Corona-Öffnungsverbot für großflächige Einzelhandelsgeschäfte mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche rechtmäßig

Das coronabedingte Verbot der Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche gem. der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung v. 17.4.2020 war nach Ansicht des BVerwG rechtmäßig (BVerwG v. 25.7.2024 – 3 CN 3.22)

Hintergrund

Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie beschäftigen die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen unverändert die Gerichte, vor allem im Arbeitsrecht, im Zivilrecht und auch im Verwaltungsrecht, wie ein neues BVerwG-Urteil belegt. Nach § 7 Abs. 2 SächsCoronaSchVO war die Öffnung von Ladengeschäften in Sachsen grundsätzlich untersagt. Ausgenommen waren Geschäfte für den täglichen Bedarf (wie zum Beispiel Lebensmittelhandel) und für die Grundversorgung notwendige Geschäfte (unter anderem Drogerien, Garten- und Baumärkte, Buchhandel). Öffnen durften auch Ladengeschäfte des Einzelhandels jeder Art bis zu einer Verkaufsfläche von 800 qm. Für Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandel sah § 7 Abs. 1 SächsCoronaSchVO hingegen gesonderte Beschränkungen vor. Die Verordnung galt vom 20.4. bis 3.5.2020.

Sachverhalt des Streitfalls

Die Antragstellerin betreibt einen Elektronikfachmarkt mit einer Verkaufsfläche von mehr als 1400 qm. Ihr Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO), mit dem sie die Feststellung begehrt hat, dass § 7 SächsCoronaSchVO unwirksam war, blieb vor dem Sächs. OVG (OVG Bautzen v. 17.5.2022 – OVG 3 C 16/20) ohne Erfolg. Jetzt blieb auch die Revision vor dem BVerwG erfolglos.

Entscheidung des BVerwG

Das BVerwG hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und unter Hinweis auf frühere Entscheidungen (BVerwG v. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21/Gastronomiebetriebe); BVerwG v. 21.6.2023 – 3 CN 1.22/Versammlungen). Festgestellt, dass Verbotsmaßnahmen in der Anfangsphase der Pandemie auf § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG in der Fassung v. 27.3.2020  gestützt werden konnten. die in § 7 Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO getroffenen Regelungen den Anforderungen an die Bestimmtheit aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Öffnungsverbote waren ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur pandemischen Lage im Frühjahr 2020 verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG.

Die Unterscheidung zwischen Ladengeschäften des Einzelhandels mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche (großflächige Geschäfte), die mit Ausnahme der in § 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 2 SächsCoronaSchVO genannten Geschäfte schließen mussten, und Ladengeschäften mit maximal 800 qm Verkaufsfläche, die unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SächsCoronaSchVO öffnen durften, war nach Ansicht des BVerwG auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar (Art. 3 Abs. 1 GG).

Der Verordnungsgeber durfte als tragfähigen Differenzierungsgrund annehmen, dass großflächige Geschäfte aufgrund ihres umfangreicheren Warenangebots regelmäßig eine größere Attraktivität und Anziehungswirkung für Kunden haben als kleinere Geschäfte. Daher komme es bei Zulassung ihrer Öffnung zu einer Vielzahl zusätzlicher physischer Kontakte von Menschen auch auf den Wegen von und zu den Geschäften und damit zu einer Erhöhung des Infektionsrisikos. Die Verkaufsfläche ist nach Ansicht des BVerwG ein Maß, um die Attraktivität eines Geschäfts „typisierend“ zu erfassen. Die vom Verordnungsgeber gewählte Grenze von 800 qm für die Ausnahme vom Öffnungsverbot war in der damaligen Pandemiesituation von seinem Einschätzungsspielraum gedeckt. Das gilt auch für das Verbot, die Verkaufsfläche durch Absperrung auf 800 qm zu reduzieren.

Einordnung und Bewertung

Die aktuelle BVerwG-Entscheidung betrifft zeitliche noch die erste Pandemiewelle vom Frühjahr 2020, fügt sich aber nahtlos in die bisherige Rechtsprechungsrichtlinie des BVerwG zu Corona-Beschränkungen ein. Auch zur zweiten Corona-Welle im Herbst 2020 hat das BVerwG (v. 16.5.2023 – 3 CN 4 und 5.22 – Gastronomiebetriebe) bekräftigt, dass Betriebsbeschränkungen auf Basis von §§ 28 Abs.1 S. 1, 32 S.1 IfSG zulässig waren. Das galt auch in gleicher Weise für Einrichtungen des Freizeitsports (BVerwG v. 15.2023 – 3 CN 6.22). Der Staat war für die Dauer der Schließungen auch nicht verpflichtet, Gewerbetreibende zu entschädigen (BGH v. 11.5.2023 – III ZR 41/22).

Weitere Informationen:
Corona | Verbot der Öffnung von Einzelhandelsgeschäften mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche (BVerwG)07

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