Corona-Krise: Bundestag beschließt finanziellen Schutzschirm für Kommunen

Der Deutsche Bundestag hat am 10.9.2020 auf Empfehlung des Haushaltsausschusses einen milliardenschweren Schutzschirm für Kommunen und die ostdeutschen Länder zur Linderung der finanziellen Folgen der Corona-Krise in erster Lesung beschlossen (BT-Drs. 19/21752 und 19/753). Von der Kompensation der Gewerbesteuerausfälle profitieren nicht nur die Kommunen, sondern auch die Wirtschaft – hoffentlich!

Hintergrund

Acht Jahre in Folge haben die Kommunen in ihrer Gesamtheit zum Teil deutliche Finanzierungsüberschüsse erzielt, zuletzt in allen Ländern. Nach Finanzierungsüberschüssen in Höhe von 9,4 Mrd. Euro im Jahr 2017 und 8,7 Mrd. Euro im Jahr 2018 lag der Überschuss im Jahr 2019 immer noch bei 4,5 Mrd. Euro (BT-Drs. 19/21407).

Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Die Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie betreffen kurzfristig und unmittelbar die Haushalte aller Gemeinden und Gemeindeverbände in Deutschland. Vor allem sind erhebliche Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer zu erwarten. Zudem sind viele Gemeinden und Gemeindeverbände mit hohen Sozialausgaben belastet. Beides hat zur Folge, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände ihre Aufgaben nicht mehr umfänglich erfüllen können. Hinzu kommt: Der von den neuen Ländern zu tragende Anteil an den Erstattungen für die Aufwendungen der Rentenversicherung aus den Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR schränkt die Möglichkeiten der notwendigen Unterstützung ihrer Gemeinden und Gemeindeverbände ein. Das will der Bund jetzt ändern: Mit einem finanziellen Schutzschirm, der beim Bund zu Mehrausgaben von 6,134 Mrd. Euro führt, bei den Ländern zu weiteren 4,834 Mrd. Euro.

Inhalt des Corona-Schutzschirms für Kommunen und ostdeutsche Länder

Das Gesetzespaket hat folgenden wesentlichen Inhalt:

  • Ausgleich von Gewerbesteuermindereinnahmen: Zur Stärkung ihrer durch die Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechterten Finanzlage gewährt der Bund allen Gemeinden für die im Jahr 2020 zu erwartenden Gewerbesteuermindereinnahmen zu gleichen Teilen mit dem jeweiligen Land einen pauschalen Ausgleich auf Basis von Artikel 143h des Grundgesetzes. Hierzu erhalten die Länder aus dem Bundeshaushalt einen Betrag in Höhe von insgesamt 6,134 Mrd. Euro. Hierzu soll eine Klarstellung in Art. 143 h GG erfolgen, der am 31.12.2020 wieder außer Kraft treten soll. Damit will die Bundesregierung ermöglichen, dass den Kommunen und Städten in diesem Jahr einmalig die erwarteten Mindereinnahmen bei den Gewerbesteuereinnahmen ausgeglichen werden können.
  • Kosten der Grundsicherung für Arbeitssuchende: Zur weiteren Stärkung der Finanzkraft der Kommunen wird der Bund dauerhaft weitere 25 Prozent und insgesamt bis zu 74 Prozent der Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende übernehmen. Damit wird das Konnexitätsprinzip gestärkt: Wenn der Bund den Kommunen Aufgaben zuweist, muss er sie auch finanzieren. Die Ausgaben des Bundes für die Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung steigen hierbei um rund 3,4 Mrd. Euro pro Jahr; die Kreise und kreisfreien Städte werden im gleichen Umfang entlastet. Zu diesem Zweck soll Art.104a GG ergänzt werden (BT-Drs. 19/21752).
  • Finanzielle Versorgungslasten im (ehemaligen) Beitrittsgebiet: Der von den Ländern im Beitrittsgebiet zu tragende Anteil an den Erstattungen für die Aufwendungen der Rentenversicherung aus den Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR wird von 60 Prozent auf 50 Prozent reduziert. Der Anteil des Bundes steigt entsprechend von 40 Prozent auf 50 Prozent. Damit werden die Haushalte der neuen Länder deutlich entlastet, so dass finanzielle Spielräume zur Stärkung der kommunalen Investitionen entstehen.

Nach der ersten Lesung im Bundestag vom 10.9.2020 und der erfolgten Überweisung im vereinfachten Verfahren sollen die weiteren Lesungen zeitnah erfolgen, damit das Gesetzespaket zügig in Kraft treten kann.

Auswirkungen auf die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen

Für die Kommunen beinhaltet die Entscheidung des Bundestages ein überaus positives Signal: Für die Gemeinden ergeben sich durch den pauschalen Ausgleich der gemeindlichen Gewerbesteuermindereinnahmen im Jahr 2020 Mehreinnahmen in Höhe von 10,968 Milliarden Euro. Die letzten Ergebnisse der Steuerschätzung zu dem Gewerbesteueraufkommen 2020 vor Ausbruch der COVID19-Pandemie stammen vom 31.10.2019. Demgegenüber stehen die Ergebnisse der Steuerschätzung vom 14.5.2020, welche das Gewerbesteueraufkommen 2020 unter Berücksichtigung der in der Frühjahresprognose 2020 der Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgebildeten wirtschaftlichen Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie abschätzen. Die dieser Regelung zugrundeliegenden Gewerbesteuermindereinnahmen der Gemeinden in Höhe von insgesamt 11,817 Mrd. Euro sind die Grundlage des jetzigen Ausgleichsvolumens, das die geschätzten Gewerbesteuerausfälle annähernd kompensieren soll. Der Gesetzentwurf sieht dabei nur die anteilige Verteilung der Bundesmittel von 6,134 Mrd. Euro auf die Länder vor; die Verteilung des Aufkommens auf die Kommunen bleibt einer Länderregelung vorbehalten. Und ganz wichtig: Die Mittel sollen den Kommunen noch im Jahr 2020 zufließen!

Bewertung

Zu begrüßen ist, dass der Bund sich nunmehr im Angesicht der Corona-Krise durchringt, sich stärker an der Finanzierung der Aufgaben der Grundsicherung zu beteiligen, die er den Kommunen zur Erledigung überträgt; dieser Schritt war überfällig. Auch aus Sicht der Wirtschaft noch wichtiger ist aber, dass die Kommunen in der Corona-Krise nicht auch noch bei der Gewerbesteuer vollends unter die Räder geraten: Denn die Gewerbesteuer ist und bleibt die stärkste Finanzierungsquelle der Kommunen, sie ist das Band zwischen Kommune und Unternehmen am Standort, die zur Finanzierung der Infrastruktur die Gewerbesteuer an ihre Betriebsstättengemeinde zahlen. Gehen coronabedingt Umsätze und damit auch Gewerbeerträge bzw. steuerliche Gewinne zurück, sinkt naturgemäß auch das Gewerbesteueraufkommen in der Ansiedlungsgemeinde. In einer solchen Situation bliebe den Kommunen kein anderer Ausweg als an der kommunalen „Steuerschraube“ zu drehen und die Gewerbesteuerhebesätze anzuheben. Das aber wäre ein fatales, ein falsches Signal an die Wirtschaft. So betrachtet profitieren vom jetzigen Gesetzespaket nicht nur die Kommunen, sondern auch mittelbar die Wirtschaft, auch wenn die Wohltat der Politik später aus Steueraufkommen refinanziert werden muss. Durch die pauschale Erstattung des Gewerbesteuerausfalls wird gewährleistet, dass die Gemeinden auch in den konjunkturell schwierigen Zeiten die Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich regeln können. Gut so!

Quellen

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