Corona-Pandemie: Bundesgesetzgeber beschließt zivilrechtlichen Schutz von Verbrauchern und Kleinstunternehmen

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden inzwischen nicht nur bei gewerblichen Unternehmen, sondern auch bei privaten Verbrauchern sichtbar. Der Bundestag hat am 25.3.2020 u.a. für das Zivilrecht ein Gesetz (BT-Drs. 19/18110) verabschiedet, um zu verhindern, dass aufgrund von Corona-bedingten Zahlungsschwierigkeiten Kündigungen oder Vollstreckungsmaßnahmen bei Verträgen erfolgen, die für den notwendigen Lebensunterhalt wichtig sind, und so für die Betroffenen noch weiterer finanzieller Druck droht.

Hintergrund

Behörden haben auf Bundes- und Landesebene zur Eindämmung der Corona-Pandemie im März 2020 die Schließung einer Vielzahl von Einrichtungen, Gastronomiebetrieben und Einzelhandelsgeschäften angeordnet und öffentliche Veranstaltungen untersagt oder die Ausübung des Gewerbes beschränkt. Diese Maßnahmen haben bereits zu erheblichen Einkommensverlusten bei Personen führen, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Betrieb dieser Einrichtungen und Unternehmen oder aus öffentlichen Veranstaltungen bestritten haben. Verfügen diese Personen nicht über ausreichende finanzielle Rücklagen, werden sie bis zur Aufhebung der Maßnahmen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sein, ihre laufenden Verbindlichkeiten zu begleichen.

Neben wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen durch Kurzarbeitergeld, Kredite und Sofortzuschüsse hat der Bundestag für den Bereich des Zivilrechts nun ein Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen eingeführt, das betroffenen Verbrauchern und (Kleinst)Unternehmen einen Aufschub gewährt, die wegen der Corona-Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbringen können. Dieser gilt für Geldleistungen und andere Leistungen. Damit wird für Verbraucher und Kleinstunternehmen gewährleistet, dass sie etwa von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekommunikation, soweit zivilrechtlich geregelt auch Wasser) nicht abgeschnitten werden, weil sie ihren Zahlungspflichten krisenbedingt (vorübergehend) nicht erfüllen können.

Die Zustimmung des Bundesrates zum Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BT-Drs.19/18110 v. 24.3.2020) am 27.3.2020 gilt als sicher.

Welche Änderungen im Zivilrecht gibt es für Verbraucher und Kleinstunternehmer?

In Art. 240 EGBGB werden zeitlich befristet besondere Regelungen eingeführt, die Schuldnern, die wegen der Corona-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können,  die Möglichkeit einräumen, die Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen, insbesondere Kündigungen geknüpft werden. Im Einzelnen:

Dauerschuldverhältnisse:
Für private Verbraucher oder Kleinstunternehmen wird bei Dauerschuldverhältnissen ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt, wenn die vertraglichen Pflichten aufgrund der durch die Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse nicht erfüllt werden können. Zu den Dauerschuldverhältnissen zählen insbesondere Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom und Gas oder über Telekommunikationsdienste, soweit zivilrechtlich geregelt auch Verträge über die Wasserver- und -entsorgung. Es gelten folgende Maßgaben:

  • Neben Verbrauchern sind begünstigt Kleinstunternehmen, also Unternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu 2 Mio. Euro.
  • Das Leistungsverweigerungsrecht gilt nur in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 8.3.2020 geschlossen wurden.
  • Der Verbraucher oder Unternehmer, der wegen der Corona-Pandemie nicht leisten kann, muss sich ausdrücklich auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen und grundsätzlich auch belegen, dass er gerade deswegen nicht leisten kann. Die primäre Leistungspflicht bleibt also grundsätzlich bestehen und ist nach Ablauf des Moratoriums nachträglich zu erfüllen.
  • Leistungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits fällig waren, können mit Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts nicht mehr durchgesetzt werden. Der 30.6.2020 ist als Endpunkt des Moratoriums vorgesehen.

Mieten und Pachten:
Mietverhältnisse (oder Pachten) können bislang aus wichtigem Grund  bereits dann außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter (Pächter) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete (Pacht) oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete (Pacht) in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete (Pacht) in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete (Pacht) für zwei Monate erreicht (§ 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB). Für Corona-infizierte Miet- und Pachtverhältnisse gelten jetzt Besonderheiten:

  • Es wird ein zeitlich befristeter Kündigungsschutz sowohl für Wohnraum als auch für Gewerberäume eingeführt für den Fall, dass der Mieter (Pächter) aufgrund der Auswirkungen der Coronakrise seine Miete/Pacht nicht oder nicht vollständig zahlen kann. Das bedeutet: Eine Kündigung aus sonstigen Gründen bleibt – wie bisher – unberührt.
  • Leistet ein Mieter (Pächter) von Räumen oder von Grundstücken die im Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 fällige Miete ganz oder teilweise nicht, so soll der Vermieter das Mietverhältnis wegen dieser Rückstände nicht kündigen dürfen, wenn diese auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen. Dies soll ausdrücklich auch für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume, die keine Wohnräume sind, gelten. Der Mieter (Pächter) muss die Gründe für die Nichtzahlung aufgrund der Corona-Pandemie glaubhaft machen. Zur Glaubhaftmachung kann sich der Mieter entsprechender Nachweise, einer Versicherung an Eides Statt oder sonst geeigneter Mittel bedienen. Geeignete Mittel können insbesondere der Nachweis der Antragstellung beziehungsweise die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitsgebers oder andere Nachweise über das Einkommen beziehungsweise über den Verdienstausfall sein.
  • Mieter (Pächter) von Gewerbeimmobilien können darüber hinaus den Zusammenhang zwischen der Corona-Krise und Nichtleistung zum Beispiel regelmäßig mit Hinweis darauf glaubhaft machen, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des Corona-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist. Dies betrifft derzeit etwa alle Gewerbebetriebe, deren Betrieb durch den Beschluss des Bundes und der Länder vom 22.3.2020 in allen Bundesländern untersagt ist.
  • Wichtig: Die Regelung ist nur bis zum 30.6.2022 anwendbar. Dies bedeutet, dass wegen Zahlungsrückständen, die vom 1.4.2020 bis zum 30.6.2020 eingetreten und bis zum 30.6.2022 nicht ausgeglichen sind, nach diesem Tag wieder gekündigt werden kann. Damit haben Mieter und Pächter vom 30.6. 2020 an über zwei Jahre Zeit, einen zur Kündigung berechtigenden Miet- oder Pachtrückstand auszugleichen.

Verbraucherdarlehen:
Darlehensnehmer (Verbraucher) werden geschützt, wenn sie wegen Corona nicht in der Lage sind, ihre fälligen Darlehensraten zu zahlen. Das bedeutet:

  • Ansprüche von Darlehensgebern gegen Verbraucher, die im Zeitraum zwischen dem 1.4.2020 und dem 30.6.2020 fällig werden, sollen kraft Gesetzes gestundet werden. Dies gilt nicht für Sachdarlehen, Ratenzahlungsvereinbarungen und nur (leider!) für Verträge an Verbraucher (hier aber dann auch bei Immobiliendarlehen) und nur für Verträge, die vor dem 15.3.2020 geschlossen wurden.
  • Die Fälligkeit der Ansprüche, die im Zeitraum vom 1.4. bis 30.6.2020 zu erfüllen sind, wird um drei Monate hinausgeschoben. Ein Anspruch, der z.B. am 2.5.2020 fällig würde, wäre somit bis zum Ablauf des 1.8.2020 gestundet; seine Fälligkeit wird auf den 2.8.2020 verschoben.
  • Voraussetzung der Stundung ist zunächst, dass der Darlehensnehmer aufgrund der durch Corona verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat. Dies muss er darlegen und ggf. beweisen. Es wird dann vermutet, dass die Einnahmeausfälle durch die außergewöhnliche Corona-Situation bedingt sind. Ferner müssen die Einnahmeausfälle dazu führen, dass der Darlehensnehmer die geschuldete Leistung ohne Gefährdung seines oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner Unterhaltsberechtigten nicht zumutbar erbringen kann. Die Schwelle der relevanten Einnahmenminderung ist also nicht pauschal festgelegt, sondern vom individuellen Einzelfall abhängig. Der Darlehensnehmer hat die insoweit erforderlichen Nachweise zu erbringen. In der Regel wird dies dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihrer Bank Mitteilung machen werden, dass sie sich auf die gesetzliche Stundungswirkung berufen.
  • Im Anschluss an die gesetzliche Stundung von drei Monaten soll der Vertrag wie ursprünglich vereinbart fortgesetzt werden, nur die Fälligkeit der Leistungen wird um drei Monate verschoben. Das bedeutet, dass sich die Vertragslaufzeit insgesamt um drei Monate verlängert. Ein Darlehen, das somit zum 31.12.2021 rückzahlbar gewesen wäre, wird nach der Übergangsregelung also erst drei Monate später fällig.

Ausblick

Der Bundesrat muss dem Gesetzespaket, das im Weiteren noch insolvenzrechtliche, gesellschaftsrechtliche, infektionsschutzrechtliche und haushaltsrechtliche Gegenstände beinhaltet, am 27.3.2020 noch zustimmen. Hiervon ist aber auszugehen, wie das auch „im Schnelldurchlauf“ beim Kurzarbeitergeld der Fall war. Bei allen Regelungen behält sich die Bundesregierung im Übrigen vor, die Maßnahmen im Verordnungswege zu verlängern (Art.240 § 4 EGBGB). Die zeitlich befristeten Maßnahmen stellen zwar einen schwerwiegenden, aber dennoch verhältnismäßigen Eingriff in die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar, weil sie wegen der einzigartigen Situation nach der Corona-Pandemie unvermeidbar und notwendig sind. Sie schützen vor Insolvenz und sichern den lebensnotwendigen Geschäftsbetrieb von Kleinstunternehmen sinnvoll ab. Die Änderungen im EGBGB treten am 1.4.2020 in Kraft und am 30.9.2020 wieder außer Kraft.

Weitere Informationen:
BT-Drs.19/18110 v. 24.3.2020


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