Von der Corona-Krise gebeutelte Unternehmen sollen zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft eine Ausbildungsprämie von bis zu 3.000 Euro für jeden in diesem Jahr geschlossenen Lehrvertrag erhalten. Die Eckpunkte hat das Bundeskabinett am 24.6.2020 beschlossen.
Hintergrund
Auszubildende von heute sind die Fachkräfte von morgen. Deshalb muss es Ziel sein, dass möglichst alle jungen Menschen eine Ausbildung beginnen und auch erfolgreich abschließen können. Allerdings hinterlässt die Corona-Krise auch bei dieser Bevölkerungsgruppe ihre Spuren: Durch Corona-bedingte Schließungen von Berufsschulen, Unterbrechungen von Ausbildungen, Kurzarbeit in Ausbildungsbetrieben sowie einer befürchteten geringeren Zahl von Neueinstellungen und einer ansteigenden Zahl von Entlassungen. Wenn Einnahmen fehlen, werden auch Ausbildungsvergütungen zu einem wichtigen Kostenfaktor – vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Immerhin ist die Zahl der Ausbildungsbetriebe bundesweit von 482.439 im Jahr 2005 auf 427.227 im Jahr 2017 gesunken. In der Corona-Krise sind also Ausbildungsplätze in Gefahr, da den Ausbildungsbetrieben Einnahmen fehlen. Deshalb sind gezielte Maßnahmen erforderlich, um Ausbildungsplätze auch in der Krise zu schützen und das Ausbildungsniveau der Ausbildungsbetriebe und ausbildenden Einrichtungen in Deutschland aufrecht zu erhalten.
Mit dem am 25.6.2020 von der Bundesregierung beschlossenen Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ sollen Ausbildungsbetriebe und ausbildende Einrichtungen in den Gesundheits- und Sozialberufen in der aktuell wirtschaftlich schwierigen Situation unterstützt und motiviert werden, ihr Ausbildungsplatzangebot aufrecht zu erhalten und jungen Menschen die Fortführung und den erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung zu ermöglichen. Mit dem Programm will die Bundesregierung Ziff. 30 des Beschlusses des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020 „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ umsetzen. Im Einzelnen sollen
- Ausbildungskapazitäten erhalten,
- Kurzarbeit für Auszubildende vermieden
- Auftrags- und Verbundausbildung gefördert und
- Anreize zur Übernahme im Falle einer Insolvenz geschaffen werden.
Welche Prämien sind geplant?
Einzelheiten der geplanten Förderung von dualer Ausbildung in Deutschland ergeben sich aus dem vom Bundeskabinett am 24.6.2020 beschlossenen Eckpunktepapier Bundesprogramm Ausbildung“. Für das Programm „Ausbildungsplätze sichern“ will die Bundesregierung demnach für dieses und das kommende Jahr insgesamt 500 Mio. Euro bereitstellen. Allein für beabsichtigte Ausbildungsprämien werden in den Eckpunkten bis zu 280 Mio. Euro veranschlagt. Zuständig für die Umsetzung des Programms sollen die örtlichen Agenturen für Arbeit sein, die vom Bund einen Verwaltungskostenersatz bekommen sollen. Im Einzelnen soll es – befristet bis 30.6.2021 – folgende Prämien geben:
Ausbildungsprämie bei Erhalt des Ausbildungsniveaus: Kernstück ist eine Prämie von 2.000 Euro als verlorenen Zuschuss für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bis 249 Mitarbeiter, die „in erheblichem Umfang“ von der Krise betroffen sind und dennoch ausbilden. Von „erheblicher COVID-Betroffenheit“ ist auszugehen, wenn das Unternehmen in der ersten Hälfte des Jahres 2020 wenigstens einen Monat Kurzarbeit durchgeführt hat oder der Umsatz in den Monaten April und Mai 2020 um durchschnittlich mindestens 60 Prozent gegenüber April und Mai 2019 eingebrochen ist. Bei Unternehmen, die nach April 2019 gegründet worden sind, sind statt der Monate April und Mai 2019 die Monate November und Dezember 2019 zum Vergleich heranzuziehen. Eine Förderung mit 2000 Euro setzt voraus, dass das Unternehmen sein Ausbildungsniveau im Jahr 2020 im Vergleich zu den drei Vorjahren nicht verringert.
Ausbildungsprämie bei Erhöhung des Ausbildungsniveaus: Wird das Ausbildungsniveau im Vergleich zu den Vorjahren nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern sogar erhöht, soll es einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 3.000 Euro geben.
Förderung bei Vermeidung von Kurzarbeit während der Ausbildung: Um Kurzarbeit bei Auszubildenden zu vermeiden und den erfolgreichen Abschluss der begonnenen Ausbildung sicherzustellen, soll es eine Förderung in Höhe von 75 Prozent der Brutto-Ausbildungsvergütung für jeden Monat geben, in dem im Betrieb ein Arbeitsausfall von mindestens 50 Prozent zu verzeichnen ist. Eine Förderung erfolgt frühestens ab Inkrafttreten der Förderrichtlinie. Sie ist befristet bis zum 31.12.2020.
Übernahmeprämie: Bei Sicherung der Weiterführung von Ausbildungsverhältnissen bei pandemiebedingter Insolvenz eines ausbildenden KMU bis 31.12.2020 soll es eine einmalige Übernahmeprämie in Höhe von 3.000 Euro pro aufgenommenen Auszubildenden für das aufnehmende KMU geben.
Förderung von Auftrags- und Verbundausbildung: Ziel ist eine stärkere Nutzung von Verbund- oder Auftragsausbildung im Ausbildungsjahr 2020/21 für Auszubildende in KMU, die ihre Ausbildung temporär nicht im eigenen Betrieb weiterführen können, weil der Betrieb vollständig oder zu wesentlichen Teilen pandemiebedingt von Schließungen oder erheblichen Auflagen, die eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs maßgeblich behindern, betroffen ist. Antragsberechtigt sollen sein
- KMU aus allen Wirtschaftsbereichen, die o. g. Auszubildende im Rahmen der Auftrags- oder Verbundausbildung für mindestens sechs Monate im eigenen Betrieb ausbilden und über die hierfür notwendige Ausbildungseignung verfügen,
und
- Überbetriebliche Ausbildungsstätten sowie andere etablierte Ausbildungsdienstleister, die o. g. Auszubildende im Rahmen der Auftrags- oder Verbundausbildung für mindestens sechs Monate ausbilden.
Details der Förderung und der Durchführung einer solchen Verbund- oder Auftragsausbildung sollen im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung erörtert werden.
Bewertung und Ausblick
Gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht – auch bei dem jetzt beschlossenen teuren Prämienmodell. Bei allem Verständnis für die Sorge eines pandemiebedingten Ausbildungsrückgangs lässt sich dieser jedenfalls bislang mit Fakten nicht belegen. Die amtliche Ausbildungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit per Ende Mai 2020 belegt, dass noch immer ein Überhang von Ausbildungsplatzangeboten gegenüber der Ausbildungsplatznachfrage besteht: pro Bewerber gibt es hiernach 1,28 unbesetzte Ausbildungsplätze. Anders ausgedrückt: Mit Ausnahme des Bundeslandes Berlin kann jeder Bewerber in Deutschland in allen Ländern statistisch auch mit einem Ausbildungsplatz versorgt werden, es gibt tatsächlich keinen Engpass. Unternehmen werden auch weiterhin aus Eigeninteresse ihren Fachkräftebedarf zu einem wesentlichen Teil dadurch decken, dass sie in Ausbildung investieren. Insofern bedarf es keiner Ausbildungsprämie, sie führt im Gegenteil zu unerwünschten Mitnahmeeffekten. Knapp vorbei ist auch daneben!
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