Der BGH hat entschieden, dass es wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, wenn Apotheken ihren Kunden beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geringwertige Werbegaben wie einen Brötchen-Gutschein oder einen Ein-Euro-Gutschein gewähren (BGH v. 6.6.2019 – I ZR 206/17 und I ZR 60/18). Das tut weder Verbrauchern noch inländischen Apotheken gut, kann aber nur durch den Gesetzgeber korrigiert werden.
Sachverhalt
In den konkreten Streitfällen beanstandete der BGH Gutscheinaktionen von zwei Apotheken in Darmstadt und Berlin – einmal gab es Gratisbrötchen beim nahen Bäcker, einmal einen Ein-Euro-Gutschein für den nächsten Einkauf. Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Auch geringwertige Abgaben bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln seien wettbewerbsrechtlich unzulässig (§3a UWG), urteilte jetzt der BGH.
Hintergrund
Bei Arzneimitteln ohne Rezeptzwang, dürfen Apotheken seit 2004 frei bepreisen, hier ist Wettbewerb ausdrücklich erwünscht. Das bedeutet: Bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten darf der Apotheker ohne weiteres kleine Aufmerksamkeiten dazu geben.
Was anderes gilt aber bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die in Deutschland überall gleichviel kosten müssen: Bei einer Werbung für Arzneimittel i.S.d. § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) dürfen nach § 7 Abs. 1 S. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Ausnahmen vorliegt. Bei diesem grundsätzlichen Verbot der Wertreklame handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung (§ 3a UWG), ein Verstoß ist also wettbewerbswidrig und kann Unterlassungsansprüche begründen (§ 8 UWG). Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG soll der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden. Soweit § 7 Abs. 1 S.1 Nr. 1 Hs. 2 HWG entgegen den Preisvorschriften des AMG gewährte Werbegaben generell verbietet, soll damit außerdem ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden.
BGH verschärft bisherige Rechtsprechung
Bislang hatte der BGH (v. 9.9.2010 – I ZR 193/07) auch bei verschreibungsmittelpflichtigen Arzneien geringfügige Geschenke bis einen Euro Warenwert „durchgehen“ lassen: Bei der Zugabe von geringwertigen Kleinigkeiten beim Erwerb von Arzneimitteln sei ein Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht nicht spürbar. Hiervon rückt der BGH jetzt aber ausdrücklich ab: Nachdem der Gesetzgeber die entsprechende Bestimmung des Heilmittelwerbegesetzes mit Wirkung vom 13.8.2013 ausdrücklich um die Regelung ergänzt habe, dass entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährte Zuwendungen oder Werbegaben unzulässig seien (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG), könne an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festgehalten werden.
Zwar hatte der EuGH (v. 19.10.2016 C-148/15) entschieden, dass die deutsche Arzneimittel-Preisbindung gegen Unionsrecht verstößt. Dies hat den BGH aber nicht beeindruckt: Der Umstand, dass die Preisvorschriften des AMG für in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Apotheken keine Anwendung finden, führe für inländische Apotheken weder zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) noch zu einem Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG): Der Eingriff sei mit Rücksicht auf den Zweck der Sicherstellung einer im öffentlichen Interesse liegenden gleichmäßigen und flächendecken Arzneimittelversorgung verhältnismäßig. Heißt im Klartext: Erst wenn der Konkurrenzdruck von Apotheken und Versandhändlern aus dem Ausland unzumutbar wird, sei eine andere Bewertung geboten.
Fazit
Der BGH ist streng: Ein Abstellen auf die finanzielle Geringwertigkeit der Wertabgabe ist ausgeschlossen, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten ist. Hieran kann nur der Gesetzgeber selbst etwas ändern, durch Lockerung der Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Denn Fakt ist: Unterschiedlich behandelt werden nur in Deutschland ansässige Apotheken einerseits und Apotheken mit Sitz im EU-Ausland andererseits. Dass EU-Versandapotheken mit ihren Rabatt- und Bonussystemen bei Betätigung auf dem deutschen Markt ebenso der deutschen Arzneimittelbindung unterliegen wie deutsche Apotheken, hatte der BGH bereits 2014 entschieden (BGH v. 26.2.2014 – I ZR 72/08).