Bafin moniert die Kapitalflussrechnung des Social-Media-Unternehmens
Peinlich. Das ist das Erste, was mir zu den Bilanzierungsfehlern bei Social Chain einfällt. Der operative Cashflow wurde zu hoch ausgewiesen. Und zwar durch einen Fehler, der mehr als unangenehm ist. Erhaltene Zahlungen aus einem Bankdarlehen wurden fälschlicherweise zum operativen Cashflow gerechnet. Das dies eindeutig zum Cashflow aus Finanzierungstätigkeit zählt, sollte jedem Studierenden bekannt sein, der in der Vorlesung die Kapitalflussrechnung kennengelernt hat. Für BWL-Absolventen ist dies die Regel. Das Übersehen des Fehlers ist nicht nachvollziehbar.
Wie aus einem positiver ein negativer operativer Cashflow wird
Was die Korrektur so erschreckend macht? In dem ausgewiesenen Konzernabschluss weist Social Chain einen Verlust in Höhe von 82 Mio. € aus, dennoch ist der operative Cashflow erstaunlicherweise mit 23 Mio. € positiv. Jetzt wissen wir, wie es zu dieser großen Differenz kommt: Denn 50 Mio. € kamen nicht durch Zuflüsse aus dem operativen Geschäft, sondern durch Bankdarlehen.
Die Korrektur ist daher für das Unternehmen sehr schmerzlich: Denn aus einem positiven operativen Cashflow wird ein negativer operativer Cashflow. Oder anders gesagt: Das Unternehmen hat im Geschäftsjahr 2021 Geld verbrannt, genauso wie übrigens im Jahr 2020.
Doch damit nicht genug: Nicht nur mit der Zuordnung zum Cashflow aus Finanzierungstätigkeit hat Social Chain Schwierigkeiten, auch die Definition des Cashflows aus Investitionstätigkeiten sollte man den Verantwortlichen näherbringen. Denn auch erhaltenen Zahlungen aus dem Verkauf von Aktien wurden fälschlicherweise dem operativen Cashflow zugeordnet. Hier kommt es also noch einmal zu einer Korrektur des operativen Cashflows um 9,3 Mio. €.
Der Fehler wurde im Geschäftsbericht 2022 seitens des Unternehmens auch direkt korrigiert: Dort wird der operative Cashflow mit minus 38 Mio. € ausgewiesen. Im Anhang wird kurz und knapp die Korrektur der Kapitalflussrechnung erläutert.
Ein kurzes Statement
Wieso die Zuordnung zu den drei Bereichen in der Kapitalflussrechnung relevant ist? Beispielsweise um zu sehen, ob das Unternehmen Geld verbrennt. Und bei hohen Verlusten über mehrere Jahre stellt sich zwangsläufig die Frage: Woher kommt die Liquidität, um das Unternehmen liquide zu halten.
Leider wird der operative Cashflow bei fast allen Unternehmen mittels der indirekten Methode ermittelt. Daher sind beispielsweise die Kundeneinzahlungen nicht ersichtlich aus der Übersicht. Auf einigen Hauptversammlungen habe ich die Frage gestellt, warum dies so gehandhabt wird. Machen alle so. Lässt sich leichter erstellen. Diese Antworten habe ich mehrfach erhalten. Durch die dargestellten Korrekturen zur Ermittlung des operativen Cashflows von der Ausgangsbasis des Gewinns bzw. Verlustes finde ich nicht immer transparent. Mögliche Folgen zeigt das Beispiel der Social Chain. Denn durch eine willkürliche Bezeichnung der Korrekturposten ist es als Leserin des Abschlusses nicht immer nachvollziehbar, was sich im Detail dahinter verbirgt.
Was mich doch sehr wundert: Warum sind diese beiden groben Fehler bei der Abschlussprüfung nicht aufgefallen? Stimmt, es findet keine Vollprüfung statt. Doch allein durch die Höhe der Beträge hätte ich erwartet, dass diese in der Abschlussprüfung herausgegriffen und einzeln geprüft werden. Wobei ich an dieser Stelle auch sagen muss: Aus der Fehlerfeststellung der Bafin geht nicht hervor, ob die Beträge jeweils in eine Vielzahl von Buchungssätzen aufgesplittet wurden und so unter den Radar in der Abschlussprüfung gefallen sind.
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