Am 20.2.2023 hat das BAG (10 AZR 332/20) zu unterschiedlich hohen tariflichen Nachtarbeitszuschlägen entschieden, dass diese zulässig sind, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist und dieser aus dem Tarifvertrag erkennbar ist.
Das Grundsatzurteil hat Signalwirkung für Tausende weiterer Klagen, die bundesweit vor Arbeitsgerichten anhängig sind.
Worum es im Streitfall ging erfahren Sie in der NWB Online-Nachricht: Arbeitsrecht | Verschieden hohe tarifliche Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit.
Wie hat das BAG entschieden?
Jetzt hat das BAG geurteilt: Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn – erstens – ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der -zweitens – aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss. Ein solcher kann darin liegen, dass mit dem höheren Zuschlag neben den spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit auch die Belastungen durch die geringere Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes in unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen.
Im Streitfall werden zwar Arbeitnehmer ungleich behandelt, indem für unregelmäßige Nachtarbeit ein höherer Zuschlag gezahlt wird als für regelmäßige Nachtarbeit. Für diese Ungleichbehandlung ist aber ein aus dem MTV erkennbarer sachlicher Grund gegeben. Der MTV beinhaltet zunächst einen angemessenen Ausgleich für die gesundheitlichen Belastungen sowohl durch regelmäßige als auch durch unregelmäßige Nachtarbeit und hat damit Vorrang vor dem gesetzlichen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG.
Daneben bezweckt der MTV aber auch, Belastungen für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, wegen der schlechteren Planbarkeit dieser Art der Arbeitseinsätze auszugleichen. Den Tarifvertragsparteien ist es wegen der Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) nicht verwehrt, mit einem Nachtarbeitszuschlag neben dem Schutz der Gesundheit weitere Zwecke zu verfolgen. Dieser weitere Zweck ergibt sich aus dem Inhalt des MTV. Eine Angemessenheitsprüfung im Hinblick auf die Höhe der Differenz der Zuschläge erfolgt nicht. Es liegt im Ermessen der Tarifvertragsparteien, wie sie den Aspekt der schlechteren Planbarkeit für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, finanziell bewerten und ausgleichen.
Welche Bedeutung hat das Urteil für die Praxis?
Das BAG-Urteil dürfte Signalwirkung für rund 6.000 arbeitsgerichtliche Klagen haben, die nach Schätzung derzeit anhängig sind, rund 400 allein beim BAG. Die Erwartung vieler Arbeitnehmer, dass ihre Nachtzuschläge vereinheitlicht und angehoben werden, wird offenbar nicht in Erfüllung gehen. Denn neben dem Gesundheitsschutz können die Tarifvertragsparteien mit der Höhe der Nachtzuschläge weitere Zwecke verfolgen, sagt das BAG.
In drei weiteren Entscheidungen vom 22.2.2023 hat das BAG (10 AZR 379/20, 10 AZR 461/20; 10 AZR 397/20) ebenfalls entschieden, dass nach Auslegung der betroffenen MTV mit den höheren Zuschlägen bei unregelmäßig auftretender Nachtarbeit neben dem spezifischen Ausgleich für die Nachtarbeit die zusätzlichen Belastungen durch die fehlende Planbarkeit solcher Arbeitseinsätze ausgeglichen werden sollen.
Diese Entscheidungen sind nun Richtschnur für alle weiteren arbeitsgerichtlichen Verfahren, in denen es um die unterschiedliche Höhe von Nachtarbeitszuschlägen geht.