Chapeau zum BMF-Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung!

Mit Datum vom 18. September 2020 hat das Bundesministerium der Finanzen ein Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung und Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsmäßigen Rechnung veröffentlicht (vgl. BMF-Schreiben v. 18. September 2020 – III C 2 – S 7286-a/19/10001 :001). Das Thema war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Aus diesem Grund verwundert es wenig, dass das BMF-Schreiben die maßgeblichen EuGH- und BFH-Urteile der letzten Jahre, die in diesem Regelungskontext ergangen sind, in den Fokus nimmt. Dabei sticht das Schreiben allerdings durch seine besondere Qualität bei der Abarbeitung der Urteile hervor. Das Ministerium geht auf die wesentlichen Inhalte der Urteile ein und stellt diese Inhalte den unionsrechtlichen (insb. MwStSystRL) und den nationalen Regelungen (UStG/UStDV) gegenüber. Das BMF-Schreiben besticht dabei durch eine überzeugende und sprachlich klare Gedankenführung. Die Ausführungen unter Punkt I haben wissenschaftliche Qualität und es wird – auch für Berater und Steuerpflichtige, die weniger häufig Berührungspunkte mit der Regelungsmaterie haben – klar, wie das Ministerium die Schlussfolgerungen aus dem unionsrechtlichen und nationalen Reglungsrahmen ableitet. Daher ein „Chapeau“ an das Ministerium für die Art der Ausarbeitung des Schreibens.

Auch die unter Punkt II dargestellten Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlass sind im Hinblick auf die Urteile folgerichtig. Zwar kann „aus der jüngeren Rechtsprechung des EuGHs … insbesondere nicht [gefolgert werden], dass ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung geltend gemacht werden kann“ (BMF-Schreiben v. 18. September 2020 – III C 2 – S 7286-a/19/10001 :001, Rn. 6), allerdings kann umgekehrt nicht gefolgert werden, dass eine Vorsteuerabzug ausscheidet, wenn ein Unternehmer im Besitz einer Rechnung ist, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt. Insofern stellt wird in Abschnitt 15.2a UStAE ein Nummer Absatz 1a eingefügt, der die Grundsätze für den Vorsteuerabzug im Hinblick auf Rechnungen regelt, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllen. „Der Vorsteuerabzug ist unter Anwendung eines strengen Maßstabes auch zu gewähren, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen (vgl. EuGH-Urteil vom 15. 9. 2016, C-516/14, Barlis 06).“ (Abschnitt 15.2a Abs. 1a Satz 2 UStAE). In Gesamtschau gelingt es dem BMF-Schreiben die neuen Regelungen, basierend auf den aktuellen Urteilen, abzuleiten und übersichtlich darzustellen.

Daher nochmals „Chapeau“ an das BMF!

Weitere Informationen:
BMF-Schreiben v. 18. September 2020 – III C 2 – S 7286-a/19/10001 :001


2 Gedanken zu “Chapeau zum BMF-Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung!

  1. Da haben wir unterschiedliche Schreiben gelesen. Aus meiner Sicht hat das BMF an jeder nur möglichen (und unmöglichen) Stelle die positive EuGH-Rechtsprechung beschnitten. Das Schreiben ist in größtem Maße unternehmerunfreundlich. Nicht nur, dass die Ausarbeitung mehrere Jahre gedauert hat. Es bleiben letztlich genauso viele Streitfragen offen, wie zuvor. Warum kann z.B. eine Rechnung für „Beratung“ den Vorsteuerabzug ermöglichen, nicht aber „Verkauf“?

    • Hallo Herr Trinks, da muss ich Ihnen vollumfänglich Recht geben.
      Das BMF und natürlich auch der BFH, hier vor allen Dingen der V. Senat haben immer noch große Probleme mit der großzügigen Rechtsprechung des EuGH zu den Rechnungen und einem möglichen Vorsteuerabzug. Beim BFH habe ich so den Verdacht, dass er nach den ganzen „Niederlagen“, die er in den letzten Jahren beim EuGH hat einstecken müssen, etwas beleidigt wirkt.
      Mit diesem BMF-Schreiben ist sicherlich noch nicht das letzte Wort über das Thema Rechnung und Vorsteuerabzug gesprochen.
      Im anhängigen Verfahren C-80/20 wird der EugH nochmals Gelgenheit haben, zu dieser Problematik Stellung zu beziehen.

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