Im Rahmen des Corona-Konjunkturpaketes (s. NWB News v. 04.06.2020) hat der Koalitionsausschuss am 3.6.2020 auch ein Programm für Überbrückungshilfen beschlossen. Was ist davon zu halten und worauf sollte bei der weiteren Umsetzung geachtet werden?
Hintergrund
Im Rahmen des Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 (vom 27.03.2020, BGBl. I S. 576) hat der Bund ein gewaltiges Finanzierungsprogramm zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise auf den Weg gebracht. Mit diesem vom Bundestag und Bundesrat in Windeseile beschlossenen Maßnahmenpaket ist die Neuverschuldung im Bund um 156 Milliarden Euro im Jahr 2020 gewachsen. Neben Krediten und anderen Finanzierungshilfen war ein Kernbestandteil ein Bundes-Soforthilfe-Zuschuss mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro für Freiberufler, Soloselbständige und Kleinunternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern. Zielsetzung dieses Bundesprogramms, das auf Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung von den Ländern administriert worden ist, ist die Unterstützung kleiner Unternehmen zur Abmilderung von Liquiditätsengpässen die in Folge von Umsatzeinbrüchen und Auftragsrückgängen nach der Corona-Krise entstanden sind.
Bislang hat der Bund – neben den zum Teil in den Ländern vorhandenen ergänzenden Soforthilfe-Programmen – rund 2,1 Soforthilfe-Anträge mit einem Gesamtvolumen von mehr als 13,1 Mrd. Euro unterstützt (Dashboard BMWi Stand 2.6.2020). Jetzt will die Koalition mit einer weiteren „Überbrückungshilfe“ im Volumen von maximal 25 Mrd. Euro die Mittelstandslücke schließen.
Eckpunkte des Überbrückungshilfe-Programms
Das neue „Programm für Überbrückungshilfen“ (Ziff. 13 Ergebnis Koalitionsausschuss v. 3.6.2020) beinhaltet nach den coronabedingten Umsatzausfällen zur Existenzsicherung von KMU folgende Eckpunkte:
- Antragsberechtigt sollen branchenübergreifend kleine und mittelständische Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen sein, insbesondere „besonders betroffene Branchen wie z.B. Hotel- und Gaststättengewerbe, Kneipen, Clubs und Bars, Messeveranstalter, aber auch Einrichtungen der Behindertenhilfe und Jugendeinrichtungen sein.
- Die Antragsteller müssen in den Monaten April und Mai 2020 einen Umsatzeinbruch von mindestens 60 % gegenüber den entsprechenden Vorjahresmonaten verzeichnet haben und die Umsatzeinbrüche müssen von Juni bis August 2020 um mindestens 50 % fortdauern. Bei Unternehmen, die nach April 2019 gegründet sind, sind die Monate November und Dezember 2019 maßgeblich.
- Die Antragsteller sollen unter den vorgenannten Voraussetzungen von Juni bis August 2020 monatlich bis zu 50 % der fixen Betriebskosten bei einem Umsatzrückgang von mindestens 50 % bekommen, bei Umsatzrückgängen von mehr als 70 % können bis zu 80 % der fixen Betriebskosten als verlorenen Zuschuss bekommen, maximal für drei Monate 150.000 Euro.
- Bei Unternehmen bis zu 5 Beschäftigten soll der Erstattungsbetrag 9.000 Euro, bei Unternehmen bis 10 Beschäftigten 15.000 Euro nur in begründeten Ausnahmefällen übersteigen.
- Überzahlungen müssen erstattet werden.
- Geltend gemachte Umsatzrückgänge und fixe Betriebskosten sind durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu prüfen und zu bestätigen.
- Die Antragsfristen sollen spätestens am 31.8.2020, die Auszahlungsfristen am 30.11.2020 enden.
Weitere Einzelheiten der Umsetzung, des Verfahrens und der zuständigen Behörden sollen jetzt zeitnah zwischen Bund und den Ländern geklärt werden, die auch beim „Überbrückungshilfe-Programm“ die Umsetzung verantworten sollen.
Bewertung, Gefahren und weiteres Vorgehen
Der Finanzbedarf wird auf 25 Milliarden Euro beziffert, beträgt also 50 % des ursprünglichen Bundes-Soforthilfe-Zuschuss-Volumens vom März 2020, das mit max. 50 Mrd. Euro dotiert war. Nachdem das bisherige Soforthilfeprogramm des Bundes nur in Höhe von 13,1 Mrd. Euro ausgeschöpft wurde, ist genügend „finanzielle Luft“ vorhanden, um das Programm zu finanzieren. Die Frage ist allerdings, ob es sich hierbei wirklich um eine sinnvolle, branchenübergreifende Subvention handelt, oder aber um ein „Strohfeuer“, das trotz seines immensen Volumens zu verpuffen droht.
Der deutsche Mittelstand zeigt sich nämlich trotz herber Einbußen bei Umsatz und Aufträgen in der Corona-Pandemie bislang insgesamt robust. Jedes fünfte Unternehmen hat bereits Förderkredite beantragt (21 Prozent), mehr als die Hälfte hat Mitarbeiter in Kurzarbeit (54,5 Prozent), aber bislang baut nur knapp jeder zehnte Mittelständler (8,2 Prozent) Stellen ab. Das zumindest waren die Ergebnisse einer Sonderbefragung, die die DZ Bank im April bei ausgewählten mittelständischen Unternehmen durchführen ließ. Viele Unternehmen haben zum Beispiel ihre Produktion umgestellt. Zudem würden vergleichsweise dicke Eigenkapitalpolster dem Mittelstand in der aktuellen Krise helfen, sie haben in den Jahren der Hochkonjunktur Rücklagen gebildet, von denen jetzt gezehrt werden kann.
Was gut gemeint ist, ist nicht unbedingt auch gut gemacht: Die Erfahrungen bei der Bewilligung und Auszahlung des ersten Soforthilfe-Programm des Bundes zeigen, dass sorgsam überlegt sein will, wen man unter welchen Bedingungen abermals aus Steuermitteln unterstützen will:
- Vor allem gilt es bereits im Vorfeld Auslegungsprobleme zu vermeiden, die beim ersten Soforthilfeprogramm in vielen Fällen zu unberechtigten Auszahlungen geführt haben, ferner zu unterschiedlicher Anwendung des Bundesprogramms in den Ländern. Beispielsweise muss gefragt, warum gerade an den Umsatzausfall im April und Mai angeknüpft wird – ist das nicht willkürlich? Welcher Zeitpunkt ist für die Bestimmung der maßgeblichen Mitarbeiterzahl maßgeblich?
- Wer verwaltet die Mittel und zahlt sie aus? Die Anspruchsvoraussetzungen sollten durch Vorgabe des Bundes in allen Ländern gleich sein, weil eine unterschiedliche Handhabung desselben Bundeprogramms schwer erklärbar ist.
- Und es ist darauf zu achten, dass vom Start weg im Antragsverfahren eine online-Lösung mit einer Software zum Einsatz kommt, die schnell, pannensicher und missbrauchsfest ist, also Mitnahmeeffekte verhindert.
Fragen über Fragen, die jetzt geklärt sein sollten, bevor man die Überbrückungshilfe ins Rennen schickt; ansonsten droht ein gewaltiger „Flop“.
Lieber Herr Dr. Jahn,
ein sehr guter und informativer Betrag, vielen Dank.
In den Eckpunkten des Bundes ist nicht klar beschrieben, ob Umsatz im Förderzeitraum Jun-Aug. 2020 mit dem Umsatz November 2019-Januar 2020 verglichen wird, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, dass nach April 2019 gegründet wurde.
Meine Steuerberaterin differenziert zwischen „Antragsberechtigung“ und „Förderberechtigung“ und möchte immer Jun-Aug 2020 mit Jun-Aug 2019 vergleichen, egal, wann das Unternehmen gegründet wurde. Somit wäre ich antrags- aber nicht förderberechtigt – was für mich nicht logisch ist.
Ich freue mich auf Ihre Antwort und oder Idee hierzu.
Vielen Dank und viele Grüße,
Matthias Syska