Darlehen an Familienangehörige: Muss die Verzinslichkeit bewiesen werden?

„Bei Geld hört die Freundschaft auf“ – so heißt es im Volksmund. Aber nicht nur unter Freunden, sondern selbst innerhalb der Familie kann es Streit ums liebe Geld geben. Erbrechtsspezialisten können ein Lied davon singen. Nachfolgend möchte ich Ihnen eine Entscheidung vorstellen, in der es innerhalb der Familie um die Frage ging, ob ein Darlehen verzinslich gewährt wurde. Die Entscheidung ist zum Zivilrecht ergangen; daher soll am Ende dieses Blog-Beitrages ein Blick ins Steuerrecht geworfen werden.

Doch zunächst zu dem Beschluss des OLG Nürnberg. Dieses hat entschieden, dass der Darlehensgeber bei Darlehen unter Familienangehörigen die Beweislast dafür trägt, dass der Kredit verzinslich gewährt wurde, wenn er die Zinsen gerichtlich einfordert (OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.1.2024, 13 U 1171/23).

Der Sachverhalt:

Die Tochter hatte ihrem Vater im Jahr 1993 ein Darlehen in Höhe von 60.000 DM gewährt; das Darlehen wurde im Jahr 2022 gekündigt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Darlehen selbst zurückgezahlt worden ist. Streitig ist lediglich, ob – und wenn ja- in welcher Höhe das Darlehen verzinst war. Die Tochter machte geltend, dass nach der Regelung des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB die Verzinslichkeit des Darlehens der Regelfall sei. Auch gehe die ganz herrschende Meinung davon aus, dass der Darlehensnehmer die Unverzinslichkeit  des Darlehens zu beweisen habe. Doch damit scheiterte sie beim OLG.

Die Begründung in aller Kürze:

Der Gesetzgeber hat keine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Beweislastverteilung für die Verzinslichkeit eines Darlehens geregelt. Auch aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB (aktuelle Fassung) folgt keine Änderung der Beweislast. Dort heißt es zwar: „Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.“ Das besagt aber nichts darüber, dass ein Zins im Regelfall als geschuldet angesehen werden soll und damit die Grundregel, wonach der Antragsteller die Vereinbarung einer Verzinsung als für ihn günstige anspruchsbegründende Tatsache zu beweisen hätte, geändert werden sollte.

Auch § 488 Abs. 2 BGB rechtfertigt keine Änderung der Beweislast. Dieser Absatz spricht wiederum von „vereinbarten“ Zinsen, was zum Ausdruck bringt, dass Zinsen vereinbart werden müssen, dies also Voraussetzung des Anspruchs auf Zinsen ist und diese ansonsten nicht geschuldet sind. Auch diese Vorschrift legt nicht fest, dass das Vorhandensein einer Zinsvereinbarung der Regelfall sei und das Fehlen einer solchen Vereinbarung eine vom Anspruchsgegner zu beweisende Ausnahme.

Der BGH hat zwar in einem obiter dictum angenommen, dass eine Vermutung dafürspreche, dass ein Darlehen nicht zinslos gewährt werde (BGH-Beschluss vom 24.2.1983, III ZR 121/82). Diese Ansicht, wenn man ihr überhaupt folgen würde, kann aber nicht auf eine Darlehensgewährung unter Familienangehörigen übertragen werden. Innerfamiliär sind zinslose Kredite keinesfalls so außergewöhnlich, dass man das Vorliegen einer Zinsabrede im Wege des Anscheinsbeweises unterstellen könnte.

Denkanstoß:

Gilt das Gesagte sinngemäß auch für das Steuerrecht? Hierauf ist mit einem klaren „Jein“ zu antworten.

Zwar ist man schnell geneigt, auch im Steuerrecht die Unverzinslichkeit des Darlehen anzunehmen, wenn die Verzinslichkeit nicht ausdrücklich vereinbart wurde und auch nicht bewiesen werden kann. Dies gilt insbesondere bei Verträgen unter nahen Angehörigen, da diese einem strengen Prüfungsmaßstab unterliegen. Aber: Es kann durchaus Konstellationen geben, in denen ein Zins(-anteil) angenommen wird, selbst wenn dieser nicht ausdrücklich vereinbart worden ist. Dies gilt beispielsweise bei der teilentgeltlichen Übertragung einer Immobilie gegen eine Veräußerungszeitrente. Auch wenn tatsächlich keine Zinsen vereinbart oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen werden, so zerlegen die Finanzämter die geleisteten Zahlungen dennoch in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil. Und den Zinsanteil wollen sie dann als Kapitaleinkünfte (gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) versteuern (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14.7.2020, VIII R 3/17).

In diesem Sinne hat jüngst das Schleswig-Holsteinische FG entschieden: Die Stundung der Kaufpreisforderung aus der Veräußerung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks im Wege einer Ratenzahlungsabrede ist als Einräumung eines Darlehens zu qualifizieren, welches zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führen kann. Dies gilt auch dann, wenn die Vertragsparteien eine Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen haben (Urteil vom 17.9.2024, 4 K 34/24; Rev. unter VIII R 30/24).

Das Gericht gelangt allerdings im Streitfall zu dem Schluss, dass ein rechtssystematischer Anwendungsvorrang der Schenkungssteuer besteht, welcher eine parallele Erwerbsbesteuerung des zugewandten Vorteils sperrt. Auch das FG Köln hat sich mit dem Thema befasst. Und auch hier liegt die Revision vor (Urteil vom 27.10.2022, 7 K 2233/20; Rev. unter VIII R 1/23).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 6 = 3