Mit gestern veröffentlichtem Urteil änderte der Bundesfinanzhof die Berechnungsmethode bei der Abziehbarkeit außergewöhnlicher Belastungen. Die Presseabteilung des Gerichts misst der Entscheidung „weitreichende Bedeutung“ zu, die in der Regel zu steuerlicher Entlastung führen soll. Ich habe so meine Zweifel, dass das mal jemand nachgerechnet hat.
Eine rechtliche Analyse der Entscheidung – nur unter dem Aspekt der neuen Berechnungsmethode – fällt knapp aus. Das Gericht wechselt bei der Berechnung von einem Staffel- zu einem Stufentarif. Für die Berechnung der zumutbaren – und insoweit nicht abziehbaren – Belastung ist der Prozentsatz nicht mehr einheitlich nach dem Gesamteinkommen zu bestimmen. Vielmehr wird eine gestufte Berechnung vorgenommen, in welcher der höhere Satz nur auf den Einkommensteil jeder Stufe angewendet wird. Die Begründung der gestuften Berechnung erscheint sehr gut vertretbar. Überhaupt lässt sich gegen Härtefallregelungen ja nicht viel einwenden, insbesondere wenn sie – wie hier – sehr überschaubar bleiben. Doch wie sieht es wirtschaftlich aus? Wer profitiert mit wie viel Euro vom Urteil?
Schon der Anwendungsbereich der Entscheidung erscheint nicht übermäßig gewaltig. Wie es der Begriff der außergewöhnlichen Belastungen bereits vermuten lässt, sind nur besondere Konstellationen erfasst. Zu den abzugsfähigen Kosten zählen vor allem die Krankheitskosten, unter Umständen auch mal Kosten der Ausbildung, Beerdigung oder Prozessführung. Um die Ausgaben überhaupt steuerlich geltend machen zu können, muss stets eine Kostenschwelle überschritten werden. Für den ledigen, kinderlosen Steuerpflichtigen sind das zumindest über 750 € im Jahr, wobei sich der Wert mit steigendem Einkommen erhöht. Zum anderen muss mindestens ein Gesamtbetrag der Einkünfte von gut 15.000 € vorliegen. Das entspricht für den kinderlosen Single-Arbeitnehmer – vereinfacht – dem Mindestlohn in Vollzeitbeschäftigung. Eheleute und Eltern profitieren erst bei teilweise deutlich höherem Einkommen (dann aber auch schon bei niedrigeren Kosten).
Bei der Höhe des maximalen Steuervorteils sind zwei Konstellationen zu unterscheiden, die sich nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte richten. Bis zum Grenzwert von 51.130 € kann (fast) jeder nun 153 € mehr von seinen außergewöhnlichen Belastungen steuerlich geltend machen. Der Einkommensteuervorteil daraus liegt irgendwo zwischen 0 € und knapp 40 €, je nach Einkommenshöhe. Immerhin, 40 € sind 40 €. Im Jahr. Also etwas weniger als 40 €. Für mich ist das eher keine Entscheidung mit „weitreichender Bedeutung“ (auch vor dem Hintergrund, dass man überhaupt erstmal außergewöhnliche Belastungen haben muss).
Über dem Grenzwert von 51.130 € kann (fast) jeder 664 € mehr geltend machen (vorausgesetzt, er hatte entsprechend hohe Krankheits- oder andere Kosten). Der Einkommensteuervorteil daraus liegt – je nach dem – irgendwo unter 300 €, häufig sicherlich weit darunter. Bezogen auf die Gesamtsteuerlast ist das dann auch eher ein marginaler Vorteil.
Im Ergebnis kann man die Entscheidung des Bundesfinanzhofs durchaus begrüßen. Eine beachtliche steuerliche Entlastung bringt sie aber so gut wie nie.
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