Teil des JStG 2024 „I“ und soll nach aktuellem Stand zum 01.01.2026 in Kraft treten (es bleibt also noch ein wenig mehr Zeit). Das BMF vertritt die Ansicht, dass die Neuregelung aufgrund der EuGH-Rechtssache C-9/20 „Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136“ notwendig ist. Die von Ihnen geschilderten Problematiken (insbesondere auch die Frage, ob größere Unternehmen dann ihren Leistungsbezug von Istbesteuerern einschränken) werden zwischen BMF und Verbänden derzeit intensiv diskutiert. Der aktuelle Vorschlag der Verbände lautet, die Regelung idealerweise bis zum 01.01.2028 zu verschieben und bis dahin in Brüssel auf eine Änderung der MwStSystRL hinzuwirken. Das wäre auch aus meiner persönlichen Sicht ein gangbarer Weg.

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