Corona-Impfschaden: Müssen Impfstoffhersteller haften?

Bei Corona-Impfschäden gehen Geschädigte bislang meist leer aus. Ein Verfahren vor dem OLG Bamberg könnte jetzt aber eine Wende bedeuten und zu einer Prozessflut führen. Worum geht es?

Hintergrund

Der Begriff „Impfschaden“ steht für gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung („Impfkomplikation”), § 2 Nr.11 IfSG. Im Streitfall hatte sich die Klägerin im März 2021 mit dem damals einzig verfügbaren Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca impfen lassen. Im Anschluss hatte sie eine sogenannte Darmvenenthrombose erlitten und fiel ins Koma.  Letztlich musste ihr ein wesentlicher Teil des Darms entfernt werden.

Wegen dieser massiven Gesundheitsschäden klagt AstraZeneca derzeit vor dem OLG Bamberg (4 U 15/23 e); vor dem LG Hof war sie noch unterlegen. Sie fordert insgesamt bis zu 600.000 Euro als Schmerzensgeld sowie als Schadensersatz für künftige Beeinträchtigungen. Sie macht geltend: Die schweren Gesundheitsschäden lassen sich auf die Impfung mit dem Corona-Vakzin von AstraZeneca zurückführen und in dem Wissen über eine mögliche Darmvenenthrombose hätte sie sich nicht impfen lassen.

OLG Bamberg holt Sachverständigengutachten ein

Das OLG Bamberg hat jetzt im August einen Hinweisbeschluss erlassen und will ein Sachverständigengutachten zur Frage möglicher Aufklärungspflichten im „Beipackzettel“ einholen. Eine Haftung wegen eines Produktfehlers siehat das OLG offenbar nicht: Dass der Impfstoff„“schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehe““ (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz -AMG). Diese Voraussetzung liegt nämlich nur vor, wenn die Risiken der Einnahme des Arzneimittels den gesamtgesellschaftlichen Nutzen überwiegen.

Dass die AstraZeneca-Breitenimpfung mehr Schaden verursacht hätte, als sie die Bevölkerung vor den Folgen einer schweren Covid19-Infektion geschützt und bei der Eindämmung der Pandemie geholfen hat, ist aber nicht ersichtlich. Aber: Wurde die Klägerin vor der Impfung hinreichend informiert? Am Ende soll schließlich jeder selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt oder nicht. Das aber setzt eine ausreichende Information des Patienten voraus, vor allem im Beipackzettel, der wesentliche Risiken und Nebenwirkungen beschreiben muss.

Daran könnte es im Streitfall fehlen, weil zum Zeitpunkt der Impfung das Krankheitsbild der Klägerin zwar schon bekannt war, aber noch als zu vernachlässigende Nebenwirkung eingestuft war. Die Frage vor dem OLG Bamberg wird also sein, ob eine Aufklärung über dieses Risiko nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand geboten war.

Auswirkungen auf die Praxis

Bei einem Impfschaden kommen gegen die öffentliche Hand in aller Regel nur beschränkte Ansprüche auf Pflege- oder Versorgungsgeld in Betracht, jedenfalls aber kein Schmerzensgeld. Im Zivilrecht sieht das anders aus:  Kann ein Geschädigter eine Schädigung durch einen (Corona-) Impfstoff nachweisen, kommen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller des Impfstoffs in Betracht, etwa für Heilkosten- und Krankenbehandlung, Haushaltsführungskosten, Verdienstausfall, Pflegekosten oder Schmerzensgeld.

Impfschäden im Zuge der Corona-Pandemie-Bekämpfung weisen aber eine Besonderheit auf: In einer damaligen Verordnung der Bundesregierung, der MedVBSV, war eine Gefährdungshaftung der Hersteller unter den besonderen Bedingungen der Pandemie weitgehend ausgeschlossen worden; andernfalls wären die Hersteller das Risiko eines sehr frühen Produktstarts nicht eingegangen. Die vom OLG Bamberg zu beantwortende Frage wird also sein, ob ein solches Vorgehen des Bundes unzulässig war, weil hierdurch Ansprüche von Dritten ausgeschlossen wurden.

Sollte das OLG Bamberg auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens zur Ansicht gelangen, dass über die streitgegenständliche Nebenwirkung hätte aufgeklärt werden müssen, hätte ein stattgebendes Urteil für viele Vergleichsfälle Signalwirkung: Medienberichten zufolge sind bislang bundesweit rund 9.000 Impfschadensfälle bekannt, von denen aber weniger als 300 als Impfschaden anerkannt wurden. Das könnte sich wegen Verletzung etwaiger Informationspflichten durch Impfstoff-Hersteller ändern.

Quellen

  • OLG Bamberg – 4 U 15/23 e
  • LG Hof v. 3.1.2023 – 15 O 22/21
  • MedVBSV v. 25.5.2020, BAnz AT 26.5.2020 V 1, zuletzt geändert durch Gesetz v. 16.9.2022, BGBl 2022 I S. 1454.

 

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