Corona-InfSMV: VG Augsburg kippt Verkaufsverbot für Teilsortiment von Supermarkt

Das Augsburger Verwaltungsgericht hat ein Corona-Verkaufsverbot für Teile des Sortiments eines großen Supermarkts gekippt (VG Augsburg v. 21.1.2021 – AU 9 21.94). Supermärkte dürfen deshalb in Bayern seit 21.1.2021 wieder Artikel wie Haushaltswaren, Spielzeug und Sportartikel verkaufen, sofern diese zum „üblichen Sortiment“ gehören.

Hintergrund

Vor dem Hintergrund des Corona-Infektionsgeschehens erlassen die Länder nach Maßgabe der zuvor erfolgten politischen Abstimmungen von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten (MPK-Beschlüsse) auf Basis des Bundes-Infektionsschutzgesetzes (IfSG) auf Länderebene Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnungen. Diese Regelungen beschränken nicht nur das öffentliche und private Leben, sondern vor allem auch den Betrieb von Wirtschaftsbetrieben durch teilweise oder vollständige Schließungsanordnungen.

Nach § 12 Abs. 1 S. 1 der 11. Bay.Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – BayIfSMV- v. 15.12.2020 (BayMBl. Nr. 737, BayRS 2126-1-15-G) ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr grundsätzlich untersagt. Für Ladengeschäfte, die nach S. 2 ausnahmsweise während des Lockdowns geöffnet sein dürfen gilt, dass der Verkauf von „Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, untersagt ist“ (S.3). Was das im Einzelnen in der Praxis bedeutet, wird in sog. FAQ (FAQ Corona-Krise und Wirtschaft (Stand 15.01.2021), ehemals „Positivliste“ (bayern.de) erläutert.

Sachverhalt und Entscheidung des VG Augsburg

Die Stadt Kempten hatte sich bei der Absperrung von Non-Food-Bereichen in einem Allgäuer Supermarkt an Erläuterungen in den FAQ des Bay. Gesundheitsministeriums zur entsprechenden 11. BayIfSMV orientiert. Danach dürfen große Mischbetriebe Artikel wie Spielzeug, Sportkleidung oder Küchengeräte nicht verkaufen, wenn deren Bereiche räumlich gut vom Lebensmittelangebot abgrenzbar sind. Maßgeblich sei bei der rechtlichen Beurteilung aber nur die Rechtsverordnung meint jetzt das VG Augsburg, FAQ des Ministeriums sind nicht relevant.

Nach Ansicht des VG Augsburg erlaubt die Bay.IfSMV den Verkauf von Waren, die nicht „über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen“. Dazu gehörten auch Artikel, die keine Lebensmittel sind. Konsequenz: Artikel wie Haushaltswaren, Spielzeug und Sportartikel verkaufen, sofern diese zum „üblichen Sortiment“ gehören.

Praktische Auswirkungen der Entscheidung

Der Beschluss ist zwar noch nicht rechtskräftig. Die beklagte Stadt Kempten hat aber angekündigt, keine Beschwerde gegen den Beschluss einlegen zu wollen. Die Eilentscheidung wirkt zwar nur unmittelbar zwischen den Beteiligten (§ 121 VwGO). Sie ist aber ein wichtiges Signal und somit eine Referenzentscheidung für andere Verwaltungsgerichte jedenfalls in Bayern.

Schon in der Vergangenheit haben immer wieder Verwaltungsgerichte Corona-Beschränkungsmaßnahmen für Läden beanstandet, weil Flächen- oder Sortimentsbeschränkungen nicht geeignet sind, um vor Corona zu schützen (Auflistung s.u.*). Jetzt bestätigt das VG Augsburg auch für die aktuelle BayIfSMV, dass Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG) zweckgeeignet und verhältnismäßig sein müssen. Auch der beabsichtigte Infektionsschutz rechtfertigt also nicht jede Eingriffsmaßnahme. Interessant ist vor allem der Hinweis des Gerichts, dass nur die Rechtsverordnung selbst den Eingriffsrahmen beschreibt, also die „FAQ irrelevant“ sind.

Das bedeutet: FAQ sind als Verwaltungsinternum nur eine Richtschnur für die vollziehenden Behörden, binden aber nicht ohne weiteres auch Unternehmer (oder Private), erst recht nicht Gerichte. Diese Erkenntnis ist auch für andere Corona-Regelungsbereiche erhellend, in denen staatliche Maßnahmenpakete durch FAQ der Ministerien konkretisiert werden.

Abgewartet werden muss nun, wie das zuständige Bay. Gesundheitsministerium mit diesem „Rüffel“ des Gerichts umgeht. Eine Option wäre eine großzügigere Anpassung der FAQ, um auch den stationären Facheinzelhandel nicht über Gebühr zu benachteiligen.

Quellen

11. BayIfSMV: Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) Vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 737) BayRS 2126-1-15-G (§§ 1–29) – Bürgerservice (gesetze-bayern.de)

FAQ Corona-Krise und Wirtschaft (Stand 15.01.2021), ehemals „Positivliste“ (bayern.de)

*Auflistung Urteile:

VG Hamburg v. 27.4.2020 – 3 E 1675/20;
VG Sigmaringen v. 21.4.2020 -14 K 1360/20;
VG Würzburg v. 24.4.2020 – W 4 E 20.572;
VG Bayreuth v. 27.4.2020 – B 7 E 20.388;
Bay.VGH v. 27.4.2020 – 20 NE 20.793

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