Die Schwellenwerte für die Betriebsgrößenklassen von Kapitalgesellschaften (§§ 267 ff. HGB) sollen angehoben werden. Damit werden Bürokratiekosten für Unternehmen gesenkt; allerdings gibt es auch Kritikpunkte.
Hintergrund
An die Einstufung von Kapitalgesellschaften in Größenklassen knüpfen sich eine Reihe von Rechtsfolgen insbesondere bei der Aufstellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses, jeweils abhängig von der Größe der Kapitalgesellschaft. Die RL (EU) 2023/2775 der EU-Kommission vom 17.10.2023 zur Änderung der RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch Anpassung der Größenkriterien für Kleinstunternehmen und für kleine, mittlere und große Unternehmen oder Gruppen (Bilanzrichtlinie) ist am 21.12.2023 veröffentlicht worden und am 24.12.2023 in Kraft getreten (ABl. L vom 21.12.2023, S. 1). Die erforderliche Umsetzung in Deutschland soll jetzt nach einem BMJ-Vorschlag zeitnah durch Änderung der §§ 267 ff. HGB erfolgen.
BMJ legt Formulierungshilfe für Regierungsentwurf vor
Am 17.1.2024 hat das BMJ eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgelegt. Damit soll durch Ergänzung eines bereits im Oktober 2023 auf den Weg gebrachten anderen Gesetzes (BT-Drs. 20/8762) die EU RL 2023/2775 in Deutschland 1:1 umgesetzt werden. Dadurch sollen die monetären Schwellenwerte zur Bestimmung der Unternehmensgrößenklassen und der größenabhängigen Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts rechtzeitig nach den dafür erforderlichen Änderungen im europäischen Recht um jeweils rund 25 % angehoben werden sollen. Dies entspricht dem Inhalt des von der Bundesregierung bereits am 30.8.2023 beschlossenen Eckpunktepapiers zum geplanten Bürokratieabbau, der mit dem ausstehenden Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) erfolgen soll. Der Regierungsentwurf muss jetzt in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.
Bewertung und Kritik
Ohne Frage ist die gesetzgeberische Zielsetzung des Bürokratieabbaus zu begrüßen. profitieren etwa Kleinst- und Kleinkapitalgesellschaften bei der Aufstellung des Jahresabschlusses von einer verkürzten Bilanzgliederung, größenabhängigen Erleichterungen bei der GuV-Rechnung oder Verzicht auf die Erstellung eines Lageberichts. Der Jahresabschluss von Kleinst- bzw. Kleinkapitalgesellschaften erfordert keine Prüfung (§ 136 Abs. 1 S. 1 HGB), bei der Offenlegung des Jahresabschlusses haben Kleinstkapitalgesellschaften die Möglichkeit der Hinterlegung des Jahresabschlusses (§ 326 Abs. 2 HGB) anstelle der Offenlegung (§ 325 HGB). Aber Vorsicht: Das von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe auch bei Kleinstkapitalgesellschaften erteilte Jahresabschlusstestat ist ein Qualitätssiegel, dessen Wert im Geschäftsleben nicht unterschätzt werden sollte. Auch wenn künftig entsprechende gesetzlichen Pflichten wegfallen sollten, ist zu prüfen, ob an der Prüfung künftig nicht auf freiwilliger Basis festgehalten werden sollte.
Kritik verdient der bisherige Verfahrensablauf: Das BMJ hat seinen ersten Entwurf erstmals am 22.12.2023 veröffentlicht, den Verbänden in der anschließenden Anhörung aber nur eine Frist bis 5.1.2024 eingeräumt. Das lässt eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs nicht zu und entspricht auch nicht den Anforderungen des BVerfG (v. 5.7.2023 – 2 BvE 5/23), das im parlamentarischen Verfahren zum sog. Heizungsgesetz (GEG) eine ausreichende Prüfungs- und Überlegungsfrist für Abgeordnete (Art. 38 Abs. 1 GG) angemahnt hat; die gleichen Grundsätze müssen meines Erachtens auch für die Verbändeanhörung als Teil der Politikberatung gelten.
Weitere Informationen:
- Größenklassen von Kapitalgesellschaften werden erhöht (Europäische Kommission) – NWB-Livefeed
- Delegierte RL (EU) 2023/2775 der Kommission vom 17.10.2023 zur Änderung der RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch Anpassung der Größenkriterien für Kleinstunternehmen und für kleine, mittlere und große Unternehmen oder Gruppen, ABl. L vom 21.12.2023, S. 1
- BMJ – Gesetzgebung – Anhebung der Schwellenwerte für die Unternehmensgrößenklassen nach der Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie)
In Artikel 7 zu EHGB wird ein Wahlrecht eingeräumt die geänderten Größenklassen bereits ab 2023 anzuwenden. Ausdrücklich werden dann nur mittelgroße Kapitalgesellschjaften erwähnt die auch dann für 2022 und 2023 als Kleine Kapitalgesellschaften anzusehen sind wenn sie in den Jahren die neuen Schwellenwerte nicht überschritten haben.
Ist dann die für 2022 durchgeführte gesetzliche Abschlußprüfung jetzt zur freiwilligen Abschlußprüfung geworden.
Ein Wahlrecht wird auch in Artikel 8 großen Kapitalgesellschaften eingeräumt.
Wird bei ausübung des Wahlrechts nicht der Grundsatz der Bilanzierungsstetigkei durchbrochen.
Es gibt noch keinen aktuelleren Sachstand als die Formulierungshilfe des BMJ, der am 17.1.2024 vom Kabinet beschlossen wurde: BMJ – Pressemitteilungen – Bundesregierung entlastet kleine und mittelständische Unternehmen um 650 Millionen Euro Bürokratiekosten. Hier sollte vor Beantwortung der Fragen zum Wahlrecht zunächst das parlamentarische Verfahren abgewartet werden. Aktuell ist der vom Kabinett beschlossene Entwurf noch nicht formal ins parlamentarische Verfahren eingebracht, auch Mitte April 2024 (10.4.-12.4.24) steht er noch nicht auf der Tagesordnung des BT (Abfrage am 26.3.2024).