Veräußert ein Autoverwertungsunternehmen gebrauchte Teile aus Altfahrzeugen, die das Unternehmen von Privatpersonen erworben hat, so unterliegt die Lieferung solcher Teile nach der Rechtsprechung des EuGH der Differenzbesteuerung (EuGH, Urteil vom 18.1.2017, Rs. C-471/15, Sjelle Autogenbrug I/S, NWB: QAAAG-39342). Der BFH schloss sich der Auffassung des EuGH bereits nach wenigen Wochen an – was blieb ihm auch anderes übrig (Urteil vom 23.2.2017, V R 37/15)? Nun hat die Finanzverwaltung endlich „nachgezogen“ und den UStAE geändert.
Nach Ansicht des BFH laut Urteil vom 23.2.2017 gilt: Werden mehrere Gegenstände für einen Gesamteinkaufspreis erworben und anschließend einzeln verkauft, ist für Zwecke der Differenzbesteuerung der Gesamteinkaufspreis grundsätzlich im Wege sachgerechter Schätzung auf die einzelnen Gegenstände aufzuteilen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob mehrere Gegenstände als Gesamtheit erworben werden oder ein Gegenstand erworben und dann in mehrere Gegenstände zerlegt wird.
Überschreitet der Kaufpreis für einen einzelnen Gegenstand nach der Aufteilung weiterhin 500 Euro, kann dieser Gegenstand nicht mehr der Besteuerung nach der Gesamtdifferenz unterworfen werden. Anhand von Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen ist zu entscheiden, welche Lieferungen nach der Differenz im Einzelfall (§ 25a Abs. 3 UStG) zu besteuern sind und welche Lieferungen der Besteuerung nach der Gesamtdifferenz (§ 25a Abs. 4 UStG) unterwerfen werden können.
Mit mehr als zweijähriger Verspätung hat die Finanzverwaltung die Urteile akzeptiert und den UStAE geändert (BMF-Schreiben vom 17.7.2019, III C 2 – S 7421/19/10003 :001). Laut Abschnitt 25a.1. Abs. 4 Satz 4 ff. UStAE gilt nun: Die Differenzbesteuerung ist auch dann anwendbar, wenn ein Unternehmer Gegenstände liefert, die er gewonnen hat, indem er die zuvor von ihm erworbenen Gebrauchtgegenstände, z.B. Gebrauchtfahrzeuge, zerlegt hat. Die Einkaufspreise der ausgebauten und weiterverkauften Einzelteile sind im Wege der sachgerechten Schätzung zu ermitteln. Die Schätzungsgrundlage ist in einer Anlage zu den Wareneingangsrechnungen zu erläutern und – soweit vorhanden – durch ergänzende Unterlagen zu belegen.
Hinweise
Betroffene Unternehmer sollten beim Ankauf von Altfahrzeugen – eventuell aufgrund von Erfahrungswerten – geschätzte Einkaufspreise für das jeweilige Einzelteil eines Kfz notieren. Später können dann Verkaufs- und geschätzte Ankaufspreise gegenübergestellt werden. Anschließend kann die „Einzel-Differenzbesteuerung“ oder die „Gesamtdifferenzmethode“ zur Anwendung kommen. Fehlen aber jegliche Aufzeichnungen zu den Einkaufspreisen bzw. zu den entsprechend geschätzten Werten, dürfte es mit der Differenzbesteuerung schwierig werden.
Weitere Informationen:
- EuGH v. 18.01.2017 – C-471/15
- BFH v. 23.02.2017 – V R 37/15
- BMF v. 17.07.2019 – III C 2 – S 7421/19/10003 :001