Am 5.6.2024 hat der Bundestag in namentlicher Abstimmung die Forderung nach Abschaffung des Solidaritätszuschlags erneut zurückgewiesen. Die Frage bleibt aber, wann und wie der Bundestag den „Soli“ neu regeln will.
Hintergrund
Der ursprünglich befristete Soli von 1991 zur Finanzierung des Golf Krieges war bis Mitte 1992 befristet, wurde dann Mitte der 90er Jahre aber zur Finanzierung der Zusatzlasten aus der deutschen Wiedervereinigung eingeführt. Er wurde durch das Solidaritätszuschlagsgesetz (SolzG 1995, BGBl. 1995 I S. 1959) entfristet. Seit etlichen Jahren wird um die Abschaffung dieser Ergänzungsabgabe (Art. 106 GG) gerungen, auch vor den Finanzgerichten bis hin zum BVerfG. Nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II Ende 2019 erfolgte die Reform des Soli ab VZ 2020. Im Gesetz zur Rückführung des Solidaritätsausgleichs aus dem Jahr 2019 beschloss die damalige Große Koalition, dass Besserverdiener – die oberen 10% der Einkommen – den Zuschlag weiterhin zahlen müssen, die übrigen 90% wurden ausgenommen. Seitdem die Erhebung auf rund 10 Prozent „Besserverdienende“ beschränkt ist, wird darum gestritten, ob diese Ungleichbehandlung der Steuerzahler noch verfassungsmäßig ist.
Bundestag folgt ablehnender Beschlussempfehlung des Finanzausschusses
Die Fraktion der AfD hatte die vollständige Abschaffung des Soli beantragt (BT-Drs.20/11149), allerdings ohne ein Finanzierungskonzept für den hierbei entstehenden Steuerausfall in Höhe von rund 11 Mrd. Euro/Jahr vorzulegen. Deswegen war absehbar, dass dieser Antrag schon deshalb im Bundestag keinen Erfolg haben wird.
Interessant sind aber die Einlassungen der anderen Fraktionen im Finanzausschuss, deren Empfehlung der Bundestag schließlich gefolgt ist:
Die SPD bekräftigt das aktuell geltende Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags, das seit 2021 seine Wirkung entfaltet. Für 90 Prozent der Zahler sei der Solidaritätszuschlag damals abgeschafft worden. Lediglich die 3,5 Prozent, die die höchsten Einkommen bezögen, müssten den vollen Zuschlag noch entrichten. Weitere 6 Prozent der Einkommensbezieher lägen in der Progressionszone, in der sie zwischen 0 und 5,5 Prozent des Einkommensteuerbetrags als Zuschlag bezahlten. Die Fraktion der SPD halte dies für angemessen, notwendig und gerecht. Im Übrigen verweist die SPD auf das in diesem Jahr anstehende BVerfG-Urteil (BVerfG 2 BvR 1505/20).
Die CDU/CSU hält die geltende Regelung für einen Missbrauch des ursprünglichen Zuschlags. Es sei ein Gebot der Steuergerechtigkeit und der Steuerwahrheit, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen. Man sollte nicht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten, sondern proaktiv handeln.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweisen auf das BFH-Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des Soli (BFH v. 17.1.2023 – IX R 15/20) und sieht deshalb dem anstehende BVerfG-Verfahren entspannt entgegen. Allerdings: Eine perspektivische Abschaffung des Solidaritätszuschlags, dessen Begründung mit den Jahren immer dünner werde, sollte mit dessen Integration in den Einkommensteuertarif einhergehen, wie es mehrere Forschungsinstitute bereits angeregt hätten. Dies wäre ein konstruktiver Baustein für eine umfängliche Steuerreform.
Die Fraktion der FDP hofft, dass das erwartete Urteil des BVerfG noch in diesem Kalenderjahr Klarheit darüber schaffen werde, wie künftig mit dem Soli umzugehen sein werde. Die FDP habe in ihrem Papier zur „Wirtschaftswende“ vorgeschlagen, den noch bestehenden Solidaritätszuschlag in Schritten abzuschaffen und damit die politische Realität abzubilden.
Zukunft des Soli weiter offen
Die SPD-Fraktion sieht keinen Handlungsbedarf, solange nicht das BVerfG zum Handeln zwingt. Dies ist ein befremdliches Verhältnis zur Steuergerechtigkeit und für jemanden, der gemeinsame Lasten einer Volkswirtschaft zu finanzieren hat.
Das Verfahren BVerfG 2 BvR 1505/20 war unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 GG; Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG aus der Mitte des Bundestages von der FDP gegen die Fortgeltung des Soli ab 2020 eingeleitet worden. Die FDP hat im Koalitionsvertrag die Soli-Abschaffung zu einem zentralen Ziel erklärt. Damit hat sie auch die CDU/CSU an ihrer Seite.
Der BFH hält den Soli auch in der ab 2020 geltenden Fassung nicht für verfassungswidrig (BFH v. 17.1.2023 – IX R 15/20), ich habe dazu Anfang des Jahres im Blog berichtet. Erst nach 30 Jahren bestehe eine Überprüfungspflicht des Gesetzgebers, meint der BFH: Das würde bedeuten, dass erst für den VZ 2025 eine Neubewertung des Gesetzgebers zu überprüfen wäre.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen zwar den aktuellen Soli nicht in einer rechtlichen Grauzone, würden aber eine Integration in den Steuertarif bevorzugen.
Fazit
Eigentlich muss die Politik noch in diesem Jahr Farbe bekennen, mit welcher Rechtfertigung die Ergänzungsabgabe ab VZ 2025 aufrechterhalten bleibt und wer sie zu tragen hat. Ein „weiter so“ scheint unerträglich, auch das Festhalten am Begriff eines „Solidaritäts“-zuschlages ist ein Schlag ins Gesicht der rund 10 Prozent Besserverdiener, welche die Last alleine tragen sollen – das ist das Gegenteil von Solidarität, nämlich ein Sonderopfer.
Es ist richtig, dass sich der Bund in einer finanziellen Notlage befindet, die keine großzügigen Steuergeschenke erlaubt. Aber dann möge sich Politik ehrlich sein und bei Fortführung und Integration das Kind beim Namen nennen: eine Steuererhöhung, die in Wahlkampfzeiten keiner will.