ProSieben arbeitet derzeit einen Compliance-Fall auf. Worum es geht? Die Erlebnisgutscheine der Jochen Schweizer Maydays-Gruppe unterliegen offenbar der Regulierung der BaFin. Genau genommen dem ZAG, dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz. Hat EY als Abschlussprüfer hier gepennt? Ich bezweifle das.
Worum es eigentlich geht
Das Problem sind die Erlebnisgutscheine mit einem Gutscheinwert von mehr als 250 Euro. Sie können den Charakter von E-Geld haben, da sie bei verschiedenen Anbietern eingelöst werden können. Als Folge unterliegen sie damit der Regulierung der BaFin.
Und wo ist jetzt da Problem? Die Regulatorik wurde von ProSieben so nicht umgesetzt. Durch einen Hinweisgeber an den Abschlussprüfer EY im letzten Jahr ist dies aufgefallen.
Und wie ist der aktuelle Stand? Inzwischen wurden die Gutscheine so angepasst, dass diese nicht mehr der Regulierung der BaFin unterliegen. Auch beim internen Kontrollsystem gab es Anpassungen, derzeit läuft die interne Aufarbeitung. So geht es unter anderem um die Frage, ob ehemalige Vorstandsmitglieder ihre Pflichten verletzt haben und dadurch Schäden verursacht haben.
Wieso EY nicht gepennt hat
Hätte dies dem Abschlussprüfer nicht auffallen müssen? Spannende Frage. Hier zeigt sich das Problem mit der sog. Erwartungslücke: Es gibt Abweichungen zwischen dem Prüfungsauftrag des Abschlussprüfers und den Erwartungen der Öffentlichkeit. Was dies für den Fall von ProSieben bedeutet? Der Abschlussprüfer überprüft die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften. „Die Überprüfung der Einhaltung anderer Gesetze ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Abschlussprüfung. Sollte der Abschlussprüfer davon erfahren, dass das Unternehmen gegen andere Gesetze verstoßen hat, muss er dies jedoch entsprechend melden“, so mein Zitat im Finance-Magazin.
Bei der Ausgabe von Gutscheinen denkt man sicherlich nicht direkt an E-Geld. Dass es hier regulatorische Vorgaben der BaFin gibt, ist meines Erachtens ein spezieller Fall, weshalb man EY nicht vorwerfen kann, gepennt zu haben.
Wo sollte dies denn ansonsten enden, wenn der Abschlussprüfer die Einhaltung jeglicher existierender Gesetze prüfen sollte, bei der Unmenge an Gesetzestexten? Sicherlich müssen Abschlussprüfer hohe fachliche Kompetenzen mitbringen, doch auch ihr Zeitbudget ist nicht unbegrenzt. Änderungen von Rechnungslegungsvorschriften, zunehmende Bedeutung von IT-Kenntnissen zur Nutzung digitaler Prüfungstools – die Anforderungen an den Berufsstand sind so schon sehr hoch. Wie sollte es hier noch möglich sein, über alle anderen gesetzlichen (Sonder-)Regelungen einen vollständigen Überblick zu behalten?
Sie haben richtig gelesen: Ich nehme EY „in Schutz“. Das ist selten, das stimmt. Doch ist der Gutschein-Fall bei ProSieben ein Beispiel, mit dem man anschaulich zeigen kann, was nicht Bestandteil des Prüfungsauftrags des Abschlussprüfers ist. Die Erwartungslücke zu verkleinern, das ist mein Ziel. Und nicht das Schlechtreden des Berufsstandes, wie es mir schon häufiger vorgeworfen wurde.
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Hätte EY das Gutschein-Debakel von ProSieben auffallen müssen?