Blockchain, digitale Wertpapiere und neue Finanzierungsformen – der Gesetzgeber wird modern

Technische Innovationen verändern die Kapitalmärkte radikal. Die Bundesregierung gibt dem Veränderungsdruck nach und beabsichtigt, den Finanzmarkt für die Blockchain-Technologie zu öffnen. Sie will den nationalen Kapitalmarkt digitalisieren. Die Bundesministerien für Finanzen und Justiz greifen die im Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 festgeschriebenen Forderungen zur Förderung der Blockchain-Technologie auf und verfassten mit einem einjährigen Anlauf am 7. März 2019 ein Eckpunktepapier. Mit dem Papier Eckpunkte für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token verfolgt die Bundesregierung insbesondere zwei Ziele:

  1. Es sollen neuartige, von Jungunternehmen eingesetzte Finanzierungsinstrumente legalisiert werden. Die Bundesregierung will die rechtssichere Ausgabe von virtuellen Token (sog. ICOs und STOs), die oftmals pauschal als virtuelle Börsengänge umschrieben werden, ermöglichen.
  2. Wertpapiere sollen digitalisiert werden. Die bisher in einer Urkunde verkörperten Wertpapiere werden entmaterialisiert und virtuell. Dabei will die Bundesregierung Aktien vorerst vom Eckpunktepapier ausnehmen.

„The trend is your friend“

Nachdem der Krypto-Finanzmarkt in den letzten Jahren kontinuierlich immer mehr Interessenten gefunden hat, stiegen die Renditeziele der Investoren nahezu ins Unermessliche. Allein im Wege der ICO-Unternehmensfinanzierungen wurde 2018 Kapital von ca. 20 Mrd. US-Dollar investiert. Das Herdenverhalten auf dem weltweiten Krypto-Markt hinterließ seine Spuren. Es folgte – entsprechend der Logik der Kapitalmarkttheorie – eine Phase der geplatzten Träume und immensen Vermögensvernichtung. Der Trend brach 2018 ab und war nicht mehr der Freund aller Krypto-Investoren. Keine Börsenweisheit konnte das Fiasko verhindern. Für das giftige Heißlaufen und die Übertreibung des Krypto-Finanzmarktes wurde auch eine fehlende Regulierung verantwortlich gemacht.

Kammergericht Berlin vs. BaFin

Die verschiedenen Krypto-Geschäftsmodelle haben nach wie vor mit einer großen Rechtsunsicherheit zu kämpfen. Dokumentiert findet sich die rechtlich prekäre Lage nicht zuletzt in dem Disput des Kammergerichts Berlin und der obersten Finanzaufsichtsbehörde BaFin. In einem aufsehenerregenden Fall entschied das Kammergericht (Urteil vom 25. September 2018 – 161 Ss 28/18), dass eine Internet-Kryptobörse, auf der in casu Bitcoins gehandelt wurden, keine Bankerlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG) benötigt. Die BaFin vertritt indessen seit Jahren die Auffassung, dass für solche Krypto-Handelsplätze eine KWG-Lizenz erforderlich sei. Wer ohne eine solche Lizenz handelt, muss nicht nur mit einer Betriebsstilllegung durch die BaFin, sondern auch mit einem Besuch der Staatsanwaltschaft rechnen. Vor dem Hintergrund der weitreichenden strafrechtlichen Folgen warf das Kammergericht der BaFin in einer unmissverständlichen Sprache eine Kompetenzüberschreitung vor.

Weiter können die Judikative und Exekutive nicht auseinander liegen. Gemeinhin versteht man unter der Einheit der Rechtsordnung etwas anderes.

Bundesregierung entwickelt eine Blockchain-Strategie

Die Rufe der Blockchain-Industrie nach dem Gesetzgeber bestehen aber nicht erst seit dem Disput zwischen dem Kammergericht und der Finanzaufsicht. Eine unsichere Rechtslage besteht bei Blockchain gestützten Geschäftsmodellen indes nicht nur im Aufsichtsrecht. Viele offene Fragen stellen sich auch im Steuer- und Datenschutzrecht. Die unbefriedigende Situation kennt der Gesetzgeber seit Jahren. Die Bundesregierung beabsichtigt mit dem neuen Eckpunktepapier nun zumindest auf der kapitalmarktrechtlichen Ebene den Marktteilnehmern die Hand zu reichen. Das Regierungspapier wird als erste wichtige Maßnahme der Blockchain-Strategie vermarktet. Die Regierung will den deutschen Finanzstandort für Blockchain-FinTechs attraktiv machen – so ausdrücklich Stimmen der Regierung.

Hinsichtlich der angestrebten Regelungstechnik der digitalen Wertpapiere und der Ermöglichung von Unternehmensfinanzierungen in Form von ICOs und STOs hat die Regierung ein Konsultationsverfahren für Verbände und interessierte Kreise durchgeführt. Das Konsultationsverfahren endete vor einigen Wochen. Beim Thema der Unternehmensfinanzierung qua ICO ist zu erwarten, dass zumindest die Ausgabe von sog. Security Token (wertpapierähnliche Rechte z.B. mit Gewinnbezug), Prospektpflichten auslösen wird. Abzuwarten bleibt die Klärung, inwieweit die unterschiedlichen Arten der Utility Token, die eine Teilhabe an Netzwerken, Dienstleistungen und Produkten ermöglichen, auch prospektpflichtig werden. In einem nächsten Schritt soll es einen Referentenentwurf geben. Dieser wird zeigen, ob der deutsche Finanzstandort für die junge Krypto-Industrie wirklich an Attraktivität gewinnt. Die Fachkreise erwarten mit einer gewissen Spannung den gewählten Modus Operandi für die neuen Formen der digitalen Unternehmensfinanzierung.

Weitere Informationen:

KG Berlin v. 25.09.2018 – (4) 161 Ss 28/18 (35/18)

Hintergrundinformationen zum Spektrum der Unternehmensfinanzierungsformen bei mittelständischen Unternehmen und Startups finden Sie unter https://www.rosepartner.de/bankrecht-kapitalmarktrecht-aufsichtsrecht-finanzierung/unternehmensfinanzierung.html

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