Das VG Düsseldorf hat gegen Rückforderungsbescheide gerichteten Klagen dreier Zuwendungsempfänger wegen Corona-Soforthilfen stattgegeben (VG Düsseldorf, Urteile v. 16.8.2022- 20 K 7488/20, 20 K 217/21 und 20 K 393/22; Berufung zugelassen). Diese Musterverfahren könnten Fernwirkung für tausende Rückforderungsfälle bei der Corona-Soforthilfe in ganz Deutschland haben.
Sachverhalt:
Als Anfang 2020 kleine Unternehmen und Selbständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Notlagen gerieten, schufen Bund und Länder Förderprogramme, um kurzfristig Finanzhilfen bereitzustellen. Solche Soforthilfen erhielten auch die Kläger in den Streitfällen, die entweder vorübergehend ihren Betrieb schließen oder Umsatzeinbußen hinnehmen mussten. Nachdem die Kläger zunächst aufgrund von Bewilligungsbescheiden Soforthilfen in Höhe von jeweils 9.000,- Euro erhalten hatten, setzte die Behörde im Rahmen sog. Rückmeldeverfahren später die Höhe der Soforthilfe auf ca. 2.000 Euro fest und forderte etwa 7.000 Euro zurück. Das hat das VG Düsseldorf jetzt beanstandet und die Rückforderungsbescheide aufgehoben.
Auf die Förderpraxis kommt es an
Das VG Düsseldorf hat in den Musterverfahren betont:
Während des Bewilligungsverfahrens durften die Hilfeempfänger auf Grund von Formulierungen in online vom Land bereit gestellten Hinweisen, den Antragsvordrucken und den Zuwendungsbescheiden eher davon ausgehen, dass pandemiebedingte Umsatzausfälle für den Erhalt und das Behaltendürfen der Geldleistungen ausschlaggebend sein sollten. Demgegenüber stellte das Land bei Erlass der Schlussbescheide auf das Vorliegen eines Verlustes, also eines Liquiditätsengpasses ab, der eine Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Geschäftsbetriebes.
Das war rechtswidrig, weil diese Handhabung von der maßgeblichen Förderpraxis abwich. Ausserdem waren die ursprünglichen Bewilligungsbescheide hinsichtlich einer etwaigen Rückerstattungsverpflichtung auch missverständlich formuliert. Insbesondere konnten die Zuwendungsempfänger dem Inhalt der Bescheide nicht verlässlich entnehmen, nach welchen Parametern eine Rückzahlung zu berechnen ist.
Urteile könnten Breitenwirkung haben
Was ist nun das Besondere an den drei VG-Urteilen? Zunächst ist festzustellen, dass noch weitere rund 500 Verfahren zum gleichen Thema beim VG Düsseldorf anhängig sind. Sollten also die Entscheidungen auch vor dem OVG Münster Bestand haben, würden in der Folge eine ganze Flut von Schlussabrechnungsbescheiden aufgehoben werden müssen – jedenfalls in NRW.
Die Entscheidungen zeigen auch ein anderes Dilemma: Anders als bei zeitlichen späteren Überbrückungshilfen (einschließlich November- u Dezemberhilfen) sowie den Neustarthilfen war bei der Soforthilfe keine ex post Betrachtung von tatsächlichem Umsatzausfall und Fixkosten beim Antragsteller vorgesehen. Die Soforthilfe wurde vielmehr auf Basis einer Prognoseentscheidung über das Vorliegen eines Liquiditätsengpasses in den nächsten drei Monaten gewährt. Diese großzügige Förderpraxis erklärt, dass einige Länder wie etwa Bayern bei der Soforthilfe auf ein formalisiertes Schlussabrechnungsverfahren verzichtet und sich im Bewilligungsverfahren auf eine Plausibilitätskontrolle der gemachten Angaben beschränkt haben.
Konsequenz dieser unterschiedlichen Förderpraxis in den Ländern kann sein, dass Soforthilfeempfänger bei nicht offenbar fehlsamer Prognose ihres Liquiditätsengpasses die Fördermittel behalten dürfen, obwohl sich im Nachhinein ihre Prognose als falsch erwiesen hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Förderbescheid eine Auflage mit nachträglicher „Selbstprüfungspflicht“ und Rückzahlungspflicht bei Überzahlung vorsieht.
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
Die Schlussabrechnung der Corona-Wirtschaftshilfen – Praxishinweise für Bewilligungsempfänger und deren Berater, NWB 2022 S. 1707 (für Abonnenten kostenfrei)