Kürzlich hatte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Staatsanleihekaufprogramm für Aufsehen gesorgt: „Danach haben Bundesregierung und Deutscher Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht … verletzt, indem sie es unterlassen haben, dagegen vorzugehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in den für die Einführung und Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüssen weder geprüft noch dargelegt hat, dass die hierbei getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sind.“ (Urteil vom 5.5.2020, 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 1651/15). Die Entscheidung ist von vielen begrüßt, von anderen aber wegen Einmischung in europäische Angelegenheiten kritisiert worden.
Archiv der Kategorie: Recht
Geringwertige Wirtschaftsgüter: Abschaffung der Sammelpostenbildung dringend erforderlich!
Im Rahmen seiner Empfehlungen zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz hatte der federführende Finanzausschuss des Bundesrates in seiner Stellungnahme gegenüber dem Bundesrat angeregt, die Sofortabschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWGs) gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG von derzeit 800 Euro auf 1000 Euro anzuheben. Gleichzeitig sprach er sich für einer Streichung der sog. Sammelpostenmethode (§ 6 Abs. 2a EStG) aus. Beide Maßnahmen wurden letztendlich nicht in das Gesetz aufgenommen.
Nebeneinander von Sofortabschreibung und Sammelpostenverfahren
Die Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG dient der Vereinfachung und vermeidet Streitigkeiten in Fragen der Bewertung bei einer Vielzahl von Wirtschaftsgütern. Zuletzt war die GWG-Grenze mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen von damals 410 Euro auf 800 Euro zum 1. Januar 2018 angehoben worden, nachdem sie mehr als 50 Jahre bei 410 Euro eingefroren war. Weiterlesen
Umrüstung von TSE-Kassen: Fünf Länder wollen Nichtbeanstandungsfrist bis 31.3.2021 verlängern!
Noch Ende Juni 2020 hat das BMF hat eine Verlängerung der Frist für die Umrüstung von TSE-Kassen über Ende September 2020 hinaus abgelehnt. Jetzt wollen Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg mit eigenen Länderregelungen die Nichtbeanstandungsfrist bis 31.3.2021 verlängern
Hintergrund
Durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 22.12.2016 ist § 146a AO eingeführt worden (BGBl 2016 I S. 3152). Hierbei handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift für die Buchführung und Aufzeichnung mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme. Seit 01.01.2020 gilt dieses sogenannte Kassengesetz bundesweit. Seit 1.1.2020 ist jedes elektronische Kassensystem mit einer zertifizierten technischen Sicherheits-Einrichtung (TSE) zu sichern, die gewährleistet, dass Kasseneingaben mit Beginn des Aufzeichnungsvorgangs protokolliert und später nicht mehr unerkannt verändert werden können.
Eine flächendeckende Aufrüstung der Kassensysteme mit TSE war zum 1.1.2020 nach Aussage der Bundesregierung (BT-Drs. 19/18393) nicht erreichbar, weil das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erst im Dezember 2019 Zertifizierungen bzw. vorläufige Freigaben für hardwarebasierte Lösungen aussprechen konnte; deswegen gibt es eine Übergangsfrist bis 30.9.2020, die das BMF verfügt hatte (BMF-Schreiben v. 6.11.2019 – IV A 4 – S 0319/19/10002:001, Dok 2019/0891800). Eine Verlängerung hat das BMF im Juni 2020 abgelehnt. Weiterlesen
Die gUG ist ein zulässiger Rechtsformzusatz
Die Firma einer GmbH muss die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke nach den §§ 51 bis 68 AO kann die Abkürzung „gGmbH“ lauten.
Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist eine Sonderform der GmbH, sodass für sie dieselben Grundsätze wie für die GmbH gelten. Eine Ausnahme ist, dass anstelle des Rechtsformzusatzes „GmbH“ zwingend die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ geführt werden muss. Bislang war umstritten, ob eine UG (haftungsbeschränkt), die die Anforderungen an die steuerbegünstigten Zwecke der AO erfüllt, sich auch mit einem „g“ kennzeichnen und auf die Gemeinnützigkeit hinweisen darf. Weiterlesen
Urlaubsverfall nach § 7 Abs. 3 BUrlG bei Krankheit und Erwerbsminderung: BAG holt Entscheidung des EuGH ein
In zwei neuen Entscheidungen hat das BAG den EuGH zur Vorabentscheidung angerufen, ob ein Urlaubsverfall bei Krankheit und bei voller Erwerbsminderung v. 7.7.2020) voraussetzt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, ihn ferner darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch “aus freien Stücken“ nicht genommen hat (BAG 9 A 401/19 (A) und (BAG 9 AZR 245/19 (A) v. 7.7.2020). Weiterlesen
Provisionen und Elterngeld – auf den ESt-Bescheid kommt es an
Bei der Bemessung des Elterngeldes gibt es immer wieder Streit über die Frage, was als maßgebendes Nettoeinkommen zu werten ist und inwieweit z.B. Umsatzbeteiligungen von Arbeitnehmern zu berücksichtigen sind. In dem maßgebenden § 2c des Elterngeldgesetzes heißt es dazu unter anderem: „Der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld … ergibt das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind.“
Nun liegt die Vermutung nahe, dass es bei der Wertung, was als „sonstiger Bezug“ in diesem Sinne gilt, ausschließlich auf die lohnsteuerliche Behandlung durch den Arbeitgeber ankommt. Doch weit gefehlt. Jüngst hat das BSG zugunsten der Eltern wie folgt entschieden: Weiterlesen
Corona-Soforthilfen: Welcher Rechtsweg gilt bei Streitigkeiten?
Die Soforthilfen für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen sind bis vor wenigen Wochen ausgezahlt worden. Bereits während der Auszahlungsphase gab es erste Streitigkeiten bezüglich der Bewilligung. Vor allem aber wird es in den kommenden Monaten zur Überprüfung der Soforthilfen und folglich zu zahlreichen Rückforderungen kommen – so viel darf prophezeit werden.
Nun stellte sich die Frage, welcher Rechtsweg denjenigen eröffnet ist, die sich gegen eine – aus ihrer Sicht ungerechtfertigte – Rückforderung zur Wehr setzen möchten. Weiterlesen
Update Finanzanlagenvermittler: Übertragung der Aufsicht auf die BaFin vor dem Aus!
Schon im Koalitionsvertrag hatte die SPD gefordert, die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler zu zentralisieren und zum 1.1.2021 auf die BaFin zu übertragen. Dieser Plan droht jetzt im Gesetzgebungsverfahren endgültig zu scheitern – eine Standortbestimmung. Weiterlesen
Wirecard – Kann der Abschlussprüfer eine Mitschuld tragen?
Schon in einem früheren Blog war ich der Frage nachgegangen, ob der Abschlussprüfer eine Art Sheriff ist, dessen Aufgabe es wäre, Verbrechen im Rahmen der Unternehmenstätigkeit oder Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Rechnungslegung aufzudecken. Nun stellt sich die Frage ganz konkret vor dem Hintergrund möglicher Delikte im Zusammenhang mit Wirecard. Dort steht infrage, ob ein erheblicher Teil der Bilanzsumme aus nicht vorhandenem Treuhandvermögen bestand. Der Abschlussprüfer hat zuletzt wohl keinen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Wie aus der Presse zu erfahren war, hat Wirecard inzwischen einen Insolvenzantrag gestellt. Damit stellt sich natürlich die Frage, ob dem langjährigen Abschlussprüfer im Zusammenhang mit früher erteilten Testaten zwingend Vorwürfe zu machen sind oder ob er gar in die Haftung genommen werden könnte? Weiterlesen
Wer beurteilt die Erwerbs(un)fähigkeit eines behinderten Kindes?
Eltern werden für ein behindertes Kind das Kindergeld bzw. der Kinderfreibetrag ohne Altersbegrenzung gewährt, wenn das Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Jüngst hat das FG Rheinland-Pfalz zugunsten des Vaters eines behinderten Kindes entschieden, dass das Gericht die Erwerbsfähigkeit des Kindes anhand der vom Kläger vorgelegten Berichte und Stellungnahmen der behandelnden Ärzte beurteilen kann, wenn diese Gutachten im Gegensatz zu denen der Familienkasse bzw. der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit schlüssig bzw. nachvollziehbar sind.
Die Familienkasse jedenfalls darf nicht einfach auf das Gutachten der Agentur für Arbeit verweisen – zumindest dann nicht, wenn das Gutachten Lücken aufweist (Urteil vom 6.5.2020, 2 K 1851/18). Weiterlesen