Von der Corona-Krise betroffene Unternehmen könnten nach Berechnungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) durch das Vorziehen von Steuererstattungen erheblich entlastet werden – durch einen vorgezogenen Verlustrücktrag.
Hintergrund
Zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben Bund und Länder neben finanziellen Hilfen in Form von (Sofort-)Krediten von KfW und LfA, Bürgschaften und nicht rückzahlbaren Sofortzuschüssen umfangreiche steuerliche Maßnahmen beschlossen, die die Liquidität der Unternehmen schonen sollen. Hierzu zählen – wie ich berichtet habe – Steuerstundungen, Erleichterungen bei Vorauszahlungen, befristeter Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen oder die steuerliche Anerkennung von Corona-bedingten Ausgaben für gesellschaftliches Engagement auf dem Gemeinnützigkeitssektor. Über diese bisherigen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen informiert das BMF auf seiner Website fortlaufend im Bereich FAQ „Corona“ (Steuern).
Jetzt haben der DIHK und andere Spitzenverbände der Wirtschaft einen (zeitlich befristeten) „vorgezogenen Verlustrücktrag“ vorgeschlagen. Warum hilft das?
Verlustrücktrag statt Steuerrückerstattung
Sofortzuschüsse oder Kredite haben den Nachteil, dass damit für den Unternehmer Bürokratie und Nachweispflichten verbunden sind, ehe Geld auf den Betriebskonten landet. Besser als neue Mittel des Staates zu beantragen und auf deren Auszahlung zu warten wäre demgegenüber Unternehmen erst gar nicht Liquidität zu entziehen oder abgeflossene Liquidität in Form von Steuerzahlungen durch Verrechnung den Unternehmenskassen wieder zufließen zu lassen.
Aufgrund der hervorragenden Konjunktur in den letzten Jahren sind dem Fiskus überproportionale Steuereinnahmen zugeflossen, umgekehrt haben viele Unternehmen zu Hochkonjunkturzeiten satte Steuern bezahlt, zuletzt auch in Form von Vorauszahlungen auf künftige Steuerlasten zu einer Zeit, zu der noch niemand an die Corona-Pandemie dachte.
Was der Gesetzgeber ändern müsste und welche Wirkung das hätte
Schon jetzt gilt: Hat ein Steuerpflichtiger Verluste hinnehmen müssen, so hat er die Möglichkeit, diese in das Vorjahr zurücktragen zu lassen und dabei die berücksichtige Höhe des Betrages selbst zu bestimmen. Der Verlustrücktrag ist eine Form des Verlustabzugs. Der Verlustrücktrag ist nur bei der Einkommensteuer (§ 10d EStG) und Körperschaftsteuer (§ 8 KStG) möglich, jedoch bei der Gewerbesteuer ist es nach § 10a GewStG verboten. Nach §10d Abs. 1 EStG ist der Verlustrücktrag auf 1 Mio. Euro beschränkt, für gemeinsam veranlagte Ehegatten gilt entsprechend die Summe von 2 Mio. Euro als Höchstgrenze. Der Haken ist aber, dass sich der Verlust in der festgestellten Höhe erst nach Ablauf des VZ auswirkt, also z.B. bei der Steuererklärung für 2020 erst in 2021.
Um schnell Liquidität in den Unternehmenskassen zu schaffen, müssten lediglich die Regelungen zum sogenannten Verlustrücktrag einmalig und ausnahmsweise so geändert werden, dass die aktuellen krisenbedingten Verluste schon im laufenden Jahr mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnet werden können. Damit bekämen Betriebe jetzt dringend benötigte Liquidität aus Rückerstattungen des Finanzamts, die ihnen im nächsten Jahr (2021) nach einem „verhagelten“ Jahr 2020 ohnehin zustünden. Dadurch könnten viele (auch kleinere) Betriebe vier- oder fünfstellige Beträge schon jetzt vom Finanzamt zurückerhalten und müssten nicht bis 2021 warten; sie würden damit auch ihrer im laufenden Jahr deutlich verschlechterten steuerlichen Leistungsfähigkeit veranlagt.
Beispiel: GmbH mit 100.000 Euro Jahresgewinn könnte 15.000 Euro erstattet erhalten
Der DIHK hat hierzu eine Beispielrechnung erstellt, die sich auf ein Hotel oder ein Einzelhandelsgeschäft in der Rechtsform einer GmbH mit zehn Mitarbeitern bezieht: Bei einem Jahresgewinn (vor Steuern) von jeweils 100.000 Euro in den Jahren 2018 und 2019 sowie einem voraussichtlichen Verlust von 50.000 Euro im Corona-Jahr 2020 könnte ein solches Unternehmen 15.000 Euro erstattet bekommen, wenn das Finanzamt seinen Verlustrücktrag schon im laufenden Jahr berücksichtigen würde. Die Erstattung ergibt sich hierbei dadurch, dass der Gewinn des Jahres 2019 mit den Verlusten des laufenden Jahres und den bereits – vor Corona geleisteten Steuervorauszahlungen verrechnet wird. Das würde mit Abgabe der Steuererklärung 2020 ohnehin passieren.
Der zeitlich begrenzte Verlustrücktrag in einem modifizierten Verfahren hätte folgende weiteren Vorteile:
- Der Staat „verschenkt“ nicht „ins Blaue hinein“ Steuern, da die begünstigten Unternehmen ihre Bonität durch Gewinne und entsprechend hohe Steuerzahlungen in der jüngeren Vergangenheit untermauert haben.
- Die Unternehmen erhalten hiermit einen Anspruch auf Steuererstattung, den sie in Kreditverhandlungen mit den Banken kurzfristig nutzen können. Diese werthaltigen Forderungen gegenüber dem Fiskus würden den Banken eine erhebliche Ausweitung der Unternehmenskredite in Eigenregie ermöglichen.
- Die öffentlichen Mittel werden zielgerichtet in Unternehmen investiert, die ein stabiles und nachhaltiges Geschäftsmodell betreiben und durch die Krise unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.
- Verfahrensrechtliche Voraussetzung für einen schnellen Rückfluss von Verlustrückträgen wäre ein Feststellungsverfahren, das an eine begründete Prognose von Verlusten geknüpft wird, die zu einer Änderung der Vorjahresbescheide führt.
- Noch zielführender wäre Verluste nicht nur ein, sondern mehrere Jahre zurückzutragen. Dann wäre noch mehr Betrieben schnell geholfen, die beispielsweise zwar nicht in 2019, wohl aber in 2018 infolge hoher Gewinne kräftig Steuern gezahlt haben. Hierbei bestünde auch die Möglichkeit, die Finanzierung im Laufe des Jahres zu überprüfen, wenn etwa quartalsweise eine Planung einzureichen und durch das Unternehmen bei Bedarf anzupassen ist. Spätestens im Rahmen der Unternehmensabschlüsse 2020 könnte der Antrag dem Grunde und der Höhe nach korrigiert werden; damit würden Risiken der Höhe nach von Anfang an begrenzt.
Quelle
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