Der 31. Mai rückt näher. Vor allem für viele Arbeitnehmer ist das eine Art D-Day, möchte doch das Finanzamt pünktlich die Steuererklärung übermittelt bekommen. In der Online-Ausgabe eines großen deutschen Nachrichtenmagazins las ich am vergangenen Wochenende eine Kolumne, die den Steuererklärenden empfiehlt, einfach erst in dreieinhalb Jahren die Steuererklärung einzureichen und so satte 6 % Erstattungszinsen p.a. abzugreifen. Meine Empfehlung: Glauben Sie nicht alles, was im Internet steht.
Ich als Jurist mache es auch nicht gern, aber lassen Sie uns trotzdem kurz rechnen. Erste Frage: Wie hoch wird die Steuererstattung? Laut Statistik sind es im Schnitt derzeit 875 €. Ich runde mal großzügig auf 1.000 € auf. Dann geben wir die 2015er-Erklärung am 31. Dezember 2019 ab. Das Finanzamt wird sich wahrscheinlich beeilen – Ende Februar 2020 gibt es den Steuerbescheid. Das heißt: 170 € Zinsen. Brutto natürlich. Davon gehen noch Kapitalertragsteuer und Soli ab. Bleiben gut 125 €. Aber das war es ja noch nicht mit den rechnerischen Abschlägen. Die 1.000 € Steuererstattung könnten man auch schon etwa vier Jahre eher bekommen. Deren Abzinsung geht zulasten der Erstattungszinsen. Zudem sind 125 € in vier Jahren auch nicht mehr so viel wert wie heute – schönen Gruß an die Inflation. Wirtschaftlich bleiben also vielleicht gut 100 € übrig.
Nun kann man darüber streiten, ob das viel Geld ist. Was mir jetzt noch fehlt ist die Einpreisung verschiedener Risiken. Ungünstig im Wortsinn wäre zum Beispiel, wenn man den Stichtag 31.Dezember 2019 versäumt. Oder wenn man veranlagungspflichtige Einkünfte vergessen hat und einen saftigen Verspätungszuschlag zahlen darf. Außerdem: Wer garantiert eigentlich, dass es in vier Jahren die Kapitalertragsteuer noch gibt? Bei einem persönlichen Steuersatz über 25 % schrumpft die Rendite dann noch weiter. Und überhaupt: Gibt es in einigen Jahren noch 6 % Erstattungszinsen? Ich habe da so meine Zweifel.
Kurzum: Wer in der freiwilligen Veranlagung eine Erstattung erwartet, sollte sich vielleicht eher früher als später Zeit für die Erklärung nehmen. Nicht nur, dass man den Spatz in der Hand hat. Man vermeidet auch das Risiko, sich von den Tauben auf dem Dach auslachen zu lassen, weil die tolle Zinsidee am Ende ein Minusgeschäft war.