Teil-Lockdown, Betriebsschließungen und sterbende Innenstädte: Einer der besten Problemlöser in der Corona-Pandemie könnten staatliche Finanzhilfen sein. Doch das Geld kommt bislang bei Unternehmen, Einrichtungen und Selbständigen nicht an. Eine Zwischenbilanz.
Hintergrund
Die Corona-Pandemie hat seit März 2020 Deutschland fest im Griff. Folge steigender Infektionszahlen sind Restriktionsmaßnahmen der Politik. Zuletzt haben sich Bund und Länder auf einen „Lockdown light“ verständigt, der mit umfangreichen Kontaktbeschränkungen und Betriebsschließungen seit 2.11.2020 bis zunächst Ende November 2020 gilt. Die durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in der Wirtschaft aufgetretenen Liquiditäts- und Finanzierungsengpässe versucht die Politik durch umfangreiche und sehr kostspielige Finanzprogramme von Steuerstundungen bis hin zum Kurzarbeitergeld zu lindern. Für Selbständige, Einrichtungen und Unternehmen spielen unmittelbare Finanzhilfen aber eine besondere Rolle, weil sie die Liquidität stärken.
Seit März 2020 war dies zunächst die Soforthilfe, im Anschluss die Überbrückungshilfe I, seit Oktober die Überbrückungshilfe II und seit November 2020 die außerordentliche Wirtschaftshilfe des Bundes (sog. Novemberhilfe). Aber wie sieht die Zwischenbilanz aus?
Abruf von Corona-Finanzhilfen stockt
Eine Zwischenbilanz nach einem guten halben Jahr bestätigt: Gut gemeinte Finanzhilfen des Bundes kommen bei der Zielgruppe entweder gar nicht oder zu spät an.
- Soforthilfen:
Anträge aus dem Soforthilfeprogramm des Bundes konnten von KMU bis zum 31.5.2020 gestellt werden. Je nach Mitarbeiterzahl konnten KMU zwischen 9.000 € bis 15.000 € Soforthilfe beantragen, ggf. aus Landesmitteln auch zusätzliche höhere Beträge. Bis Ende September 2020 wurden aber nur 1,8 Mio. Anträge mit einem Gesamtvolumen von 13,8 Mrd. € bewilligt, deutlich weniger als an Mitteln zur Verfügung stand.
- Überbrückungshilfe I:
Anträge konnten bis zum 9.10.2020 gestellt werden. Bis Mitte Oktober haben Unternehmen insgesamt 954,4 Mio. € an Überbrückungshilfe I – Unterstützung wegen der Corona-Krise in Anspruch genommen. Die Summe bezieht sich auf den Förderzeitraum Juni bis August 2020, hat die Bundesregierung in der Antwort (BT Drs. 19/23896) auf eine Kleine Anfrage (BT-Drucks. 19/23288) der FDP-Fraktion erklärt. Per 10.11.2020 wurden 127.600 Erstanträge mit einem Volumen von 1,534 Mrd. Euro gestellt, von denen ca. 1,338 Mrd. Euro bewilligt wurden; die durchschnittliche Förderung betrug rd. 12.100 Euro. Insgesamt stand allerdings ein Volumen von 24,6 Mrd. Euro an Bundesmitteln zur Verfügung.
- Überbrückungshilfe II:
Das Antragsverfahren für die Phase 2 (Fördermonate September bis Dezember 2020) ist am 21.10.2020 gestartet. Bis zum 10.11.2020 wurden bundesweit 8.904 Anträge mit einem Volumen von 245 Mio. Euro gestellt. Da der technische Dienstleister des BMWi das erforderliche Bearbeitungsprogramm noch nicht zur Verfügung gestellt hat, ist bislang (Stand 12.11.2020) allerdings eine Antragsbearbeitung, erst recht keine Auszahlung von Überhilfe II möglich.
- Novemberhilfe:
Seit 5.11.2020 hat das BMF „offiziell“ auf seiner Website die „außerordentliche Wirtschaftshilfe“ (Novemberhilfe) für alle Unternehmen, Selbständigen und Einrichtungen angekündigt, die von dem seit 2.11.2020 vorerst bis Ende November von Schließungsmaßnahmen betroffen sind und deshalb coronabedingt aufgrund staatlicher Anordnung einen gravierenden Umsatzverlust erleiden. Diese Unternehmen und weiteren Antragsteller erhalten auf Antrag für den Monat November 2020 eine pauschale Erstattung bis 75 Prozent des Umsatzes aus November 2019. Allerdings: Obwohl eine „schnelle“ und „unbürokratische“ Hilfe angekündigt war, können bis Mitte November 2020 nicht einmal Anträge über das entsprechende online-Portal gestellt werden.
Bewertung
Die Corona-Finanzhilfen sind in der Krise ein wichtiges Mittel, um die Liquidität von Unternehmen, Selbständigen und Einrichtungen zu sichern und damit auch deren wirtschaftliches Überleben in der Krise. Die Zwischenbilanz belegt aber leider, dass die Hilfen nicht in gewünschtem Umfang ankommen. Dies liegt einmal an zu strengen Zutrittsvoraussetzungen (Überbrückungshilfe II), vor allem aber bürokratischen Erschwernissen und Nachweispflichten potentieller Antragsteller (Überbrückungshilfe I und II).
Die Novemberhilfe käme als dringend benötigte Finanzspritze bei der Zielgruppe viel schneller an, wenn die Antragstellung, Bewilligung und Auszahlung über die Finanzverwaltung erfolgen würden. Denn keine andere Stelle verfügt sofort zugriffsfähig über die Umsatzdaten vom November 2019, die Grundlage der Novemberhilfe ist. Dass dies nicht möglich sein soll, weil die Finanzverwaltung die Anrechnung anderer Leistungen für denselben Zeitraum (Überbrückungshilfe, Kurzarbeitergeld) angeblich nicht bewältigen kann, mutet als Armutszeugnis an.
Folge ist, dass bei realistischer Betrachtung der ausstehenden Prozesse und Auszahlungen aus der „schnell“ angekündigten Novemberhilfe eher eine „Dezemberhilfe“ werden dürfte Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass der Bund aus den bisherigen „Strickfehlern“ lernt und bei der angekündigten Überbrückungshilfe III in Bezug auf den Kreis der Antragsberechtigten und beim Bewilligungs- und Auszahlungsverhalten Fortschritte erzielt.
Quellen
Lesen Sie hierzu auch unsere NWB-Online Nachricht v. 11.11.2020
Gerade bei Novemberhilfe und Überbrückungshilfe II zeigt sich, dass erst große Ankündigungen erfolgen. Sich dann aber Wirtschafts- und Finanzministerium bei der Umsetzung fast vollständig zurückziehen (außer das regelmäßig neue FAQs kommen, auch so eine neue Unsitte in 2020, man stelle sich vor, der Umsatzsteueranwendungserlass kommt zukünftig nur noch als FAQ mit ständigen undokumentierten Änderungen). Bis heute gibt es meines Wissens noch keine Möglichkeit z.B. als Soloselbstständiger Abschlagszahlungen zu beantragen.